VfGH vom 12.12.2012, B884/12
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Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Kaufvertrages über Waldgrundstücke; denkmögliche Qualifizierung des vorliegenden Rechtsgeschäftes als nichtig
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Vertrag vom kaufte der nunmehrige Beschwerdeführer die in der Einlagezahl 24 Grundbuch 07009 Grillenstein liegende Waldfläche von etwa 7 ha um einen Kaufpreis von € 17.400,-. In § 2 dieses Vertrages ist ausdrücklich festgehalten, "dass der auf den Waldgrundstücken stehende Holzvorrat nicht Gegenstand dieses Kaufvertrages ist." Die Verkäuferin wurde durch ihre Sachwalterin vertreten. Dieselben Parteien schlossen am selben Tag darüber hinaus einen Kaufvertrag über den "stehenden Holzvorrat" ab. Kaufgegenstand ist sämtliches Rundholz am Stock, das sich auf der oben genannten Waldfläche befindet. Beide Verträge wurden pflegschaftsgerichtlich genehmigt.
1.2. Der Antrag auf grundverkehrsbehördliche
Genehmigung des Kaufvertrages über die Waldgrundstücke ohne den stehenden Holzvorrat wurde von der Bezirkshauptmannschaft Gmünd mit Bescheid vom zurückgewiesen, weil sie den Kaufvertrag als nichtig und damit nicht genehmigungsfähig qualifizierte. Hinsichtlich des Kaufvertrages über den "stehenden Holzvorrat" suchte der Beschwerdeführer nicht um grundverkehrsbehördliche Genehmigung an. Die gegen den Zurückweisungsbescheid erhobene Berufung wurde von der NÖ Grundverkehrslandeskommission als unbegründet abgewiesen.
1.3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die gemäß Art 144 B-VG erhobene Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und im "rechtsstaatlichen Prinzip" behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt.
1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die angefochtene Entscheidung verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
2. Die zur Beurteilung des vorliegenden Falles maßgeblichen Bestimmungen des NÖ Grundverkehrsgesetzes 2007, LGBl. 6800-3, lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:
§3 Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Gesetzes gelten als:
[...]
4. Interessenten oder Interessentinnen:
a) Landwirte oder Landwirtinnen, die bereit sind, anstelle des Rechtserwerbers oder der Rechtserwerberin ein gleichartiges Rechtsgeschäft unter Lebenden über die vertragsgegenständliche Liegenschaft abzuschließen, wenn sie glaubhaft machen, dass die Bezahlung des ortsüblichen Verkehrswertes oder Pachtzinses und die Erfüllung sonstiger ortsüblicher und für den Verkäufer oder die Verkäuferin (Verpächter oder Verpächterin und dgl.) lebensnotwendiger Vertragsbedingungen gewährleistet ist;
[...]
Rechtserwerb an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken
§4 Genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte
(1) Unter Lebenden abgeschlossene Rechtsgeschäfte, die ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück betreffen, bedürfen der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, wenn sie zum Gegenstand haben:
1. Die Übertragung des Eigentumsrechtes;
2. die Einräumung des Fruchtgenussrechtes;
3. die Bestandgabe oder sonstige Überlassung der
land- oder forstwirtschaftlichen Bodennutzung auf Flächen von über 2 ha;
4. Die Verpachtung einer Fläche bis 2 ha, wenn durch diese Verpachtung das Gesamtausmaß von 2 ha verpachteter Fläche überschritten wird.
(2) Andere Rechtsgeschäfte über land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke bedürfen der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, wenn durch sie derselbe wirtschaftliche Zweck erreicht wird, wie durch ein in Abs 1 angeführtes Rechtsgeschäft (Umgehungsgeschäfte).
§6 Genehmigungsvoraussetzungen
(2) Die Grundverkehrsbehörde hat einem Rechtsgeschäft die Genehmigung zu erteilen, wenn es dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes nicht widerspricht. Soweit ein solches Interesse nicht besteht, ist die Genehmigung auch dann zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht. Die Genehmigung ist insbesondere nicht zu erteilen, wenn
1. der Rechtserwerber oder die Rechtserwerberin kein Landwirt oder keine Landwirtin ist und zumindest ein Interessent oder eine Interessentin vorhanden ist;
2. das Interesse an der Stärkung oder Schaffung eines oder mehrerer bäuerlicher Betriebe das Interesse an der Verwendung aufgrund des vorliegenden Vertrages überwiegt;
[...]"
3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die -
zulässige - Beschwerde erwogen:
3.1. Der Beschwerdeführer behauptet, im "rechtsstaatlichen Prinzip der Verfassung wegen willkürlicher Entscheidung" verletzt zu sein, weil die gesetzlichen Grundlagen im gegenständlichen Verfahren auffällig und gravierend verletzt worden seien. Die belangte Behörde habe bloße Formalbegründungen getroffen und vertrete Interessen von Parteien, die sich im Genehmigungsverfahren nicht als Interessenten angemeldet hätten und folglich am Verfahren nicht teilnehmen würden.
Die angefochtene Entscheidung ist ausführlich
begründet und geht auf die konkreten Umstände des Falles ein. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers liegt keine bloße Formalbegründung vor. Die belangte Behörde ist bei der Anwendung des NÖ GVG zur Berücksichtigung des Normzwecks - das schließt die Sicherstellung der Einhaltung der Interessentenregelung mit ein - verpflichtet. Der Vorwurf der Willkür ist unzutreffend.
3.2. Der Beschwerdeführer rügt auch eine Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und bringt dazu vor, dass die belangte Behörde zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert hätte. Der Kaufvertrag über die Waldgrundstücke ohne den stehenden Holzvorrat verstoße nicht gegen ein gesetzliches Verbot, sei nicht sittenwidrig und erfülle keinen gesetzlichen Nichtigkeitstatbestand. Die Qualifizierung des Vertrages als nichtig nach § 879 ABGB durch die belangte Behörde sei daher rechtswidrig gewesen. Es liege ein genehmigungsfähiges Rechtsgeschäft vor. Es sei für die Gültigkeit des Vertrages nicht relevant, dass der Holzvorrat Gegenstand eines anderen Kaufvertrages ist. Obwohl nicht geschlägerte Bäume keine selbständigen Sachen seien und mit der Einverleibung des gegenständlichen Kaufvertrages im Grundbuch auch das sachenrechtliche Eigentum am gesamten Baumbestand übergehe, sei es schuldrechtlich zulässig, zwischen den Waldflächen und dem sich darauf befindlichen Holz zu unterscheiden. Die belangte Behörde sei außerdem an die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Kaufvertrages gebunden, weil dort die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts beurteilt wurde. Für die belangte Behörde war dies eine Vorfrage. Sie durfte diese Rechtsfrage nicht mehr selbständig prüfen.
Das Vorliegen eines gültigen Rechtsgeschäfts ist von der Grundverkehrsbehörde als Vorfrage (§38 AVG) zu beurteilen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde eine Sachentscheidung - wenn auch in Form einer Zurückweisung - getroffen. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ist daher nicht verletzt. Die Qualifizierung des vorliegenden Rechtsgeschäfts als nichtig iSd § 879 ABGB durch die belangte Behörde ist denkmöglich und hinreichend begründet, sodass die angefochtene Entscheidung auch unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht zu beanstanden ist.
Die pflegschaftsgerichtliche Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft ergänzt nur die fehlende volle Verpflichtungsfähigkeit, ersetzt aber nicht das Fehlen sonstiger gesetzlicher Erfordernisse. Sie enthält keine Aussage darüber, ob der genehmigte Vertrag nichtig oder anfechtbar ist ().
4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.
Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).
Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Fundstelle(n):
GAAAE-10575