VfGH vom 05.03.2012, b123/11
Sammlungsnummer
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Spruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Landesverteidigung und Sport) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.620,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer steht als Oberstleutnant in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 4a BDG 1979 die Anerkennung seiner an der Universität "Derby" absolvierten Ausbildung zum "Master of Education (M.Ed.)". Der Verwaltungsgerichtsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom , 2008/12/0007, den Bescheid der Dienstbehörde vom , mit dem dieser Antrag abgewiesen wurde, auf. Daraufhin stelle der Beschwerdeführer mit Eingabe vom folgenden modifizierten Antrag:
"1. bescheidmä[ß]ig darüber abzusprechen, ob ich
durch mein MEd.-Studium die Voraussetzung für alle Verwendungen im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport erfülle, wie sie durch Z 1.12 und Z 12.12 der Anlage 1 zum BDG 1979 vorgegeben sind - allenfalls mit Einschränkungen hinsichtlich einzelner solcher Arbeitsplätze bzw. Verwendungen oder Gruppen davon;
2. in eventu beantrage ich für den Fall der negativen Entscheidung über das Begehren laut vorigem Punkt die Absprache darüber, ob ich durch das besagte Studium die Voraussetzungen für die Verwendung auf dem Arbeitsplatz Referatsleiter Pädagogik und Hauptlehroffizier im Fachbereich 2 Pädagogik, Psychologie und Körperausbildung am Institut 1 der Theresianischen Militärakademie erfülle."
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport vom wird der Antrag hinsichtlich des ersten Antragspunktes als unzulässig zurückgewiesen und wird hinsichtlich des zweiten Antragspunktes das Verfahren gemäß § 38 AVG ausgesetzt.
3. In der gegen diesen Bescheid erhobenen und auf
Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet.
4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und hat von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.
II. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G123/11, ausgesprochen, dass die Wortfolge "um eine Inländern nicht vorbehaltene Verwendung" in § 4a Abs 4 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. 333 in der Fassung BGBl. I 53/2007, verfassungswidrig war.
2. Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art 140 Abs 7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988). Im Fall einer Beschwerde gegen einen Bescheid, dem ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. II.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein
(VfSlg. 17.687/2005).
3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren G123/11 begann am . Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der das Verwaltungsverfahren einleitende Antrag wurde vor der Fassung des Prüfungsbeschlusses am , B1117/10, gestellt. Der der Beschwerde zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten. Der Ausspruch, dass diese Bestimmung verfassungswidrig war, wirkt daher jedenfalls auch für sie (vgl. VfSlg. 15.669/1999).
4. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides in beiden Spruchpunkten eine Gesetzesbestimmung an, deren Verfassungswidrigkeit festgestellt worden ist. Es ist nach Lage des Falles jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
5. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.
Der Bescheid war daher schon aus diesem Grund aufzuheben.
6. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VfGG abgesehen.
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 220,- enthalten.
Fundstelle(n):
SAAAE-10519