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VfGH vom 08.10.1990, b123/90

VfGH vom 08.10.1990, b123/90

Sammlungsnummer

12485

Leitsatz

Legitimation zur Anfechtung einer beschränkten straßenpolizeilichen Ausnahmebewilligung; keine denkunmögliche oder willkürliche Erteilung einer solchen Ausnahmebewilligung vom Nachtfahrverbot; keine Verfassungswidrigkeit der Nachtfahrverbotsverordnungen des Bundes und der Länder Oberösterreich und Salzburg in Hinblick auf das Eigentumsrecht und das Gleichheitsrecht; Nachtfahrverbot als im Allgemeininteresse liegende Eigentumsbeschränkung; sachliche Rechtfertigung eines Nachtfahrverbots für bestimmte LKW aufgrund der Notwendigkeit des Schutzes der Bevölkerung vor Lärmbelästigung; keine Verletzung des Vertrauensschutzes; sachliche Rechtfertigung geringfügiger Abweichungen in den Nachtfahrverbotsverordnungen; keine Gesetzwidrigkeit des Nachtfahrverbots; Vorrang des Interesses der Bevölkerung an der Fernhaltung von Lärmbelästigungen vor dem Interesse des Verkehrs an einer ungehinderten Benutzung der "Transitrouten" in der Nacht; kein Verstoß gegen die Einheitlichkeit des Wirtschaftsgebietes

Spruch

Die beschwerdeführenden Gesellschaften sind durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerden werden daher abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführenden Gesellschaften sind als Transportunternehmungen Eigentümerinnen von Lastkraftwagen und Sattelfahrzeugen mit einem Gewicht über 7,5 t, deren Wert - ihren Behauptungen zufolge - mit Einführung des sogenannten Nachtfahrverbotes erheblich gesunken ist.

Mit den vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art 144 B-VG angefochtenen Bescheiden wurden den beschwerdeführenden Gesellschaften Ausnahmebewilligungen vom Nachtfahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t erteilt, das durch Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, BGBl. Nr. 528/1989, auf bestimmten Autobahnen, durch Verordnung der Salzburger Landesregierung, LGBl. für Salzburg Nr. 98/1989, auf bestimmten Bundesstraßenstrecken im Lande Salzburg und durch Verordnung der OÖ. Landesregierung, LGBl. für Oberösterreich Nr. 78/1989, für bestimmte Bundesstraßen und Landesstraßen in Oberösterreich festgelegt worden ist. Diese Ausnahmebewilligungen wurden von den belangten Behörden entgegen den darauf gerichteten Anträgen der beschwerdeführenden Gesellschaften nur in beschränktem Umfang und unter bestimmten Bedingungen und Auflagen gewährt.

Die beschwerdeführenden Gesellschaften beantragen die Aufhebung der (beschränkt erteilten) Ausnahmebewilligungen vom Nachtfahrverbot wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie der Gleichheit vor dem Gesetz mit dem Ziel, diese Beschränkungen zu beseitigen. Sie sehen sich im Eigentumsrecht durch die teilweise Nichterteilung der Ausnahmebewilligung sowie insbesondere dadurch verletzt, daß die Verordnungen über das Nachtfahrverbot dem verfassungsgesetzlichen Eigentumsrecht widersprechen. Der Eingriff in das Eigentumsrecht wird im Wertverlust der LKWs infolge "deren mangelnden wirtschaftlichen Einsatzfähigkeit" behauptet. Verfassungswidrig sei diese Eigentumsbeschränkung deshalb, weil der öffentliche Zweck, dem sie diene, - die erhöhte Nachtruhe der Anrainer der vom Nachtfahrverbot betroffenen Straßen - auch durch andere Maßnahmen, "insbesondere durch Setzung von Übergangsfristen und entsprechend auf die wirtschaftliche Situation abgestellten Ausnahmebewilligungen ebenso erreichbar" gewesen wäre. "Der schwere Eigentumseingriff infolge der vorzeitigen Einführung des Nachtfahrverbotes (stehe) in keiner Relation zum eingetretenen Effekt."

Im Gleichheitssatz erachten sich die beschwerdeführenden Gesellschaften deshalb als verletzt, weil das Nachtfahrverbot "nur in einem Teil des Bundesgebietes ... eingeführt wurde, wodurch sich ein sachlich nicht gerechtfertigter Wettbewerbsvorteil für jene Betriebe ergibt, die ihren Standort in den Ländern haben, die vom Nachtfahrverbot nicht berührt sind". Außerdem seien in den einzelnen Verordnungen der Landesregierungen sowie des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr "unterschiedliche Regelungen" getroffen worden, "welche sachlich nicht gerechtfertigt" seien. Unsachlich und daher gleichheitswidrig seien die Verordnungen ferner, "da von vorneherein der Zweck der vorgesehenen Maßnahmen in der gewählten Form nicht erreicht werden" könne, da die Verwendung lärmarmer LKWs durch entsprechende Zulassungsbestimmungen für LKWs samt Übergangsfrist sachgerecht zu steuern wäre. Willkürlich und daher gleichheitswidrig sei ferner die Praxis der Erteilung der Ausnahmebewilligungen durch die einzelnen Landesregierungen, weil "jedes Bundesland eigene Kriterien für die Ausnahmebewilligungen entwickelt(e)".

Die beschwerdeführenden Gesellschaften regen ferner ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnungen über das Nachtfahrverbot an, weil diese nicht nur das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie auf Gleichheit verletzten, sondern darüber hinaus auch § 43 Abs 2 StVO nicht berücksichtigen würden. Durch die rasche Einführung des Nachtfahrverbotes sei die vom Gesetz aufgetragene Bedachtnahme "auf die Bedeutung der Verkehrsbeziehungen", insbesondere im Bereich der Transportwirtschaft, nicht erfolgt. "Die Verordnungen gefährden insgesamt die wirtschaftliche Existenz der betroffenen Transportbetriebe." Schließlich meinen die beschwerdeführenden Gesellschaften, "daß auch Art 4 Abs 1 B-VG verletzt wurde, da das Bundesgebiet im Hinblick auf die Versorgung durch die Transportwirtschaft nicht mehr als einheitliches Wirtschaftsgebiet betrachtet werden kann".

2. Die Salzburger und die Oberösterreichische Landesregierung verteidigen in ihren Gegenschriften die von ihnen erteilten, vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Ausnahmebewilligungen unter Hinweis auf § 45 Abs 2 a StVO, wonach Ausnahmebewilligungen von Verkehrsbeschränkungen und Verkehrsverboten nur zu erteilen sind, wenn daran ein erhebliches öffentliches Interesse besteht. Da ein derartiges öffentliches Interesse nur für einen bestimmten Teil der Fahrten als gegeben angenommen werden konnte, bzw. "die Hintanhaltung einer Existenzgefährdung" bei der zu B123/90 beschwerdeführenden Gesellschaft schon dadurch Rechnung getragen werden konnte, daß die Ausnahmebewilligung beschränkt auf 10 Lastkraftfahrzeuge erteilt wurde, schien den belangten Landesregierungen die Anwendung der zitierten gesetzlichen Bestimmung jedenfalls als denkmöglich, sodaß sie beantragen, die Beschwerden mangels Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte abzuweisen.

Zur Gesetzmäßigkeit der von der Salzburger Landesregierung zu LGBl. für Salzburg Nr. 98/1989 und von der Oberösterreichischen Landesregierung zu LGBl. für Oberösterreich Nr. 78/1989 erlassenen Nachtfahrverbotsverordnungen wurde übereinstimmend festgestellt, daß diese Verordnungen notwendig waren, um die Verlagerung des LKW-Verkehrs zur Nachtzeit von den von der Nachtfahrverbotsverordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, BGBl. Nr. 528/1989, betroffenen Autobahnen auf andere, im betreffenden Bundesland gelegene Straßen zu verhindern.

Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr verwies in seiner über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes erstatteten Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit seiner Verordnung BGBl. Nr. 528/1989 auf den Verordnungsakt, Zl. 160.720-I/6-1989.

II. 1. Die Beschwerden sind zulässig.

Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 10959/1986 dargetan hat, können Beschränkungen und Belastungen, die einer straßenpolizeilichen Ausnahmebewilligung von der Behörde beigefügt wurden, nur dadurch angefochten werden, daß die Ausnahmebewilligung selbst, mit der jene Beschränkungen eine untrennbare Einheit bilden, bekämpft wird.

2. Die Beschwerden sind aber nicht berechtigt.

a. Die von den Beschwerdeführern behauptete Verletzung ihres Eigentumsrechtes läge - unter der Voraussetzung, daß die angefochtenen Bescheide überhaupt in das Eigentumsrecht der Beschwerdeführer eingreifen - nur vor, wenn die Bescheide ohne jede Rechtsgrundlage, auf Grund einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage oder in denkunmöglicher Anwendung einer unbedenklichen Rechtsgrundlage erlassen worden wären. Die Beschwerdeführer stützen ihre Vorwürfe im wesentlichen auf die Rechtswidrigkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen, nämlich der oben angeführten Nachtfahrverbotsverordnungen des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, BGBl. Nr. 528/1989, sowie der Salzburger Landesregierung, LGBl. Nr. 98/1989, und der OÖ Landesregierung, LGBl. Nr. 78/1989. Auf diese - nicht berechtigten - Vorwürfe wird unten, 3., näher eingegangen. Im übrigen hegt der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken, daß die angegebenen Rechtsgrundlagen im Verein mit § 45 Abs 2 a StVO bei Erteilung der beschränkten Ausnahmebewilligungen denkunmöglich angewendet wurden.

Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechtes liegt sohin nicht vor, zumal bloß wirtschaftliche Chancen, deren Entzug die Beschwerdeführer rügen, als solche vom verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz nicht umfaßt sind.

b. In ihrem Gleichheitsrecht wären die beschwerdeführenden Gesellschaften verletzt, wenn die angefochtenen Bescheide auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruhten, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hätte.

Die belangten Behörden haben die vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Bescheide unter Anwendung des § 45 Abs 2 a StVO erlassen, weil sie im Umfang der bewilligten Ausnahme vom Nachtfahrverbot ein erhebliches öffentliches Interesse daran annahmen. Daß in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Voraussetzungen, wonach der Bewilligungswerber glaubhaft machen muß, "daß die Fahrt weder durch organisatorische Maßnahmen noch durch die Wahl eines anderen Verkehrsmittels vermieden werden kann", diese Ausnahmebewilligungen nicht im vollen, von den beschwerdeführenden Gesellschaften begehrten Umfang erteilt wurden, läßt das Handeln der Behörde jedenfalls nicht als willkürlich erscheinen. Die Prüfung, ob es in jeder, vor allem auch verfahrensrechtlicher Hinsicht, rechtmäßig war, obliegt nicht dem Verfassungsgerichtshof, sondern dem Verwaltungsgerichtshof. Die angefochtenen Bescheide beruhen auch auf keiner gleichheitswidrigen Auslegung des § 45 Abs 2 a StVO: Daß die belangten Behörden die Ausnahmebewilligungen lediglich für Straßen ihres Bundeslandes erteilten, ist nicht nur nicht gleichheitswidrig, sondern eine notwendige Folge ihrer jeweils auf den Bereich eines Bundeslandes beschränkten örtlichen Zuständigkeit.

Daß auch die gleichheitsrechtlichen Bedenken gegen die Nachtfahrverbotsverordnungen als eine der Rechtsgrundlagen der angefochtenen Bescheide nicht durchschlagen, wird unter 3.b. dargetan.

3. Die Nachtfahrverbotsverordnungen (BGBl. Nr. 528/1989, LGBl. für Oberösterreich Nr. 78/1989 und LGBl. für Salzburg Nr. 98/1989) erscheinen dem Verfassungsgerichtshof - jedenfalls aus der Sicht der vorliegenden Beschwerdefälle - nicht als rechtswidrig.

a. Der Verfassungsgerichtshof kann es dahingestellt sein lassen, ob und unter welchen Umständen eine allgemeine Regelung, die den Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen beschränkt, in das Eigentumsrecht der Fahrzeuginhaber als Straßenbenutzer überhaupt eingreift. Selbst wenn in einem Nachtfahrverbot eine Eigentumsbeschränkung für die Benutzer der Straße erblickt wird, liegt diese im Hinblick auf die in § 43 Abs 2 StVO genannten Voraussetzungen ("zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm ..., wenn und insoweit es zum Schutz der Bevölkerung ... erforderlich ist") im überwiegenden öffentlichen Interesse (sofern gegenüber dem Lärmschutz als mit dem Nachtfahrverbot angestrebten Zweck die Bedeutung der Verkehrsbeziehungen und Verkehrserfordernisse, auf die gemäß dem letzten Satz des § 43 Abs 2 StVO Bedacht zu nehmen ist, zurücktritt; vgl. auch VfSlg. 8086/1977). Da im "Allgemeininteresse" liegende Eigentumsbeschränkungen jedenfalls verfassungsrechtlich zulässig sind (vgl. nur VfSlg. 9911/1983), ist gegen die in Rede stehenden Nachtfahrverbote jedenfalls aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden, wenn sie den durch § 43 Abs 2 StVO genannten Voraussetzungen (dazu unten c.) genügen.

b. Die den Ausnahmebewilligungen zugrundeliegenden Verordnungen über Nachtfahrverbote widersprechen aber auch nicht dem Gleichheitssatz. Daß durch straßenpolizeiliche Regelungen Standort- und damit Wettbewerbsvorteile für verschiedene Straßenbenutzer entstehen können, ist offenkundig. Derartige Vor- oder Nachteile sind jedoch vom Standpunkt des Gleichheitssatzes aus unbedenklich, sofern die Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote in ihrer jeweiligen örtlichen Dimension sachlich gerechtfertigt sind. Wie der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr in seiner Stellungnahme dargetan hat, handelt es sich bei den vom Nachtfahrverbot betroffenen Autobahnen um besonders belastete bzw. ökologisch sensible Alpentransitrouten. Entsprechend den Gegenschriften der belangten Landesregierungen sollen die von diesen erlassenen Nachtfahrverbote eine Umgehung des Nachtfahrverbotes des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr verhindern. Der Verfassungsgerichtshof vermeint, daß der Schutz der Bevölkerung vor Lärmbelästigungen in der Nacht entlang den in den Nachtfahrverbotsverordnungen aufgezählten Straßen und Straßenstrecken ein im Sinne des Gleichheitssatzes hinlänglicher sachlicher Grund für die Erlassung der Nachtfahrverbotsverordnungen ist; dies auch im Hinblick auf das Bundesverfassungsgesetz vom über den umfassenden Umweltschutz, BGBl. Nr. 491, das u.a. die "Vermeidung von Störungen durch Lärm" zum Staatsziel erklärt. Ob Übergangsvorschriften oder andere, z.B. kraftfahrrechtliche Maßnahmen zweckmäßig(er) gewesen wären, muß unter dem Aspekt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes im vorliegenden Zusammenhang nicht geprüft werden.

Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß durch die Nachtfahrverbote ein gleichheitswidriger, weil sachlich nicht gerechtfertigter Eingriff dadurch erfolgt wäre, daß wirtschaftliche Investitionen frustriert wurden, die im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage von Unternehmern getätigt wurden. Zwar kann, wie der Verfassungsgerichtshof seit seinen Erkenntnissen vom , G228/89, und vom , G283/89, mehrfach ausgesprochen hat, ein belastender Eingriff des Gesetzgebers in erworbene Rechtspositionen, auf deren Bestand der Normadressat vertrauen konnte, zur Gleichheitswidrigkeit führen, sofern nicht besondere Umstände diesen Eingriff notwendig machen. Gleichwohl wäre ein durch straßenpolizeiliche Regelungen bewirkter Eingriff in Rechtspositionen, (auf die vertrauend Straßenbenützer erhebliche wirtschaftliche Investitionen - etwa durch Anschaffung bestimmter Lastkraftwagen - tätigten) nur dann eine Verletzung des Gleichheitssatzes, wenn dadurch eine weitere Nutzung oder wirtschaftliche Verwertung der betreffenden Investitionen überhaupt oder weitgehend unmöglich gemacht würde. Selbst ein derartiges Nutzungsverbot könnte jedoch sachlich gerechtfertigt werden, wenn seine faktischen Auswirkungen durch entsprechende Übergangsvorschriften gemildert würden oder wenn der Vertrauensschutz zurücktreten muß, um einer neu gewonnenen Einsicht in eine besondere, für die Allgemeinheit unmittelbar zu erwartende Gefahr, die den sofortigen Eingriff in die Rechtsposition rechtfertigt, Rechnung zu tragen.

Gleichheitswidrig ist es auch nicht, daß die Ausnahmevorschriften der Nachtfahrverbotsverordnungen der belangten Landesregierungen geringfügig voneinander und von der Nachtfahrverbotsverordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr abweichen. Vielmehr sind diese Abweichungen aus der eigenständigen Regelungsbefugnis der verordnungserlassenden Behörden im Verein mit den örtlichen Besonderheiten (vgl. z.B. § 1 Abs 2 litd der Verordnung der OÖ. Landesregierung, LGBl. für Oberösterreich Nr. 78/1989) zu rechtfertigen, zumal der wesentliche Inhalt der Nachtfahrverbotsverordnungen (d.i. das Verbot des Fahrens mit Lastkraftfahrzeugen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t in der Zeit von 22.00 bis 5.00 Uhr) in allen Nachtfahrverbotsverordnungen identisch ist.

c. Die Nachtfahrverbotsverordnungen sind auch im Hinblick auf § 43 Abs 2 lita StVO in der Fassung der 14. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 573/1987, unbedenklich.

Wie den vom Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr sowie von der Oberösterreichischen und der Salzburger Landesregierung vorgelegten Verordnungsakten zu entnehmen ist, wurde vor Erlassung der Nachtfahrverbotsverordnungen ein umfangreiches Anhörungs- und Ermittlungsverfahren durchgeführt. Aufgrund von Verkehrszählungen wurde die Grundlage zur Ermittlung der zu erwartenden Lärmreduktion durch Einführung eines Nachtfahrverbotes erhoben. Auf diesem Wege wurde auch die Frage der in das Nachtfahrverbot einzubeziehenden Straßenzüge hinreichend geklärt.

Wie in den Erläuterungen zur Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr deutlich wird, dienen die Nachtfahrverbotsverordnungen der Fernhaltung von Lärmbelästigungen zum Schutz der Bevölkerung, weil durch die Nachtfahrverbote Lärmemissionen in der Nähe von Autobahnen auf entsprechend niedrigere dB-Werte abgesenkt werden können. Das Nachtfahrverbot wurde auf allen österreichischen Autobahnen verhängt, "die für den Durchzugsverkehr von wesentlicher Bedeutung sind". Es wurde damit auf die vom Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 11.493/1987 zu § 43 Abs 2 litb StVO in der Fassung der 13. StVO-Novelle ausgesprochene Feststellung angeknüpft, wonach der "Besonderheit des starken Durchzugsverkehrs, vor allem durch Lastkraftfahrzeuge auf bestimmten Straßen durch Nachtfahrverbote Rechnung getragen werden" kann. Mit der Zeitdauer der Nachtfahrverbote (von 22.00 bis 5.00 Uhr) wird auf bereits bestehende Nachtfahrverbote in Österreich sowie im Ausland Rücksicht genommen. Keinen Bedenken kann es begegnen, wenn im Hinblick auf die extreme Lärmbelastung der entlang der (vom Nachtfahrverbot betroffenen) Straßen lebenden Bevölkerung dieses Verbot mit sofortiger Rechtswirkung, - sohin ohne Übergangsvorschriften - , ausgesprochen wurde.

Insgesamt meint sohin der Verfassungsgerichtshof, daß der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr sowie die Salzburger und die Oberösterreichische Landesregierung den diesen Behörden zustehenden Beurteilungsspielraum im Zuge der notwendigen Interessenabwägung (vgl. VfSlg. 8086/1977, S. 436 f.) nicht überschritten haben, wenn sie dem Interesse der Bevölkerung an der Fernhaltung von Belästigungen durch Lärm den Vorrang vor den Interessen des Verkehrs an einer ungehinderten Benutzung der sogenannten "Transitrouten" in der Nacht eingeräumt haben.

Daß ein auf § 43 Abs 2 StVO gestütztes Nachtfahrverbot - anders als die beschwerdeführenden Gesellschaften meinen - auch nicht gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit des Wirtschaftsgebietes gemäß Art 4 B-VG verstößt, hat der Gerichtshof bereits in VfSlg. 11.493/1987 unter Verweis auf seine Vorjudikatur dargetan.

Die beschwerdeführenden Gesellschaften sind daher auch mit der von ihnen behaupteten Rechtswidrigkeit der Nachtfahrverbotsverordnungen nicht im Recht.

4. Da die beschwerdeführenden Gesellschaften durch die angefochtenen Bescheide sohin weder in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden, waren ihre Beschwerden abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte, da die Voraussetzungen des § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 vorlagen, in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.