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OGH vom 25.11.2011, 9ObA84/11k

OGH vom 25.11.2011, 9ObA84/11k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. iur. Peter Krüger und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei U***** W*****, vertreten durch Klein, Wuntschek Partner, Rechtsanwälte GmbH in Graz, wider die beklagte Partei b***** *****institut *****, vertreten durch Dr. Walter Niederbichler, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 30/11b 39, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Klägerin, die die Bilanzbuchhalterprüfung, einen Lehrgang für Finanzbuchhaltung und Rechnungswesen sowie einer NLP Ausbildung (NLP Master) absolviert hatte, war seit beim Beklagten, einer Bildungseinrichtung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark, als Buchhaltungskraft tätig. In ihrem Dienstvertrag hatte sie sich bereit erklärt, jede vom Dienstgeber zugewiesene fachspezifische Tätigkeit zu erfüllen. Die Klägerin war bis März 2004 im EDV Schulungszentrum des Beklagten beschäftigt, danach bis Ende Februar 2009 im Institut für Sozial und Berufspädagogik, an dem folgende Tätigkeiten zu ihren Aufgaben zählten: Unterstützung der Bildungszentrumsleitung, Rechnungswesen, Organisation und Koordination der NLP Ausbildungen, Seminarorganisation für den Fachbereich Berufspädagogik und Persönlichkeitsbildung, Verwaltung und Bearbeitung sämtlicher Bildungsgutscheine, Ansprechperson für Kunden wegen Verrechnungs und Zahlungsmodalitäten, gewisse Datenpflegearbeiten uÄ. Ab März 2009 wurde sie aufgrund des umstrukturierungsbedingten Wegfalls des Bereichs Persönlichkeitsbildung im Bereich Gesundheitsberufe und im Ausmaß von zwölf Wochenstunden im aus der Umorganisation des Beklagten hervorgegangenen Kunden Service Center (KSC) eingesetzt, in dem eine erhöhte Kundenfrequenz (ca 10 %) gegeben ist. Anrufe langen bei der Beklagten zunächst jedoch in einem Call Center ein. Ab hätte die Klägerin ausschließlich im KSC tätig werden sollen. Ihre Tätigkeit hätte folgende Bereiche umfasst: Kundenbetreuung, Administration und Verrechnung der Karriereplanung, Kontrolle der Eingangsrechnungen, Seminaranmeldungen, Ein und Ausgangspost, Buchung und Vorbereitung von Seminarräumen, unterstützende Seminarbetreuung für die Seminare im Fachbereich Gesundheitsberufe, Trainerbetreuung, Auswertung von Evaluierungen, innerbetrieblicher Leistungsaustausch sowie einige geringerwertige Tätigkeiten (zB Pakete entgegennehmen). Ihr Arbeitsort wäre vom ersten Stock des Zentrums des Beklagten in den Eingangsbereich im Erdgeschoß verlegt worden.

Die Betriebsvereinbarung des Beklagten sah einen Gleitzeitrahmen von Montag bis Freitag von 6:00 h bis 19:00 h mit einer Kernarbeitszeit von 10:00 h bis 12:00 h oder 13:00 h bis 15:00 h vor. Die Flexibilität war der Klägerin aufgrund der Verkehrsverbindungen von ihrem Wohnort Aflenz wichtig. Sie kam täglich zwischen 8:30 h und 9:00 h und ging zwischen 17:00 h und 18:30 h. Im administrativen Dienst teilte sie sich das Büro mit einer Kollegin und machte mit ihr nach der Vorgabe des Beklagten, dass immer jemand anwesend sein müsse, die jeweiligen Anwesenheitszeiten aus. Nach der Versetzung in das KSC war eine andere Kollegin ab 7:30 h anwesend. Da das KSC von 7:30 h bis 17:30 h besetzt sein sollte, hätte die Klägerin nur in der Früh die Gleitzeit unverändert in Anspruch nehmen können. Bei einem früheren Weggehen hätte die Abendbetreuung früher kommen müssen, was in Eigenorganisation möglich gewesen wäre.

Der Betriebsratsvorsitzende erklärte, mit der Versetzung der Klägerin nicht einverstanden zu sein. Am ersuchte sie ihr Vorgesetzter, den Dienst im KSC sofort aufzunehmen. Ein für den anvisiertes Gespräch zwischen dem Vorgesetzten und dem Betriebsratsvorsitzenden wurde auf den verschoben. Der Betriebsratsvorsitzende riet der Klägerin, bis dahin den Dienst im KSC zu versehen, andernfalls drohe ihr die Entlassung. Die Klägerin befand sich am und am am Vormittag nicht im KSC. Vielmehr teilte sie an jenem Tag dem Vorgesetzten per E Mail mit, dass ohne Zustimmung des Betriebsrats ihre Versetzung nicht durchgeführt werden könne; die Arbeit im KSC zähle nicht zu ihren Aufgaben. Am Nachmittag wurde sie vom Geschäftsführer mehrmals aufgefordert, bei sonstiger Entlassung den Dienst im KSC ständig anzutreten und ihr Büro zu räumen. Als die Klägerin dies verweigerte, wurde die Entlassung ausgesprochen.

Die Vorinstanzen wiesen das Begehren der Klägerin auf Unwirksamerklärung der Entlassung und Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses ab, weil die Widersetzung der Klägerin gegen die dauerhafte Fortsetzung des Dienstes im KSC eine beharrliche Dienstverweigerung darstelle, für deren Rechtfertigung keine vertragswidrige Versetzung vorliege. Mangels verschlechternder Versetzung sei auch die Zustimmung des Betriebsrats (§ 101 ArbVG) nicht erforderlich gewesen.

Dazu zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukäme:

Rechtliche Beurteilung

1. Voranzustellen ist, dass das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden kann, womit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet wird (RIS Justiz RS0106298 [T8]). Dies gilt auch für die Frage, ob eine Weigerung von derart schwerwiegender Art ist, dass auf die Nachhaltigkeit der Willenshaltung des Angestellten schon deshalb mit Grund geschlossen werden kann (RIS Justiz RS0029746 [T27]).

2. Dem Vorbringen der Klägerin, dass ihr die Gleitzeit „weggenommen“ worden sei, steht entgegen, dass sie auch vor der Versetzung in das KSC die Gleitzeit nur insoweit in Anspruch nehmen konnte, als sie in Entsprechung der Vorgabe des Beklagten, es müsse immer jemand anwesend sein, darüber eine Einigung mit ihrer Kollegin zu erzielen hatte. Da sie auch nach der Versetzung die Gleitzeit in der Früh unverändert in Anspruch nehmen hätte können und am Nachmittag eine Vereinbarung mit der Abendbetreuung möglich gewesen wäre, hätte sie je nach Vereinbarung mit der Morgen oder Abendbetreuung sehr wohl weiterhin flexibel an einem Tag mehr, an einem anderen Tag weniger Stunden arbeiten können.

3. Es liegt auch keine korrekturbedürftige grobe Fehlbeurteilung in der Ansicht der Vorinstanzen, dass auch die Änderung der Tätigkeit keine verschlechternde Versetzung der Klägerin bedeutete, ergibt sich doch aus den Feststellungen, dass sie bereits vor der Versetzung in das KSC nicht nur buchhalterische, sondern wesentlich mehr administrative Tätigkeiten insbesondere im Zusammenhang mit der Kundenbetreuung und Seminarorganisation durchführte. Ebenso ist es vertretbar, wegen eines erhöhten Kundenkontakts (bei Erhöhung der Kundenfrequenz um ca 10 %) die Versetzung nicht als verschlechternd anzusehen.

4. Schließlich ist nicht ersichtlich, warum der Umstand, dass die Klägerin am und am vormittags nicht ihren Dienst im KSC antrat, sondern sowohl per E Mail als auch mündlich trotz Belehrung durch den Betriebsratsvorsitzenden und Entlassungsandrohung durch den Geschäftsführer zum Ausdruck brachte, der Versetzung nicht nachzukommen, keine beharrliche Dienstverweigerung darstellen sollte. Auch insoweit liegt keine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen vor.

5. Zum Revisionsvorbringen zu einer verpönten Motivkündigung iSd § 106 Abs 2 iVm § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG sei nur angemerkt, dass ein Arbeitgeber, der eine notwendige oder sachgerechte Verschlechterungsvereinbarung für die Zukunft anstrebt, damit noch nicht die bestehenden Ansprüche des Arbeitnehmers in Frage stellt, weil sein Änderungswunsch deren Anerkennung voraussetzt. Da § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG in einem solchen Fall schon deshalb nicht greifen kann ( Schrank in Tomandl , ArbVG § 105 Rz 119 mwN), wäre eine Ablehnung der Vertragsänderung durch den Arbeitnehmer insofern auch keine Geltendmachung von Ansprüchen, die vom Arbeitgeber in Frage gestellt wurden.

Mangels einer erheblichen Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.