OGH vom 30.08.2011, 10ObS60/11p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Georg Eberl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. D*****, vertreten durch Mag. Barbara Senninger, Rechtsanwältin in Stegersbach, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist Straße 1, wegen Feststellung und Aufrechnung eines Überbezugs, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 112/10i 26, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Aufrechnung bzw Einbehaltung ausländischer Rentennachzahlungen zur Abdeckung einer österreichischen Ausgleichszulagenüberzahlung.
Mit Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht vom wurde dem Kläger die Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab zuerkannt. Mit Schreiben vom teilte die beklagte Partei dem Kläger mit, dass er bis zur endgültigen Erledigung seines Pensionsantrags ab einen Vorschuss laut aufgelisteter Aufstellung erhalte. Mit Schreiben vom wurde dem Kläger die Änderung der vorschussweisen Pensionszahlungen sowie die Zahlung einer Ausgleichszulage bekanntgegeben. Dem Kläger war bekannt, dass die Ausgleichszulage als Vorschuss gewährt wird (Ersturteil AS 8). Mit Schreiben vom teilte die beklagte Partei dem Kläger mit, dass eine endgültige Erledigung erst nach Abschluss des zwischenstaatlichen Verfahrens mit dem deutschen und schwedischen Versicherungsträger werde erfolgen können. Mit Bescheid vom setzte die beklagte Partei die Berufsunfähigkeitspension betragsmäßig fest und teilte dem Kläger unter einem mit, dass über die Ausgleichszulage gesondert entschieden werde. Mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom wurde die Rente des Klägers (rückwirkend) ab anerkannt. Die ausländischen Versicherungsträger (der schwedische und deutsche Versicherungsträger) überwiesen die den Kläger betreffenden Nachzahlungen von insgesamt 28.378,69 EUR an die beklagte Partei.
Mit Bescheid vom wurde der Anspruch des Klägers auf Ausgleichszulage ab in der jeweils gesetzlichen Höhe anerkannt und festgestellt, dass ab kein Anspruch auf Ausgleichszulage bestehe. Unter einem wurde der für den Zeitraum bis entstandene Überbezug an Ausgleichszulage in Höhe von 25.865,79 EUR rückgefordert und mit der ausländischen Nachzahlung aufgerechnet. Der Betrag von 2.512,90 EUR, der zur Abdeckung des Überbezugs nicht benötigt wurde, wurde an den Kläger zur Auszahlung gebracht.
Der Kläger begehrte die Feststellung, es gebühre ihm für den Zeitraum bis die Ausgleichszulage in der gesetzlichen Höhe; weiters begehrt er, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm den einbehaltenen Betrag von 25.865,79 EUR zu bezahlen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. (Die in Pkt 2 des Spruchs des Ersturteils erfolgte Zurückweisung des vom Kläger erhobenen weiteren Klagebegehrens blieb unangefochten und ist nicht mehr Verfahrensgegenstand.)
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, die unzulässig ist.
1. Die beklagte Partei hat die Rückforderung der Ausgleichszulage auf § 296 Abs 4 ASVG gestützt. Diese zur Hintanhaltung einer Bereicherung des betroffenen Pensionisten geschaffene Sondernorm besagt, dass im Fall des Entstehens eines Überbezugs an Ausgleichszulage infolge einer rückwirkenden Zuerkennung der Erhöhung einer Leistung aus einer Pensionsversicherung, dieser Überbezug gegen die Pensionsnachzahlung aufzurechnen ist. § 296 Abs 4 ASVG entspricht dem Rechtsgedanken, dass eine zunächst gebührende und rechtmäßig ausgezahlte Ausgleichszulage nicht behalten werden darf, wenn sich nachträglich durch rückwirkende Zuerkennung oder Erhöhung einer Leistung aus einer Pensionsversicherung ergibt, dass der Richtsatz überstiegen worden wäre, wenn diese Pensionsleistung früher zuerkannt worden wäre. Andernfalls würde es rückwirkend betrachtet zu einer Bereicherung der Pensionisten um die während des sich überschneidenden Zeitraums bezogene Ausgleichszulage kommen (10 ObS 227/94, SSV NF 8/109). Beim Vorgang der Aufrechnung iSd § 296 Abs 4 ASVG handelt es sich um die Effektuierung eines Überbezugs an Ausgleichszulage nach Zugang und Einbehaltung der zur Abdeckung maßgeblichen Nachzahlung (10 ObS 304/97x, SSV NF 12/2). § 296 Abs 4 ASVG enthält als Sondernorm für den Überbezug an Ausgleichszulage eine neben § 107 (sowie § 103) ASVG bestehende Aufrechnungsmöglichkeit (RIS Justiz RS0084110). Es wurde bereits ausgesprochen, dass § 296 Abs 4 ASVG als lex specialis die allgemeine Aufrechnungsnorm des § 103 ASVG verdrängt (10 Ob 304/97x, SSV NF 12/2).
2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs lässt § 296 Abs 4 ASVG schon nach seinem Wortlaut („Leistungen aus einer Pensionsversicherung“) nicht nur die Aufrechnung gegen Pensionsnachzahlungen nach dem ASVG, sondern gegen Nachzahlungen aus jedem auch ausländischen Pensionssystem zu (RIS-Justiz RS0084886).
3. Der Kläger hält unter Hinweis auf § 107 Abs 2 lit a ASVG daran fest, dass das Recht auf Rückforderung verjährt sei und erachtet es als Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, ob die Verjährungsfrist des § 107 Abs 2 ASVG auf Sachverhalte anwendbar ist, die unter § 296 Abs 4 ASVG zu subsumieren sind. Er vermeint, als Rückforderungstatbestand komme § 107 Abs 1 fünfter Fall ASVG (nachträglich festgestellter Anspruch auf Weiterleistung von Geld- oder Sachbezügen) in Betracht und rügt unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit, aus der im Anstaltsakt erliegenden Korrespondenz mit den ausländischen Versicherungsanstalten ergebe sich, dass der deutsche Rentenversicherungsträger bereits mit Schreiben vom den Leistungsfall ab anerkannt habe. Schon an Hand dieses Schreibens hätte die beklagte Partei erkennen müssen, dass sie die Ausgleichszulage zu Unrecht erbracht habe und hätte gemäß § 107 Abs 2 lit a ASVG innerhalb angemessener Frist einen Rückforderungsanspruch bescheidmäßig festzustellen gehabt.
Bei diesem Vorbringen übersieht der Kläger vor allem, dass er in seiner Berufung den Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit nicht geltend gemacht hat. Da die Rüge einer in zweiter Instanz nicht geltend gemachten vermeintlichen Aktenwidrigkeit in dritter Instanz nicht nachholbar ist (RIS Justiz RS0041773), hat der Oberste Gerichtshof somit von der Feststellung auszugehen, der deutsche Rentenversicherungsträger habe (erstmals) mit Bescheid vom die Rente des Klägers anerkannt.
3.2. Auch unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht der Revisionswerber geltend, das Recht auf Rückforderung bestehe nicht, wenn der Versicherungsträger bereits zum Zeitpunkt, in dem er erkennen habe müssen, dass die Leistung zu Unrecht erbracht worden sei, die für eine bescheidmäßige Feststellung erforderlichen Maßnahmen innerhalb einer angemessenen Frist unterlassen habe (§ 107 Abs 2 lit a ASVG). Das Fehlen diesbezüglicher Feststellungen begründe einen rechtlichen Feststellungsmangel. Aus dem Pensionsakt wäre dazu festzustellen gewesen, dass der Anspruch auf die deutsche Rentenleistung (spätestens) per (gemeint wohl: „“) anerkannt worden sei. Die beklagte Partei hätte ab diesem Zeitpunkt innerhalb angemessener Zeit einen Rückforderungsanspruch bescheidmäßig feststellen müssen. Dies hätte ihm Gelegenheit geboten, den beschwerlichen Weg der Rechtsdurchsetzung seines Rentenanspruchs in Deutschland zu überdenken.
Auch diese Argumentation kann dem Standpunkt des Revisionswerbers nicht nützen, geht sie doch nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sondern setzt sich (neuerlich) über die Feststellung hinweg, nach der der deutsche Rentenversicherungsträger erstmals am die Rente des Klägers anerkannt hat. Die Rechtsrüge ist demnach nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0043312). Wurden zu einem bestimmten Thema ohnehin Tatsachenfeststellungen getroffen, kann auch ein diesbezüglicher rechtlicher Feststellungsmangel nicht erfolgreich geltend gemacht werden; dass die (vorhandenen) Feststellungen von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen, ist nicht zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0053317 [T1]).
Ausgehend von den vom Erstgericht getroffenen, den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen, stellt sich somit die vom Revisionswerber als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO erachtete Frage nicht.
Mangels Aufzeigens einer relevanten Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.