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VfGH vom 23.09.2013, B878/2012

VfGH vom 23.09.2013, B878/2012

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Bescheides im Anlassfall

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden. Der Bescheid wird aufgehoben.

II. Die Universität Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.620,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

1.1. Der Beschwerdeführer wurde für das Wintersemester 2012/13 als Studierender der Universität Wien zugelassen. Die Universität Wien zählt zu jenen Universitäten, die – nachdem der Verfassungsgerichtshof mit VfSlg 19.448/2011 unter anderem § 91 Abs 1 bis 3 und Abs 8 des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002 – in der Folge: UG 2002), BGBl I 120/2002 idF BGBl I 134/2008, als verfassungswidrig aufgehoben und der Gesetzgeber bis zum Ablauf der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist für das Außerkrafttreten am keine Ersatzregelungen getroffen hatte – ihre Satzungen dahingehend änderten bzw. ergänzten, dass Bestimmungen eingeführt wurden, die mit Wirksamkeit ab dem Wintersemester 2012/13 eine Studienbeitragspflicht für Studierende vorsahen, die bestimmte, in den jeweiligen Satzungen (über weite Strecken gleichartig) geregelte Voraussetzungen erfüllen.

Gestützt auf die §§23 und 23a des studienrechtlichen Teils der Satzung der Universität Wien, Mitteilungsblatt der Universität Wien vom , 8. Stück, Nr 40 (Neuverlautbarung), in der Fassung Mitteilungsblatt der Universität Wien vom , 22. Stück, Nr 129, stellte die Vizerektorin für Studierende und Lehre der Universität Wien auf Antrag des Beschwerdeführers fest, dass dieser verpflichtet sei, für das Wintersemester 2012/13 einen Studienbeitrag in der Höhe von € 363,36 zu entrichten, weil er die beitragsfreie Studiendauer überschritten habe. Die gegen diesen erstinstanzlichen Feststellungsbescheid erhobene Berufung wies die Rechtsmittelkommission des Senates der Universität Wien als unbegründet ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und insbesondere die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetz- und verfassungswidrigen Verordnung, in concreto der eine Studienbeitragspflicht vorsehenden Bestimmungen der Satzung der Universität Wien, behauptet wird. Die Rechtsmittelkommission des Senates der Universität Wien legte die Verwaltungsakten vor und erstattete als belangte Behörde eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Das Rektorat der Universität Wien schloss sich den Ausführungen der Gegenschrift an. Der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung übermittelte auf Einladung des Verfassungsgerichtshofes eine Äußerung.

1.2. Aus Anlass der vorliegenden Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom gemäß Art 139 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der §§23, 23a und 27 Abs 6 des studienrechtlichen Teils der Satzung der Universität Wien idF Mitteilungsblatt der Universität Wien vom , 22. Stück, Nr 129, ein. Nachdem der Verfassungsgerichtshof in diesem Prüfungsbeschluss Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit von Studienbeitragsregelungen, die ohne entsprechende gesetzliche Grundlage als Teil von im Verordnungsrang stehenden Satzungen öffentlicher Universitäten erlassen wurden, geäußert hatte, wurde am das Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 und das Studienförderungsgesetz 1992 geändert werden, im BGBl I 18/2013 kundgemacht. Der durch dieses Bundesgesetz eingeführte § 143 Abs 30 Satz 3 UG 2002 ordnete an, dass die in den Ziffern 1 bis 9 genannten "Regelungen über Studienbeiträge in Satzungen von Universitäten […] vom bis zum Wirksamwerden des § 91 Abs 1 bis 3 in der Fassung BGBl I Nr 18/2013 als Bundesgesetze" gelten. Zu diesen Regelungen zählten gemäß Ziffer 1 auch die erwähnten §§23 und 23a des studienrechtlichen Teils der Satzung der Universität Wien idF Mitteilungsblatt der Universität Wien vom , 22. Stück, Nr 129.

1.3. Ob der Verfassungsmäßigkeit dieses, u.a. auch die, den angefochtenen Bescheid tragende Studienbeitragsregelung der Satzung der Universität Wien in Gesetzesrang hebenden § 143 Abs 30 Satz 3 UG 2002 idF BGBl I 18/2013 entstanden beim Verfassungsgerichtshof u.a. bei der Behandlung des (durch den aus Anlass der vorliegenden Beschwerde gefassten Prüfungsbeschluss vom eingeleiteten) zu V71/2012 geführten amtswegigen Verordnungsprüfungsverfahrens Bedenken. Daher beschloss der Verfassungsgerichtshof am u.a., die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung von Amts wegen zu prüfen ( ua.).

1.4. Nachdem mit (Teil-)Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom zunächst § 143 Abs 30 Satz 3 UG 2002 idF BGBl I 18/2013 als verfassungswidrig aufgehoben wurde ( G35 40/2013-18, V32 36/2013-18), hob der Verfassungsgerichtshof schließlich mit Erkenntnis vom ( G35 40/2013-22, V32 36/2013-22, V71/2012-18) u.a. die §§23 und 23a des studienrechtlichen Teils der Satzung der Universität Wien, idF Mitteilungsblatt der Universität Wien vom , 22. Stück, Nr 129, als verfassungswidrig auf.

2. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.303/1984, 10.515/1985).

3. Der Bescheid ist daher aufzuheben.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. Die Verpflichtung der Universität Wien zum Ersatz der Prozesskosten ergibt sich aus den §§4 und 5 UG 2002 iVm Art 81c B-VG (vgl. ; , B1852/02; , B1088/06). In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 220,– enthalten.