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OGH vom 15.12.2015, 10ObS60/15v

OGH vom 15.12.2015, 10ObS60/15v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Harald Kohlruss (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei D*****, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 144/14v 21, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 35 Cgs 75/14x 15, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger hat keine Berufsausbildung absolviert und war in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag als Datenauswerter tätig. Mit der ihm verbliebenen Leistungsfähigkeit könnte er Tätigkeiten im Rahmen der Unterhaltsreinigung (Reinigung von Büroräumlichkeiten) ausführen.

Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Klägers vom auf Weitergewährung der mit Vergleich vom für den Zeitraum von bis befristet zuerkannten Invaliditätspension mit der Begründung ab, dass Invalidität nicht dauerhaft vorliege.

Gleichzeitig sprach die beklagte Partei im Bescheid aus,

dass ab weiterhin vorübergehende Invalidität vorliege, daher als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers das Ergebnis weiterer Therapiemaßnahmen abzuwarten sei;

dass Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nicht zweckmäßig seien sowie

dass ab für die weitere Dauer der vorübergehenden Invalidität Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung bestehe.

Das Erstgericht wies unter Spruchpunkt 1. das auf Weitergewährung der Invaliditätspension über den hinaus gerichtete Klagebegehren unbekämpft ab.

Die Spruchpunkte 2. und 3. des erstgerichtlichen Urteils lauten:

„2. Es liegt weiterhin vorübergehende Invalidität vor. Die klagende Partei hat dem Grunde nach ab dem Anspruch auf Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit.

3. Ab dem besteht für die weitere Dauer der vorübergehenden Invalidität Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung.“

Angesichts der Verweisbarkeit des Klägers auf Tätigkeiten im Bereich der Unterhaltsreinigung sei er nicht invalid. Die im bekämpften Bescheid festgelegte Leistung des Rehabilitationsgeldes sei dem Kläger schon aufgrund des Verschlechterungsverbots des § 71 Abs 2 ASGG von Amts wegen zuzuerkennen gewesen. Da das Abwarten des Ergebnisses weiterer Therapiemaßnahmen keine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation sei und die beklagte Partei verpflichtet gewesen wäre, die Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation konkret zu benennen, könne nur ein Zuspruch dem Grunde nach erfolgen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge und änderte den Spruchpunkt 2. folgendermaßen ab:

„2. Ab liegt weiterhin vorübergehende Invalidität vor.“

Das Erstgericht habe zutreffend den durch die Klageerhebung außer Kraft getretenen Bescheidteil, in dem über den Anspruch auf Rehabilitationsgeld dem Grunde nach erkannt worden sei, im Urteil wiederholt.

Im Zusammenhang mit den Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation habe das Erstgericht richtigerweise darauf hingewiesen, dass der Ausspruch im angefochtenen Bescheid, dass „ ... als Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit das Ergebnis weiterer Therapiemaßnahmen abzuwarten“ sei, keine Rehabilitationsmaßnahme im Sinn der §§ 253 f ASVG darstelle. Dabei habe das Erstgericht allerdings übersehen, dass mangels Feststellung einer konkreten Maßnahme der medizinischen Rehabilitation auch kein Anspruch im Sinn einer reformatio in peius entstehen habe können, den das Erstgericht in seinen Urteilsspruch aufzunehmen gehabt hätte. Mangels Konkretisierung der Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation wäre der Bescheid insoweit nicht der Rechtskraft fähig gewesen, selbst wenn er nicht bekämpft worden wäre. Aus diesem Grund habe der Spruchpunkt 2. des Ersturteils mit Ausnahme des Ausspruchs über das Vorliegen vorübergehender Invalidität zu entfallen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision im Hinblick auf das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu den behandelten Rechtsfragen zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem Zulässigkeitsausspruch ist die Revision der beklagten Partei nicht zulässig.

Für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs maßgebend (RIS Justiz RS0112921, RS0112769).

Der Oberste Gerichtshof hat zwischenzeitig in der Entscheidung 10 ObS 50/15y vom , die am somit erst nach Ergehen des Berufungsurteils in das Rechtsinfomationssystem (RIS) aufgenommen und auch in zwei Fachzeitschriften veröffentlicht wurde ( ARD 6470/12/2015; ZAS Judikatur 2015/109), zu der auch im vorliegenden Verfahren entscheidungswesentlichen Rechtsfrage Stellung genommen.

In dieser Entscheidung geht der Oberste Gerichtshof ausführlich auf die Argumentation der beklagten Partei in ihrer Revision ein und lehnt ihre Ansicht ab, dass das Verbot der reformatio in peius nach § 71 Abs 2 ASGG nicht für den Fall gelte, dass im angefochtenen Bescheid ein Anspruch auf Rehabilitationsgeld bejaht worden sei. Die von der beklagten Partei geforderte teleologische Reduktion der Bestimmung komme nicht in Betracht. Der Versicherte dürfe darauf vertrauen, jedenfalls die im Bescheid zuerkannte Leistung ohne Rücksicht auf den Ausgang des Prozesses zu erhalten. Er solle die Möglichkeit haben, im Instanzenzug seinen Rechtsstandpunkt geltend zu machen, ohne dadurch das Risiko einzugehen, im Fall seines Unterliegens nicht einmal das zu erhalten, was ihm mit dem außer Kraft getretenen Bescheid zuerkannt worden ist. Diese Zweckrichtung des § 71 Abs 2 Satz 1 ASGG treffe auch dann zu, wenn dem Versicherten im Bescheid des Versicherungsträgers Rehabilitationsgeld zuerkannt worden sei. Auch der Ausspruch, dass weiterhin vorübergehende Invalidität vorliege, werde von der Anerkenntnisfiktion erfasst (vgl in diesem Sinne auch 10 ObS 41/15z, 10 ObS 62/15p ua).

Da somit mittlerweile von einer gesicherten Rechtsprechung auszugehen ist, ist die vom Berufungsgericht und von der beklagten Partei aufgeworfene Rechtsfrage nicht mehr erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, weshalb das Rechtsmittel zurückzuweisen ist.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00060.15V.1215.000