Suchen Hilfe
VfGH vom 08.10.2014, B874/2013

VfGH vom 08.10.2014, B874/2013

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Bescheides im Anlassfall

Spruch

I. Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

II. Das Land Niederösterreich ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und amtswegiges Verordnungsprüfungsverfahren

1. Die beiden Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer des Grundstücks Nr 627, KG Eichgraben. Für einen Teil dieses Grundstücks ist seit der durch Beschluss des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom , Tagesordnungspunkt 2a der Gemeinderatssitzung, erfolgten Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes (in der Folge: ÖRP) die Widmung "Grünland-Grüngürtel" ("Ggü") mit der Funktionsfestlegung "Bachbegleitgrün" festgesetzt. Zuvor war dieses Grundstück der Beschwerdeführer zur Gänze mit der Widmung "Bauland-Wohngebiet" ("BW") ausgewiesen.

2. Am stellten die Beschwerdeführer einen Antrag auf Feststellung, dass es sich bei dem als Grünland gewidmeten Teil ihres Grundstücks nicht um Wald iSd Bundesgesetzes vom , mit dem das Forstwesen geregelt wird (Forstgesetz 1975), BGBl 440 idF BGBl I 55/2007, handle, was von der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten mit Bescheid vom antragsgemäß festgestellt wurde. In der Folge wurde die bis dahin bestehende "Wald" Kennzeichnung des relevanten Grundstückteils der Beschwerdeführer aus der Digitalen Katastralmappe (DKM) ausgetragen.

3. Der im Jahr 2012 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Individualantrag der nunmehrigen Beschwerdeführer, mit welchem die Aufhebung des ÖRP im Hinblick auf die Umwidmung ihres o.a. Grundstückteils in "Grünland Grüngürtel" mit der Funktionsfestlegung "Bachbegleitgrün" angestrebt wurde, wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom zu V58/2012 zurückgewiesen, weil ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Verordnung im Verfahren zur Bauplatzerklärung bestanden habe.

4. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Eichgraben vom wurde der Antrag der Beschwerdeführer, jenen Teil des o.a. Grundstücks, der als "Grünland-Grüngürtel" mit der Funktionsfestlegung "Bachbegleitgrün" gewidmet ist, zum Bauplatz zu erklären, abgewiesen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde vom Gemeindevorstand der Marktgemeinde Eichgraben mit Bescheid vom abgewiesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom abgewiesen. Eine Bauplatzerklärung komme auch für eine Teilfläche eines Grundstücks nur dann in Betracht, wenn diese im Bauland liege.

5. In der gegen den letztgenannten Bescheid gemäß Art 144 B VG beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde wird die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich des ÖRP, und die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) sowie auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) geltend gemacht. Die Beschwerde führt u.a. aus, dass nach § 22 Abs 1 Z 2 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 (NÖ ROG 1976), LGBl 8000-23, das Raumordnungsprogramm nur bei Vorliegen von wesentlichen Änderungen der Grundlagen hätte geändert werden dürfen.

6. Die Niederösterreichische Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den in der Beschwerde geäußerten Bedenken entgegentritt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

7. Die Marktgemeinde Eichgraben brachte die Verordnungsakten in Vorlage und erstattete eine kurze Äußerung.

8. Aus Anlass der unter Pkt. I.5. angeführten Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof am gemäß Art 139 Abs 1 B VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des örtlichen Raumordnungsprogrammes der Marktgemeinde Eichgraben in der vom Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben am unter Tagesordnungspunkt 2a beschlossenen Fassung, soweit dieses für einen Teil des Grundstücks Nr 627, KG Eichgraben, die Widmung "Grünland-Grüngürtel", Funktionsfestlegung "Bachbegleitgrün", vorsieht, ein. Mit Erkenntnis vom , V65/2014, hob der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung gezogene Verordnung insoweit auf.

II. Erwägungen

Die Beschwerde ist begründet:

1. Die Niederösterreichische Landesregierung hat die als verfassungswidrig erkannte Verordnung angewendet (s. oben unter Pkt. I.4.). Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass die den angefochtenen Bescheid erlassende Behörde zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn sie die Verordnung nicht angewendet hätte.

2. Die Beschwerdeführer wurden somit durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg 10.303/1984, 10.515/1985).

III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr in der Höhe von € 240,– enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:B874.2013

Fundstelle(n):
MAAAE-10398