Suchen Hilfe
VfGH vom 12.06.1987, B123/86

VfGH vom 12.06.1987, B123/86

Sammlungsnummer

11330

Leitsatz

Feststellung, daß die Bf. für einen gewissen Zeitraum pflichtversichert gewesen sei und hiefür Monatsbeiträge zu entrichten habe; keine Bedenken gegen die den Bescheid stützende Bestimmung des § 23 Abs 5 zweiter Satz BSVG (betreffend den Wirksamkeitsbeginn einer Einheitswertänderung bei Bemessung der Beitragsgrundlage) - s. VfSlg. 11201/1986, womit die Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wurde; keine Gleichheitsverletzung; im öffentlichen Recht begründete Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zur Unfallversicherung in bestimmter Höhe stellt keine zivilrechtliche Verpflichtung iSd. Art 6 MRK dar - keine Verletzung des Art 6 Abs 1 MRK

Spruch

Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt wurde.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern stellte mit Bescheid vom , Z 713-011/3007 AE, fest, daß M E a) in der Zeit vom bis in der Unfallversicherung der Bauern gemäß § 3 Abs 1 Z 1 und Abs 2 BSVG, BGBl. 559/1978, pflichtversichert gewesen sei und b) hiefür für die Zeit vom 1. Juli bis einen Monatsbeitrag von 45 S, für das Jahr 1980 einen Monatsbeitrag von 47 S, für das Jahr 1981 einen Monatsbeitrag von 50 S, für das Jahr 1982 einen Monatsbeitrag von 52 S, für das Jahr 1983 einen Monatsbeitrag von 55 S, für das Jahr 1984 einen Monatsbeitrag von 57 S und für die Zeit vom 1. Jänner bis einen Monatsbeitrag von 59 S zu entrichten habe.

1.2. Dem dagegen von M E erhobenen Einspruch wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom , ZIVb-69-23/1985, gemäß § 66 Abs 4 AVG 1950 keine Folge gegeben.

Begründend wurde dazu ua. ausgeführt:

". . . Gemäß § 3 Abs 1 Z 1 und Abs 2 BSVG besteht für Personen, die einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb iS des LAG führen, Pflichtversicherung in der Unfallversicherung der Bauern, sofern der land(forst)wirtschaftliche Betrieb einen Einheitswert von 2.000 S erreicht oder übersteigt.

Aufgrund des Einheitswertbescheides vom (Hauptfeststellungsbescheid zum , wirksam ab ), ausgestellt vom Finanzamt Feldkirch, Zl. 030-1-0614/4, wurde die forstwirtschaftlich genutzte Fläche im Ausmaß von 0,3830 Hektar mit einem Einheitswert von 2.000 S bewertet.

Aufgrund ArtIII Abs 3 der 5. BSVG-Nov. (BGBl. 590/1981) wurde der am vom Finanzamt Feldkirch erstellte Einheitswert erst mit wirksam. Für die Zeit zuvor war der als landwirtschaftlich genutzte Fläche ausgewiesene Grund mit 3.000 S bewertet.

Laut Artfortschreibungsbescheid des Finanzamtes Feldkirch vom wurde diese forstwirtschaftliche Fläche mit null S bewertet.

Gemäß § 3 Abs 2 letzter Satz BSVG müssen Änderungen des Einheitswertes, welche nicht durch Flächenänderungen hervorgerufen wurden, im Bereich der Bäuerlichen Unfallversicherung mit dem 1. Tag des Kalendervierteljahres berücksichtigt werden, das der Zustellung des Bescheides der Finanzbehörde 1. Instanz folgt.

Der am erstellte Bescheid des Finanzamtes Feldkirch konnte sohin erst ab dem berücksichtigt werden. . ."

1.3.1. Gegen diesen Bescheid des Landeshauptmannes, und zwar soweit er die Frage der "Beitragsleistung" (s. Punkt 1.1. litb) betrifft, richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde der M E, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten (Art7 B-VG, Art 6 Abs 1 EMRK) und in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Bestimmungen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Verwaltungsaktes begehrt wird.

1.3.2. Zur Begründung der Beschwerde wurde vorgebracht, daß die Nichtberücksichtigung der rückwirkenden Änderung des Einheitswertes sowohl bei der Beurteilung der Frage der Versicherungspflicht als auch bei der Festsetzung der Höhe der Sozialversicherungsbeiträge unsachlich sei; vielmehr müßten rückwirkende Änderungen des Einheitswertes stets auch zu einer rückwirkenden Neubemessung der Beiträge führen, weil der Einheitswert die ausschließliche Grundlage dieser Beitragsvorschreibungen bilde. Des weiteren hätte über die Höhe der von der Bf. zu entrichtenden Versicherungsbeiträge ein iSd Art 6 EMRK unabhängiges und unparteiisches sowie auf Gesetz beruhendes Gericht entscheiden müssen, weil hier - wie das Sondervotum des Kommissionsmitgliedes Melchior zu den Entscheidungen der EKMR in den Fällen Feldbrugge und Deumeland zeige - zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen iSd Art 6 EMRK strittig seien.

1.4. Der Landeshauptmann von Vorarlberg erstattete eine Gegenschrift, in der er für die Abweisung der Beschwerde eintrat.

1.5. Ua. aus Anlaß dieser - zulässigen (s. VfSlg.11201/1986) - Beschwerde leitete der VfGH von Amts wegen - und zwar unter Übernahme der von der Bf. der Sache nach vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken - mit Beschluß vom , B123/86-14, ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des - die Frage des Wirksamkeitsbeginns einer Einheitswertänderung regelnden - zweiten Satzes im § 23 Abs 5 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes - BSVG, BGBl. 559/1978, ein.

Mit Erkenntnis vom , VfSlg. 11201/1986, sprach der VfGH aus, daß die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Die Bf. begründet ihre Behauptung, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein, ausschließlich damit, daß die gemäß § 30 BSVG bei der Errechnung der Beitragsgrundlage und -höhe für die Unfallversicherung entsprechend anzuwendende, den Wirksamkeitsbeginn einer Einheitswertänderung festlegende Bestimmung des § 23 Abs 5 zweiter Satz BSVG unsachlich sei.

2.1.2. Da aber gegen die dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrundeliegenden Rechtsvorschriften verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen - s. dazu das zu Punkt

1.5. bezeichnete, ua. aus Anlaß dieses Beschwerdefalles ergangene Erkenntnis des und es auch an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, daß die bel. Beh. dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte, könnte nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH eine Verletzung des Gleichheitsrechtes nur dann vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid ein Willkürakt wäre.

Eine derartige Behauptung wurde von der Einschreiterin gar nicht aufgestellt; es finden sich auch keine wie immer gearteten Hinweise dafür, daß die bel. Beh. bei ihrer Entscheidung von subjektiven, in der Person der Bf. gelegenen Momenten bestimmt oder von anderen unsachlichen Erwägungen geleitet worden sei.

2.1.3. Daraus folgt, daß die Einschreiterin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt wurde.

2.2.1. Die Bf. erachtet sich - unter Hinweis auf das Sondervotum des Kommissionsmitglieds Melchior zu den Entscheidungen der EKMR in den Fällen Feldbrugge und Deumeland in ihrem Recht nach Art 6 Abs 1 EMRK verletzt, weil über die strittige Frage des Ausmaßes der Beitragsleistung anstelle der bel. Beh. ein Tribunal iSd Art 6 Abs 1 EMRK hätte entscheiden müssen.

2.2.2. Nun werden zwar - wie der VfGH bereits wiederholt aussprach (vgl. VfSlg. 5100/1965, 5102/1965, 7099/1973, 9887/1983;

s. auch VfSlg. 5666/1968) - unter "zivilen Rechten" iS des Art 6 Abs 1 EMRK nicht bloß Ansprüche und Verpflichtungen verstanden, die als "bürgerliche Rechtssache" (vor ordentlichen Gerichten) geltend zu machen sind und unter den Kompetenztatbestand "Zivilrechtswesen" (Art10 Abs 1 Z 6 B-VG) fallen. Vielmehr erfaßt Art 6 Abs 1 leg. cit. - darüber hinaus - jedes Verfahren, dessen Ausgang für Rechte und Verpflichtungen privatrechtlicher Natur unmittelbar entscheidend ist (s. auch VfSlg. 8856/1980, ).

Dies trifft aber hier offenkundig nicht zu: Denn Gegenstand des bekämpften Bescheides, soweit er von der Einschreiterin in Beschwerde gezogen wurde (s. Punkt 1.3.1.), bildet einzig und allein die - der Feststellung des Bestehens der Pflichtversicherung nachfolgende - Frage der Höhe der von der Bf. zu entrichtenden Versicherungsbeiträge. Die im öffentlichen Recht begründete Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zur Unfallversicherung in bestimmter Höhe stellt aber keine zivilrechtliche Verpflichtung iSd Art 6 EMRK dar (vgl. zur Vorschreibung von Abgaben: VfSlg. 8112/1977, 8512/1979).

An dieser Beurteilung vermag der Hinweis der Bf. auf die beiden - in der Zwischenzeit vom EuGMR entschiedenen Rechtssachen Feldbrugge und Deumeland schon deshalb nichts zu ändern, weil es in diesen Fällen um das Recht des Versicherten auf Erhalt von Leistungen aus der Krankenversicherung bzw. auf Bezug einer Rente und damit um Rechte ging, die mit der Verpflichtung zur Zahlung von (Versicherungs-)Beiträgen in bestimmter Höhe nicht gleichgesetzt werden können.

2.2.3. Daraus folgt, daß die Bf. auch nicht in ihrem Recht nach Art 6 Abs 1 EMRK verletzt wurde.

2.3. Angesichts des Umstandes, daß schließlich auch keine Verletzung eines bisher nicht behandelten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm hervorkam (s. schon Punkt 2.1.2.), hatte der VfGH die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abzutreten, ob die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt wurde.

2.4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Fundstelle(n):
KAAAE-10539