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OGH vom 24.09.1997, 13Os43/97

OGH vom 24.09.1997, 13Os43/97

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Rouschal, Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Schillhammer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Lech L***** wegen des Finanzvergehens des teils versuchten, teils vollendeten Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a und 13 FinStrG und eines weiteren Finanzvergehens über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom , GZ 29 Vr 1942/96-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr.Bierlein, des OR Dr.Koplinger, als Vertreter des Hauptzollamtes Linz jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Der polnische Staatsangehörige Lech L***** wurde gemäß § 259 Z 3 StPO von der Anklage freigesprochen, er habe (teils als Mittäter mit einem abgesondert verfolgten Komplizen) die Finanzvergehen des teils vollendeten, teils versuchten Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a, 13 FinStrG und des (damit in Tateinheit verwirklichten) vorsätzlichen Eingriffs in Rechte des Tabakmonopols nach § 44 Abs 1 lit b FinStrG dadurch begangen, daß er am Grenzübergang Wullowitz gewerbsmäßig eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich unter Verletzung der in Art 40 und 41 Zollkodex normierten Gestellungspflicht dem Zollverfahren entzog (1. und 2.) bzw zu entziehen versuchte (3.), nämlich

(1.) zwischen ("1." richtig:) und bei insgesamt 26 Einreisen 3,862.300 Stück Filterzigaretten verschiedener Marken mit darauf entfallenden Eingangsabgaben in der Höhe von 7,208.006 S,

(2.) am 148.550 Stück Zigaretten verschiedener Marken mit darauf entfallenden Eingangsabgaben in der Höhe von

277.231 S,

(3.) am 148.550 Stück Zigaretten verschiedener (im einzelnen bezeichneter) Marken mit darauf entfallenden Eingangsabgaben in der Höhe von 277.231 S,

und hiedurch (in Tateinheit) zu seinem oder eines anderen Vorteil vorsätzlich entgegen einem monopolrechtlichen Einfuhrverbot Gegenstände des Tabakmonopols mit einem Detailverkaufspreis von 7,556.569,50 S einführte und mit einem Kleinhandelspreis von 269.877,50 S einzuführen versuchte.

Das Urteil enthält weiters den Ausspruch, daß "gemäß §§ 446 StPO, 17 Abs 2 lit a FinStrG" die beschlag- nahmten (insgesamt 148.550 Stück) Zigaretten "für verfallen erklärt werden".

Nach den wesentlichen Feststellungen fuhr der Angeklagte im Auftrag eines namentlich nicht bekannten Mannes (offensichtlich) russischer Herkunft zwischen und insgesamt 27-mal gegen ein Entgelt von je 200 DM mit einem von diesem bereitgestellten Klein-LKW samt Anhänger (zuletzt in Begleitung seines abgesondert verfolgten Landsmannes Marek B*****) von Polen (auf Umwegen) über Tschechien und Österreich nach Deutschland, wo das angeführte Fahrzeug (samt Hänger) jeweils im Bereich einer Tankstelle in der Nähe von München vom genannten Auftraggeber übernommen und dem Angeklagten nach einigen Stunden - mit einem PKW bzw Autoersatzteilen beladen - zwecks Rücktransportes nach Polen (auf direktem Wege) wieder ausgefolgt wurde.

Auch am unternahm der Angeklagte auf der beschriebenen Route eine Auftragsfahrt mit dem in Rede stehenden LKW; anläßlich der Einreise von Tschechien nach Österreich wurde das Fahrzeug von Beamten des Zollamtes Wullowitz einer Kontrolle unterzogen und in einem Geheimversteck im Laderaum eine Menge von insgesamt 717 Stangen nicht deklarierter Zigaretten vorgefunden.

Das Erstgericht erachtete (nur) hinsichtlich der zuletzt angeführten Fahrt vom das dem Angeklagten vorgeworfene Abgabendelikt (sowie das damit idealkonkurrierend begangene Monopoldelikt) in objektiver Hinsicht für verwirklicht, gelangte jedoch aufgrund der als nicht widerlegbar beurteilten Verantwortung des Angeklagten zur Ansicht, er habe weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt. Bezüglich der übrigen Anschuldigung gingen die Tatrichter davon aus, daß Lech L***** die tschechisch-österreichische Grenze in Wullowitz in den inkriminierten (27) Fällen als Lenker des gegenständlichen LKWs zwar iS der Anweisungen seines Auftraggebers passiert habe, jedoch nicht nachgewiesen werden könne, daß sich im bezeichneten Fahrzeug tatsächlich Schmuggelgut befunden habe.

Die gegen sämtliche Freispruchsfakten (nominell) ausschließlich aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist im Ergebnis im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Der Sache nach zutreffend reklamiert die Beschwerde das Fehlen einer zureichenden Begründung einerseits für die (Negativ-)Feststellung, daß ein illegaler Zigarettentransport anläßlich der (durch entsprechende Reise- paßeintragungen dokumentierten) Grenzübertritte des Angeklagten zwischen 11.Juni und nicht nachweisbar sei, andererseits in Ansehung der Konstatierungen zum subjektiven Bereich.

Dazu verweist die Beschwerde mit Recht auf wesentliche, vom Erstgericht nur zum Teil festgestellte und keiner - fallspezifisch erforderlichen - näheren Erörterung unterzogene aktenkundige äußere Tatmodalitäten: Die Vielzahl der Grenzübertritte (in Abständen von einem bis acht Tagen) innerhalb eines kurzen Zeitraums (von rund zwei Monaten) mit demselben Fahrzeug über (angebliche) Anleitung eines unbekannten russischen Staatsangehörigen, die Wahl der zeitaufwendigen Route von Poznan/Polen über mehrere Landesgrenzen bei der Anreise zu dem (auf wesentlich kürzerem Wege - direkt über die polnisch-deutsche Grenze - erreichbaren) Zielort im Raume München, die Übernahme des LKWs durch den jeweils gesondert angereisten Auftraggeber an einer Autobahntankstelle, die Retournierung des Fahrzeugs nach mehreren Stunden im beladenen Zustand, die vereinbarungsgemäße Rückfahrt auf der kürzestmöglichen Strecke nach Polen und der Erhalt einer (für polnische Verhältnisse) relativ hohen Entlohnung pro Fahrt (S 27 ff, ON 6, S 259 ff) stellen in der Gesamtschau konkrete Verfahrensresultate dar, die in Verbindung mit der Betretung des Angeklagten anläßlich der unter denselben äußeren Bedingungen wie bei allen früheren Fahrten erfolgten Einreise nach Österreich am in objektiver Hinsicht die Durchführung eines (getarnten) Zigarettenschmuggels im präparierten Laderaum des gegenständlichen LKWs nach Art jenes vom in jedem einzelnen Anklagepunkt indizieren. Alle diese Beweisergebnisse hätten umsomehr einer substantiierten Erörterung bedurft, als das Erstgericht selbst (laut US 6) den Zusammenhang des (zuletzt) versuchten Zigarettenschmuggels mit organisierter Kriminalität in Polen nicht verkennt.

Die von den Tatrichtern hiezu (in US 7) angestellte Überlegung, es sei nicht auszuschließen, daß die 27 Grenzübertritte des Angeklagten der Erkundung der Abfertigungspraktiken an den einzelnen Grenzzollämtern zur Vorbereitung des illegalen Zigarettentransportes am gedient hätten, somit ohne Mitnahme von Schmuggelgut erfolgt seien, läßt unter den gegebenen Umständen keine an den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung orientierte Schlußfolgerung erkennen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 114). In die (in US 6) vom Erstgericht ferner betonten mangelnden Nachweisbarkeit des Zeitpunktes des Einbaus des Verstecks in den LKW ist bei logischer Betrachtung kein entlastender Umstand.

Im Lichte der aufgezeigten - objektiv die Vornahme fortgesetzter Schmuggelfahrten indizierenden - Verfahrensergebnisse erweisen sich auch die (unter der mangelhaft festgestellten Prämisse eines einzigen illegalen Zigarettentransportes) auf das Fehlen jeglicher Vorsatzkomponenten gezogenen Schlüsse des Erstgerichts als mit maßgeblichen Begründungsfehlern behaftet: Denn die von den Tatrichtern zur Stützung ihrer Überzeugung von der Gutgläubigkeit des Angeklagten herangezogenen Erwägun- gen, wonach dessen Legitimation mit seinem (echten) Reisepaß anläßlich der jeweiligen Grenzübertritte in Anbetracht der solcherart dokumentierten Vielzahl der Reisebewegungen für die Richtigkeit seiner Verantwortung spreche, weil andernfalls (bei zumindest bedingt vorsätzlichem Verhalten) die Verwendung eines (illegal beschafften) "neuen" Reisedokuments auf der Hand liegen würde (abermals US 7) - lassen sich angesichts des bei Verwendung eines Falsifikats erhöhten Betretungsrisikos empirisch nicht nachvollziehen; die vom Schöffensenat unreflektiert als entscheidendes Argument für das Fehlen sowohl von (wenigstens bedingtem) Vorsatz als auch von Fahrlässigkeit herangezogene Tatsache der Vorweisung des eigenen Passes vermag die Annahmen zum subjektiven Bereich auch deshalb nicht zu tragen, weil die erforderliche Auseinandersetzung mit jenen wesentlichen Verantwor- tungspassagen des Angeklagten unterlassen wurde, in welchen er ausdrücklich seine Vermutung zugestand, irgend etwas "Illegales" könnte im Gange sein (insbes S 123). Da sich die Tatrichter indes bei Erörterung dieser (uU in Richtung eines bedingt vorsätzlichen Handelns weisenden) Einlassung mit dem Hinweis auf die Beladung des gegenständlichen Fahrzeuges mit Autoteilen in Deutschland begnügten (US 5 f), ohne darauf einzugehen, daß der Angeklagte ungeachtet dieses Umstandes Bedenken schon wegen des Verhaltens des Auftraggebers und der Wahl der Fahrtroute hegte (S 123 zweiter Absatz), liegt auch insoweit die von der Nichtigkeitswerberin im Ergebnis (in bezug auf die Vorsatzelemente erkennbar implicite) ins Treffen geführte Unvollständigkeit vor.

Die im aufgezeigten Umfang sohin mit Recht relevierten Begründungsmängel machen eine Aufhebung der bekämpften Freisprüche des Lech L***** (einschließlich des Verfallserkenntnisses) und eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unabdingbar.

Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß sich die gerichtliche Zuständigkeit gemäß § 53 Abs 1 lit a FinStrG auf die Entscheidung über die wegen der Finanzvergehen nach §§ 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a, 44 Abs 2 lit b und 13 FinStrG erhobene Anklage beschränkte. Das Erstgericht hat sich jedoch (rechtsirrig) bezüglich des Sachverhalts zum Anklagevorwurf 3./ (bei welchem es die objektiven Tatbildmerkmale der in Rede stehenden Delikte für verwirklicht ansah) nicht damit begnügt, gemäß § 214 FinStrG mit einem Freispruch wegen Unzuständigkeit der Gerichte vorzugehen, sondern - zufolge der Konstatierung, daß der Angeklagte nicht einmal fahrlässig gehandelt habe - gemäß § 259 Z 3 StPO der Sache nach auch über ein Verhalten abgesprochen, dessen Beurteilung nicht in die Kompetenz der Gerichte fällt, sondern den Finanzbehörden vorbehalten ist. Die Prüfung, ob der Angeklagte allenfalls infolge Fahrlässigkeit die Finanzvergehen nach §§ 36 Abs 1 und 45 Abs 1 FinStrG zu verantworten hat, fällt in den autonomen Zuständigkeitsbereich der Finanzstrafbehörde (vgl ua SSt 48/26; EvBl 1981/89; 12 Os 167/88; 13 Os 118/95).

Im erneuerten Verfahren wird daher (gegebenenfalls) auch zu beachten sein, daß bei (abermaliger) Verneinung eines gerichtlich strafbaren Verhaltens wegen mangelnder Nachweisbarkeit vorsätzlichen Handelns (zu allen oder einzelnen Anklagevorwürfen) im Hinblick auf die (dann in Betracht kommende) Möglichkeit einer finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit (§ 53 Abs 6 FinStrG) ein Freispruch nach § 214 FinStrG zu fällen wäre.

Die kassatorische Entscheidung hat sich gemäß § 289 StPO auch auf den inhaltlich (wie aus der Zitierung des § 446 StPO trotz irriger Anführung des § 17 Abs 2 lit a FinStrG erkennbar) auf §§ 18, 243 FinStrG gestützten Verfallsausspruch zu erstrecken haben. Ein neuerlicher derartiger Ausspruch im (angesichts der Verfahrensabbrechung gegen den unbekannten Aufenthaltes befindlichen Marek B***** - siehe S 3 b verso des Antrags- und Verfügungsbogens - grundsätzlich zulässigen) "objektivierten" Verfahren (vgl Dorazil-Harbich FinStrG § 18 Anm 3, § 243 Anm 2) wird gemäß § 243 lit b FinStrG allerdings nur bei Freispruch aus anderen Gründen als wegen gerichtlicher Unzuständigkeit in Betracht kommen.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war mithin das angefochtene Urteil zur Gänze aufzuheben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuweisen.