OGH vom 17.07.2018, 10ObS60/18y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martina Rosenmayr-Khoshideh (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Horst Nurschinger (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Sebastian Kittl LL.M., Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65–67, wegen Rückforderung der Witwerrente, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 6 Rs 10/18i-32, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1 Nach § 107 Abs 1 ASVG hat der Sozialversicherungsträger zu Unrecht erbrachte Geldleistungen (hier die trotz Wiederverheiratung des Klägers weitergezahlte Witwerrente) ua dann zurückzufordern, wenn der Zahlungsempfänger den Bezug durch Verletzung der Meldevorschriften (§ 40 ASVG) herbeigeführt hat. Es genügt die leicht fahrlässige Verletzung der Meldevorschrift (RISJustiz RS0083641 [T1]). Zu fragen ist, wie sich der maßstabsgerechte Durchschnittsmensch oder eine sorgfältige Person in der konkreten Lage verhalten hätte (RISJustiz RS0083641 [T4]).
1.2 Die Prüfung der Frage, ob eine schuldhafte Meldepflichtverletzung vorliegt, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich (als Ermessensentscheidung) grundsätzlich einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage (10 ObS 73/11z, SSVNF 25/87 mwH). Dem Kläger wurde nach den Verfahrensergebnissen der Bescheid der beklagten Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt vom , mit dem ihm die Witwerrente nach dem Tod seiner Gattin am zuerkannt wurde, zugestellt. Dieser Bescheid enthielt eine Belehrung über die Meldepflichten und die Rückforderung der Leistung als Folge ihrer Verletzung. Der Kläger heiratete abermals am , meldete dies aber nicht der Beklagten. Der Kläger kannte seine Obliegenheiten, er teilte etwa eine Wohnsitzänderung der Beklagten mit. Ausgehend davon ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass den Kläger im konkreten Fall ein Verschulden an der Meldepflichtverletzung traf, vertretbar.
1.3 Gemäß § 360b Abs 1 ASVG ist die Bestimmung des § 39a AVG auf das Verfahren der Versicherungsträger in Leistungssachen anwendbar (Kneihs in SVKomm [180. Lfg] § 360b ASVG Rz 18). Gemäß § 39a AVG besteht nach der diesbezüglich maßgeblichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs aber kein Anspruch auf Verwendung einer fremden Sprache im schriftlichen Verkehr mit der Behörde, es sei denn, es ist eine weitere Sprache als Amtssprache zugelassen, was hier nicht der Fall war (VwGH 2012/06/0226; VwGH 2012/08/0283 mwH; VwGH Ra 2016/11/0160). Auch mit dem Argument, der Kläger sei der deutschen Sprache nicht mächtig gewesen, weshalb Bescheide zu übersetzen gewesen wären, zeigt der Revisionswerber daher keine erhebliche Rechtsfrage auf.
2. Unstrittig hat der Kläger am neuerlich die Ehe geschlossen. Seine Gattin kam am nach Österreich. Der Kläger argumentiert, es komme für das Enden des Anspruchs auf Witwerrente im konkreten Fall nicht auf den Zeitpunkt der Wiederverheiratung (§ 215 Abs 1 ASVG), sondern – im Weg einer teleologischen Interpretation – auf den Zeitpunkt der „faktischen Wiederverehelichung“ am an, weil ihn seine neue Gattin erst ab diesem Zeitpunkt tatsächlich unterstützen habe können. Dem steht der klare Wortlaut des § 215 Abs 1 ASVG entgegen, sodass der Kläger schon daher keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt (RISJustiz RS0042656). Die vom Kläger geltend gemachte „Unterstützung“ (insbesondere ein allfälliger Anspruch auf Unterhalt) steht einem Ehegatten gegenüber dem anderen gemäß § 94 EheG bereits ab dem Zeitpunkt der Eheschließung zu.
3. Gegenstand des Verfahrens ist die Rückforderung der dem Kläger im Zeitraum von bis zu Unrecht gezahlten Witwerrente. Aus dem Umstand, dass das Erstgericht von der von der beklagten Partei in einer Höhe von 20.653,77 EUR geforderten Rückzahlung einen Betrag von 8.675,45 EUR an Witwerabfertigung abzog und die Rückzuahlungsverpflichtung mit 11.978,32 EUR festlegte, ist keine Beschwer des Klägers aus dem von der beklagten Partei unangefochten gebliebenen Abzug abzuleiten. In diesem Sinn zeigt der Kläger auch mit seinen Ausführungen zur Berechnung eines Anspruchs auf Abfertigung der Witwerrente keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO auf, sodass die außerordentliche Revision zurückzuweisen war.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00060.18Y.0717.000 |
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