VfGH vom 27.02.1989, B117/88

VfGH vom 27.02.1989, B117/88

Sammlungsnummer

11946

Leitsatz

Unwirksamerklärung einer internationalen Marke für das Gebiet der Republik Österreich; Feststellung der wirksamen Zustellung des Löschungsantrages; keine denkunmögliche Gesetzesanwendung; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Mit Bescheid der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom , Z Nm 86/85-4, wurde dem Antrag des G T auf teilweise Unwirksamerklärung der - zugunsten der Firma L N P S.r.l. (Italien) registrierten - internationalen Marke Nr. 485.688 stattgegeben und diese Marke im begehrten Umfang für das Gebiet der Republik Österreich für unwirksam erklärt.

1.1.2. Zur Begründung wurde ua. ausgeführt:

"... Der Antrag auf teilweise Unwirksamerklärung der internationalen Marke Nr. 485.688 für das Gebiet der Republik Österreich ist der Belangten (Firma L N P S.r.l.) am zugestellt worden. Die der Belangten zur Erstattung der Gegenschrift eingeräumte Frist ist am ungenützt verstrichen.

Es war sohin gemäß § 42 Abs 4 MSchG die begehrte teilweise Unwirksamerklärung der Marke Nr. 485.688 für das Gebiet der Republik Österreich ohne weiteres Verfahren zu verfügen ..."

1.2.1. Der dagegen von der Firma L N P S.r.l. ergriffenen Berufung wurde mit Beschluß des Obersten Patent- und Markensenats vom , Z Om 4/87, nicht Folge gegeben.

1.2.2. Begründend heißt es darin ua. wörtlich:

"... Der Berufung kann nicht gefolgt werden, wenn sie die Gültigkeit der Zustellung des Löschungsantrages deswegen bestreitet, weil die Zustellung nicht an den Firmensitz der Antragstellerin in Treviso veranlaßt wurde, der nicht mit der im Internationalen Markenregister verzeichneten Anschrift der Antragsgegnerin ident ist. Die von der Antragsgegnerin aus der italienischen Rechtsordnung abgeleiteten Erwägungen verfangen im vorliegenden Verfahren nicht. Laut dem Madrider Markenabkommen (MMA) und der dazu ergangenen Ausführungsordnung (AusfO) ist die Angabe der Person und der Adresse des Hinterlegers der Marke ein wesentlicher Teil der Markenregistrierung (Regel 11 Abs 4 lita der AusfO). Regel 15 der AusfO läßt weiters erkennen, daß es Sache des Markeninhabers ist, Änderungen seiner Anschrift bekanntzugeben, indem er um eine entsprechende Änderung der Eintragung ansucht. Die Verpflichtung zur Eintragung der Anschrift des Markeninhabers in das Markenregister kann aber insbesondere im Hinblick auf den Umstand, daß auf Antrag jedermann eine Abschrift der im Register eingetragenen Angaben über eine bestimmte Marke erhalten kann (Art5ter MMA), nur dann als sinnhaft angesehen werden, wenn die darin aufscheinende Anschrift des Markeninhabers auch die Zustelladresse für alle die Marke betreffenden Schriftsätze und behördlichen Verfügungen ist. Für den Ort der Zustellung von Schriftstücken in Markenangelegenheiten gelten daher primär die besonderen Vorschriften des (nationalen und internationalen) Markenrechts und nicht sonstige nationale Zustellvorschriften. Es ist daher Sache des Markeninhabers, rechtzeitig Änderungen seiner Anschrift dem internationalen Markenregister bekanntzugeben oder dafür vorzusorgen, daß Zustellungen an die im Markenregister angegebene Anschrift an ihn weitergeleitet werden, wenn er keine Anschriftsänderung bekanntgibt. Der Markeninhaber hat also Zustellungen an die im Markenregister verzeichnete Anschrift zu akzeptieren, auch wenn diese Anschrift etwa durch eine Sitzverlegung nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen sollte.

Das Ministero degli Affari Esteri, das für Italien die zentrale Behörde iSd Art 2 des eingangs zitierten Übereinkommens ist, beauftragte die Comune di Dosso di Casier mit der Zustellung des Löschungsantrages (siehe das im Akt einliegende Schriftstück des Ministero degli Affari Esteri vom ). Die Zustellung wurde aber, wie aus dem Zustellnachweis ersichtlich, an der Betriebsstätte der Antragsgegnerin in Meolo, Venezia, durch einen Messo della Comune di Meolo bewirkt.

Hiezu ist zu sagen, daß das Europäische Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen die Zustellung an einer anderen Anschrift zuläßt, wenn der Empfänger unter der von der ersuchenden Behörde angegebenen Anschrift nicht zu erreichen ist und seine Anschrift leicht festgestellt werden kann (Art14 Abs 1 litc). Daß es sich bei der Adresse, an der die Zustellung bewirkt wurde, nicht um den Sitz des Unternehmens handelt, kann der Gültigkeit des Zustellvorganges keinen Abbruch tun. ... Daß an der Zustelladresse in Meolo, Venezia, eine Betriebsstätte der Markeninhaberin besteht, wurde auch von ihr nicht in Abrede gestellt.

Schließlich rügt die Antragsgegnerin noch, daß die Zustellung durch einen Gemeindediener und nicht durch den Gerichtsvollzieher bewirkt wurde. Dazu ist zu sagen, daß aus den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen über die Gerichtsvollzieherordnung nicht eindeutig hervorgeht, daß dem Gerichtsvollzieher die ausschließliche Befugnis für die Zustellung auch von Verwaltungssachen zukommt; nach den vorliegenden Unterlagen kommt ihm zwar auch diese Befugnis zu, aber offensichtlich nicht mit Ausschließlichkeit. Im übrigen sei darauf verwiesen, daß das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten in Rom als zentrale Behörde iSd Art 2 des eingangs zitierten Übereinkommens von vornherein die Gemeinde, die nach der im internationalen Markenregister verzeichneten Anschrift zuständig war, mit der Zustellung betraute; es muß daher davon ausgegangen werden, daß diese Behörde die Zustellung entsprechend der italienischen Rechtsordnung veranlaßt hat ..."

1.3.1. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die auf Art 144 (Abs1) B-VG gestützte Beschwerde der Firma L N P S.r.l. an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts beantragt wird.

1.3.2. Der Oberste Patent- und Markensenat legte dem Verfassungsgerichtshof die Administrativakten vor, erstattete aber keine Gegenschrift.

2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Soweit die Beschwerdeführerin, der Sache nach eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) relevierend, geltend macht, die belangte Behörde habe ihr eine Sachentscheidung (rechtswidrig) verwehrt, ist sie aus folgenden Überlegungen nicht im Recht: Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes verletzt ein Bescheid das Recht nach Art 83 Abs 2 B-VG jedenfalls dann, wenn die bescheiderlassende Verwaltungsbehörde ihre Zuständigkeit in gesetzwidriger Weise ablehnt, so etwa eine Sachentscheidung zu Unrecht verweigert ( uvam). Dies war hier nicht der Fall: Denn der (kraft § 39 Abs 1 MSchG zur Entscheidung über Rechtsmittel (Berufungen) gegen Bescheide der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes kompetente) Oberste Patent- und Markensenat entschied meritorisch, indem er der Berufung gegen den ebenfalls meritorischen - weil über das Begehren der antragstellenden Partei, obschon in Handhabung und nach Maßgabe des § 42 Abs 4 MSchG inhaltlich absprechenden - Bescheid der (für eine solche Maßnahme zuständigen) Nichtigkeitsabteilung nicht Folge gab.

2.1.2. Daraus folgt, daß die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt wurde.

2.2.1. Der angefochtene Bescheid greift zwar in das Eigentum der Beschwerdeführerin - wozu auch vermögenswerte Markenrechte zählen (s. VfSlg. 5371/1966) - ein. Ein solcher Bescheid verletzt aber nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes das in der Beschwerdeschrift ersichtlich relevierte verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) nur dann, wenn er unter Heranziehung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage oder gesetzlos erging, wobei eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes ebenfalls als Gesetzlosigkeit angesehen wird (vgl. VfSlg. 7628/1975, 8010/1977, 9392/1982).

2.2.2. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, daß die dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegten Rechtsvorschriften verfassungswidrig seien.

Auch der Verfassungsgerichtshof hegt unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalls keine derartigen Bedenken.

2.2.3. Die Beschwerdeführerin könnte demnach im Eigentumsrecht nur verletzt sein, wenn der belangten Behörde eine - der Gesetzlosigkeit gleichkommende - denkunmögliche Gesetzeshandhabung zur Last fiele.

Davon kann jedoch nicht die Rede sein:

Zunächst leitet die Beschwerdeführerin alle ihre Einreden von der Prämisse ab, daß ihr der Löschungsantrag des G T im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren (zur Erstattung einer Gegenschrift) überhaupt nicht zugemittelt worden sei. Demgegenüber stellte die belangte Behörde in der Begründung des bekämpften Bescheides im vollen Einklang mit der Aktenlage - zumindest denkmöglich - fest, daß der Beschwerdeführerin das maßgebende Schriftstück unter der unbestrittenen Betriebsstättenanschrift in Meolo (Venetien) nachweislich zukam, eine Feststellung, die sich auf ein im Akt erliegendes "Zustellzeugnis" der Comune di Meolo gründen konnte, wonach der Antrag der Adressatin zufolge Ersuchens des Patentamtes auf Veranlassung des "Ministero degli Affari Esteri" in der durch das Recht des ersuchten Staates vorgesehenen Form übergeben wurde (vgl. das Europäische Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland, BGBl. 67/1983 - Art 6 Abs 1 lita iVm Art 8 Abs 1 und 2 sowie Art 14 Abs 1 litc).

Angesichts dieser Sach- und Rechtslage vermag der Verfassungsgerichtshof keine wie immer beschaffenen Hinweise für eine dem belangten Obersten Patent- und Markensenat anzulastende denkunmögliche Gesetzesvollziehung zu erkennen, ohne daß auf die den Bescheidinhalt vernachlässigenden weiteren Beschwerdeeinreden noch näher einzugehen war.

2.2.4. Demgemäß wurde die Beschwerdeführerin auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

2.3.1. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht hinlänglich substantiiert behauptet und kam auch im Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht hervor.

2.3.2. Ebensowenig entstanden - aus der Sicht dieser Beschwerdesache - verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften (s. bereits Pkt. 2.2.2.); die Beschwerdeführerin wurde mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

2.4. Die Beschwerde war darum als unbegründet abzuweisen.

2.5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 idF BGBl. 297/1984 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.