OGH vom 10.07.2012, 14Os63/12i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lindenbauer als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann H***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 12 dritter Fall, 15 StGB, 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom , GZ 35 Hv 150/11z 93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Im ersten Rechtsgang wurde der österreichische Staatsbürger Johann H***** mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom , GZ 35 Hv 50/10t 165 (nunmehr 35 Hv 150/11z-53), (zu I und II jeweils eines, richtig:) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, §§ 15, 12 zweiter und dritter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer zwölfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er soweit hier wesentlich an nicht mehr feststellbaren Orten in Belgien, Holland, Spanien und Österreich
(II) von Winter 2006/2007 bis Mitte März 2007 durch Absprache der Beladung des als Transportfahrzeug verwendeten Lastzugs mit Suchtgift in Holland und dessen Weitertransport mit nicht ausforschbaren Hintermännern und Andreas G***** dazu beigetragen, dass der abgesondert verfolgte vom hiefür bereits rechtskräftig verurteilten Andreas G***** dazu bestimmte Walter A***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge von 104,4 kg Cannabiskraut brutto (Reinsubstanz von 5,22 kg THC) und 293,5 kg Cannabisharz brutto (Reinsubstanz von 5,87 kg THC) als heimliche und undeklarierte Beifracht von Holland nach Belgien einführte und in weiterer Folge über die Fährverbindung Zeebrugge Hull von Belgien aus- und nach England einzuführen versuchte, wobei das geschmuggelte Suchtgift von den englischen Zollbehörden aufgegriffen wurde.
Mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 14 Os 48/11g (ON 74 der Hv-Akten), wurde das Urteil, das im Übrigen unberührt blieb, in teilweiser Stattgebung der dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten im Schuldspruch I und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben, im Umfang der Aufhebung eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht St. Pölten verwiesen. Im Übrigen (demnach in Betreff des Schuldspruchs II) wurde die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen und der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen auf die Kassation des Strafausspruchs verwiesen.
Im zweiten Rechtsgang wurde Johann H***** nach Ausscheidung des Verfahrens wegen der dem aufgehobenen Schuldspruch (ursprünglich I) zugrunde liegenden Tat für das im ersten Rechtsgang rechtskräftig abgeurteilte Verbrechen des Suchtgifthandels nach §§ 12 dritter Fall, 15 StGB, 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 4, 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b und Z 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Soweit sie aus Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO das Vorliegen inländischer Gerichtsbarkeit in Zweifel zieht (der Sache nach Z 9 lit a StPO; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 634 mwN; vgl dazu im Übrigen unten), richtet sich die Beschwerde gegen den nach dem Vorgesagten bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig gewordenen Schuldspruch.
Die Sanktionsrüge (der Sache nach Z 11 erster Fall; vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 671) geht mit der Behauptung, das Erstgericht hätte seine Strafbefugnis überschritten, weil bei wie hier mehreren in Frage kommenden, im Ausland gelegenen Tatorten, das für den Täter günstigste Tatortrecht (hier niederländisches Recht, das eine Höchststrafe von 40 bzw 32 Monaten vorsehe) als Vergleichsnorm nach § 65 Abs 2 StGB maßgeblich sei, fehl.
Nach § 64 Abs 1 Z 4 StGB werden (unter anderem) im Ausland begangene, nach § 28a SMG strafbare Handlungen unabhängig von den Strafgesetzen des Tatorts nach den österreichischen Strafgesetzen bestraft, wenn durch die Tat österreichische Interessen verletzt worden sind oder der Täter nicht ausgeliefert werden kann.
Während § 12 ARHG ein umfassendes, verfassungsrechtlich abgesichertes Verbot der Auslieferung österreichischer Staatsbürger enthält, regelt das EU-JZG die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gegen österreichische Staatsbürger in der ebenfalls im Verfassungsrang stehenden Bestimmung des § 5. Danach ist die Vollstreckung (unter anderem) unzulässig, wenn die im Haftbefehl genannte Tat dem Geltungsbereich der österreichischen Strafgesetze (§§ 62 bis 65 StGB) unterliegt (§ 5 Abs 2 EU-JZG). Vorliegend ergibt sich das Strafverfolgungsrecht (weil § 64 Abs 1 Z 4 StGB erst die Prüfung der Unzulässigkeit der Auslieferung voraussetzt) aufgrund der österreichischen Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers und nicht zweifelhafter Strafbarkeit [vgl im Übrigen gleich unten] der in Rede stehenden Tat nach den Gesetzen sämtlicher nach den Urteilsfeststellungen möglichen Tatorte jedenfalls aus § 65 Abs 1 Z 1 StGB (worauf sich denn auch der oben angesprochene Klammerausdruck in 14 Os 48/11g bezog).
Ist damit die vorgenannte zweite (alternative) Voraussetzung erfüllt, richtet sich die inländische Gerichtsbarkeit für das hier in Rede stehende Verbrechen des Suchtgifthandels nach §§ 12 dritter Fall, 15 StGB, 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG nach § 64 Abs 1 Z 4 StGB, sodass ein Günstigkeitsvergleich im Sinn des § 65 Abs 2 StGB nicht in Rede steht und eine Überschreitung der Strafbefugnis schon aus diesem Grund nicht vorliegt.
Wie der Vollständigkeit halber anzumerken bleibt, wäre die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls übrigens vorliegend auch bei vom Beschwerdeführer in Zusammenhang mit dem Einwand mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit behauptetem Fehlen einer identen Norm im Ausstellungs- oder einem Drittstaat unzulässig (vgl dazu ausführlich Sautner , Die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls nach dem EU-JZG, ÖJZ 2005/20 S 333 ff; zum Ganzen auch Medigovic, Der Europäische Haftbefehl; JBl 2006/627 [S 635 ff]; Murschetz, Der Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl und seine Umsetzung im EU-JZG, ÖJZ 2007/10 S 102 ff]), womit eine Prüfung des Sachverhalts unter dieser Prämisse zu keinem anderen Ergebnis führen würde.
Entgegen dem weiteren an die auf § 65 Abs 2 StGB gestützte Argumentation anknüpfenden Beschwerdevorbringen verstößt die Annahme des Erschwerungsgrundes vielfacher Überschreitung des Fünfundzwanzigfachen der Grenzmenge des § 28b SMG nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (RIS-Justiz RS0088028).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.