OGH vom 28.05.2013, 10ObS60/13s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhold Hohengartner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Mag. Alexander Heihs, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 186/12t 25, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Der Kläger wendet sich in seinem Rechtsmittel mit Recht nicht mehr gegen die zutreffende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach die vom Kläger im maßgebenden Beobachtungszeitraum der letzten 180 Kalendermonate vor dem Stichtag () ausgeübten Tätigkeiten im Sägewerk und als Kanalarbeiter nicht „eine“ Tätigkeit iSd § 255 Abs 4 ASVG darstellen. Für die Prüfung der Frage, ob der Kläger im Sinn der erwähnten Gesetzesstelle infolge von Krankheit oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außer Stande ist, einer Tätigkeit, die er in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag mindestens 120 Kalendermonate hindurch ausgeübt hat, nachzugehen, ist daher ausschließlich auf die Tätigkeit des Klägers als Kanalarbeiter abzustellen. Nach den maßgebenden Feststellungen der Vorinstanzen war der Kläger im Beobachtungszeitraum vom bis , bis , bis , bis , bis , bis , bis , bis , bis , bis , bis , bis , bis , bis und vom bis als Kanalarbeiter beschäftigt.
1.1 Das Berufungsgericht verwies auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 10 ObS 62/04x, SSV NF 18/70 ua; RIS Justiz RS0118621), wonach der Begriff „Kalendermonat“ iSd § 255 Abs 4 ASVG nicht mit dem Begriff „Beitragsmonat“ gleichzusetzen sei. Es seien, soweit nicht schon ganze Kalendermonate einer Tätigkeit vorliegen, in analoger Anwendung des § 133 Abs 2 letzter Satz GSVG jeweils 30 Kalendertage zu einem Kalendermonat zusammenzufassen. Ausgehend von dieser Berechnungsweise erfülle der Kläger den Tatbestand des § 255 Abs 4 ASVG nicht, weil er nur 119 Kalendermonate und 27 Tage hindurch in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag als Kanalarbeiter tätig gewesen sei.
2. Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, er erfülle entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts das Zeiterfordernis der Ausübung einer Tätigkeit durch mindestens 120 Kalendermonate hindurch, weil er nach den Feststellungen des Erstgerichts im maßgebenden Zeitraum der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag vom bis , vom bis , vom bis , vom bis und vom bis , somit über einen Zeitraum von insgesamt einem Monat und 101 Resttagen, Krankengeld bezogen habe und gemäß § 255 Abs 4 Z 2 ASVG auch diese Zeiten des Krankengeldbezugs zur Erreichung der 120 Kalendermonate heranzuziehen seien.
2.1 Diesen Ausführungen ist insoweit beizupflichten, als nach der hier bereits anzuwendenden Bestimmung des § 255 Abs 4 Z 2 ASVG idF BudgetbegleitG 2011 (BGBl I 2010/111) Monate des Bezugs von Krankengeld nach § 138 ASVG, sofern sie in den Zeitraum der letzten 180 Kalendermonate vor dem Stichtag fallen, im Höchstausmaß von 24 Monaten auf die für den Tätigkeitsschutz erforderliche Ausübung einer Tätigkeit mindestens 120 Kalendermonate hindurch anzurechnen sind. Nach den Gesetzesmaterialien (vgl RV 981 BlgNR 24. GP 206) sollten zur Erleichterung der Erlangung des in § 255 Abs 4 ASVG geregelten besonderen Tätigkeitsschutzes nunmehr auf die 120 (Kalender )Monate auch Krankengeldbezugszeiten „aus der Erwerbstätigkeit“ im Ausmaß von höchstens 24 Monaten angerechnet werden. Wie der erkennende Senat in der Entscheidung 10 ObS 17/12s vom bereits ausgeführt hat, soll dadurch aber nicht jeder Krankengeldbezug, sondern nur ein solcher Bezug von Krankengeld (durch maximal 24 Monate) angerechnet werden, der einer entsprechenden „Erwerbstätigkeit“ zuzuordnen ist. Andernfalls käme es nämlich zu einer Besserstellung von kranken gegenüber gesunden Arbeitslosen, für die keine sachliche Rechtfertigung ersichtlich sei.
2.2 Wie sich aus den entsprechenden Feststellungen des Erstgerichts zweifelsfrei ergibt, betreffen die vom Kläger genannten Krankengeldbezugszeiten ausschließlich Zeiträume, in denen er arbeitslos war. Sämtliche Krankengeldbezugszeiten, deren zusätzliche Berücksichtigung der Kläger anstrebt, stammen somit nicht „aus der Erwerbstätigkeit“ und sind daher auch nach der Intention der neuen Regelung des § 255 Abs 4 Z 2 ASVG nicht auf die erforderliche Mindestdauer von 120 Kalendermonaten anzurechnen (vgl 10 ObS 17/12s).
3. Weiters macht der Kläger geltend, es wäre im Sinn einer einheitlichen Vorgangsweise und unter dem Gesichtspunkt der Gleichheit aller eine genaue Definition aufzustellen, was mit „Kalendermonat“ gemeint sei. Er sei im Beobachtungszeitraum 3.655 Tage als Kanalarbeiter beschäftigt gewesen, was in Kalendermonaten (á 30 Tage in Analogie zu § 133 Abs 2 GSVG) 121 Monaten und 25 Tagen entspreche. Der Gesetzgeber habe dem Versicherten jeden einzelnen Tag anrechnen wollen, sodass nur eine tageweise Berechnung gerechtfertigt erscheine.
3.1 Diesen Ausführungen hat der erkennende Senat bereits in der Entscheidung 10 ObS 15/13y vom unter Hinweis auf die Vorentscheidung 10 ObS 62/04x, SSV NF 18/70, entgegengehalten, dass nicht generell Zeiten, in denen eine Tätigkeit iSd § 255 Abs 4 ASVG entfaltet wurde, ohne Rücksicht auf ihre Verteilung auf verschiedene Monate tageweise zusammenzurechnen und dann einer Division durch 30 zu unterziehen sind. Es sind vielmehr entsprechend § 133 Abs 2 letzter Satz GSVG jeweils 30 Kalendertage zu einem Kalendermonat zusammenzufassen, soweit nicht schon ganze Kalendermonate einer Tätigkeit vorliegen. Da der Gesetzgeber ausdrücklich auf Kalendermonate abstellt, kann keine Rede davon sein, dass er die vom Kläger favorisierte Berechnungsweise nach Tagen intendierte. Im Übrigen könnte auch durch die vom Kläger angestrebte Berechnungsweise nach Tagen nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts keine exakte Abbildung der Arbeitszeit erreicht werden, da die Arbeitszeit an den einzelnen Arbeitstagen durchaus unterschiedlich sein kann (zB Leistung von Überstunden, unterschiedliche Arbeitszeitverteilung usw). Es erscheint daher nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber für die Frage der Mindestdauer der Ausübung einer Tätigkeit zur Erlangung des Tätigkeitsschutzes auch im Hinblick auf die Verwaltungsökonomie generell auf Kalendermonate abstellt. Der Umstand, dass Kalendermonate unterschiedlich lang dauern (von 28 bis 31 Tagen), reicht auch nach Auffassung des erkennenden Senats nicht hin, eine Unsachlichkeit dieser Regelung anzunehmen, da davon ausgegangen werden kann, dass sich die Differenzen über den langen Zeitraum von 15 Jahren weitgehend ausgleichen. Der Gesetzgeber kann jedoch, ohne mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Widerspruch zu geraten, eine Durchschnittsbetrachtung anstellen. Beim Kläger handelt es sich zwar zweifellos um einen „Grenzfall“, es kann aber keine Grenzziehung dieser Art Härtefälle zur Gänze vermeiden. Aus diesen Gründen sieht sich der erkennende Senat auch nicht zu der vom Kläger angeregten Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof veranlasst.
4. Da die Entscheidung des Berufungsgerichts somit im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs steht, war die außerordentliche Revision des Klägers mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2013:010OBS00060.13S.0528.000