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VfGH vom 04.12.2010, B864/10

VfGH vom 04.12.2010, B864/10

19251

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Feststellung des Nichtbestehens einer Beschränkung der elektronischen Zahnbehandlungsscheine pro Quartal (e-card); denkunmögliche Auslegung des Gesamtvertrags Tirol; keine Berücksichtigung der - die Modalitäten der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen verbindlich regelnden - Krankenordnung 2005 der Tiroler Gebietskrankenkasse

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.400,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Bundesschiedskommission den erstinstanzlichen Bescheid der Landesschiedskommission für Tirol dahin abgeändert, dass in Stattgebung eines Antrages der Österreichischen Zahnärztekammer festgestellt wird, es bestehe

"nach den gesamtvertraglichen Bestimmungen gemäß der Sonderregelung für die Fachärzte für Zahnheilkunde vom betreffend § 10 Abs 5 des Gesamtvertrages für Zahnärzte keine Beschränkung der Zahl der Regelfälle (elektronische Zahnbehandlungsscheine) bei Zahnbehandlungen".

2. Die beteiligte Zahnärztekammer hatte ihren Antrag an die Landesschiedskommission auf das Wesentliche zusammengefasst damit begründet, dass der "Entfall" des § 10 Abs 5 des Gesamtvertrages für Vertragsärzte schlicht die Nichtanwendbarkeit dieser Bestimmung auf Fachärzte für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (im Folgenden: Fachärzte für ZMK) und Zahnärzte mit Kassenvertrag bedeute. Die Inanspruchnahme mehrerer Zahnärzte pro Quartal sei daher auch ohne Zustimmung des Krankenversicherungsträgers erlaubt.

Die beschwerdeführende Partei hat vor der Landesschiedskommission die Abweisung des Begehrens im Wesentlichen mit der Begründung beantragt, dass die Beschränkung auf einen elektronischen Zahnbehandlungsschein "historisch gewachsen" sei. So wie die Salzburger und die Vorarlberger Gebietskrankenkasse habe die Tiroler Gebietskrankenkasse vor der Einführung der e-card stets die Anzahl der (papierenen) Zahnbehandlungsscheine pro Quartal auf einen begrenzt, sodass die Dienstgeber oder sonstige ausgabeberechtigte Stellen jeweils nur einen Zahnbehandlungsschein hätten ausstellen dürfen. Dies sei Folge der Regelung der Krankenordnung gewesen, wonach die Inanspruchnahme grundsätzlich auf nur einen Vertragszahnarzt pro Quartal beschränkt gewesen sei. In § 2 Abs 1 e-card-Gesamtvertrag sei vereinbart, dass die e-card den Zahnbehandlungsschein ersetze. Mit dem Abschluss dieser Vereinbarung sei daher aber auch klar gewesen, dass die zahlenmäßige Beschränkung für Zahnbehandlungsscheine auch in elektronischer Form im Weg der Beschränkung der "Regelfälle" durch das "e-card-Regelwerk" umgesetzt und weiterhin Gültigkeit haben werde.

3. Die belangte Behörde hat ihren Bescheid wie folgt begründet:

"...

6.2.1. Gemäß § 456 Abs 1 ASVG haben die Träger der Krankenversicherung eine Krankenordnung aufzustellen, die insbesondere die Pflichten der Versicherten und der Leistungsempfänger im Leistungsfall und das Verfahren bei Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenversicherung zu regeln hat. Änderungen der Krankenordnungen, die durch Änderungen der Gesetzeslage oder der Vertragslage (§338 Abs 1 ASVG) erforderlich oder zulässig geworden sind, können rückwirkend mit jenem Zeitpunkt vorgenommen werden, mit dem sich die damit zusammenhängende Gesetzeslage oder Vertragslage (§338 Abs 1 ASVG) geändert hat (§456 Abs 3 ASVG). Die Krankenordnung ist als Verordnung zu qualifizieren (VfGH V1/59 ua). Sie ist auf die nähere Regelung des Leistungsverhältnisses gerichtet und wirkt nicht nur gegenüber den Organen der Sozialversicherung selbst, sondern darüber hinaus gegenüber den normunterworfenen Personen, die in einem Versicherungsverhältnis und/oder Leistungsverhältnis zu den jeweiligen Versicherungsträgern stehen (Korinek/Leitl-Staudinger in Tomandl, SV-System 4.1.5.). Unmittelbare Geltungswirkung gegenüber den Vertragsärzten entfaltet sie daher nicht. An sie ist sie nicht gerichtet, wie § 456 Abs 1 ASVG zeigt."

Nach Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen der §§1 und 5b sowie § 19 der Krankenordnung 2005 der Tiroler Gebietskrankenkasse fährt die belangte Behörde fort wie folgt:

"6.3. Der zwischen den Parteien nach dem ASVG zustande gekommene Gesamtvertrag ist wie ein Gesetz nach §§6 und 7 ABGB auszulegen (stRsp der BSK, SSV-NF 18/A 7 mwN).

6.3.1. Der mit 'Ärztliche Behandlung' überschriebene § 10 des zwischen der Ärztekammer für Tirol und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die Antragsgegnerin abgeschlossenen Gesamtvertrags für die Ärzte für Allgemeinmedizin und Fachärzte bestimmt in seinem ersten Absatz, dass die 'vertragsärztliche Behandlung des Anspruchsberechtigten' dem Vertragsarzt 'nach den Bestimmungen dieses Gesamtvertrages und des Einzelvertrages' obliegt. Gemäß dem zweiten Absatz muss 'die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein', darf jedoch 'das Maß des Notwendigen nicht überschreiten'. 'Durch die Krankenbehandlung soll die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederhergestellt, gefestigt oder gebessert werden' (Abs3). Absatz 6 bestimmt, dass der Vertragsarzt ärztliche Leistungen im Fall der Anspruchsberechtigung für die eigene Person, des Ehegatten, der Kinder, Enkel und Eltern, so weit diese im gemeinsamen Haushalt leben, dem Versicherungsträger nicht verrechnen [wird]; er ist jedoch zur Verordnung von Heilmitteln und Heilbehelfen für Rechnung des Versicherungsträgers in diesen Fällen berechtigt.

...

6.3.3. Die Krankenordnung ist ... für die ärztlichen

Vertragspartner der Krankenversicherungsträger nicht verbindlich. Deshalb und weil die Beziehungen der Krankenversicherungsträger zu den freiberuflichen Ärzten durch privatrechtliche Verträge zu regeln sind, können in der Krankenordnung normierte Beschränkungen des Sachleistungsanspruchs des Anspruchsberechtigten - worauf die Einschränkung des Arztwechsels in § 1 Abs 4 und § 5b der Krankenordnung 2005 der Antragsgegnerin hinausläuft - nicht Inhalt des Gesamtvertrags und in der Folge des Einzelvertrags sein, in deren Rahmen allein der Vertragsarzt tätig werden darf, wenn die Ärztekammer der Beschränkung nicht zustimmt. Vorschriften in der Krankenordnung über den Arztwechsel, die die freie Arztwahl und Behandlung auf Kosten des Krankenversicherungsträgers einschränken, wirken gegenüber den Vertragsärzten daher nur, wenn sie auch im Gesamtvertrag vereinbart sind. Die Regelungen des § 10 Abs 1 und Abs 5 des Gesamtvertrags (Tirol) entsprechen dem. Absatz 5 trägt der Einschränkung des Sachleistungsanspruchs des Anspruchsberechtigten in der Krankenordnung dadurch Rechnung, dass die Beschränkung auch für den Vertragsarzt verbindlich ist, sodass er den Anspruchsberechtigten im geregelten Fall nicht auf Kosten des Krankenversicherungsträgers behandeln darf, wenn die Zustimmung des Versicherungsträgers zum Arztwechsel nicht vorliegt. Aufgrund der Sonderregelung für Vertragszahnärzte, die die Bestimmung für diese Ärzte ausdrücklich 'ausfallen' lässt, unterliegen Vertragszahnärzte nicht der Beschränkung. Diese Auslegung des Gesamtvertrags bedeutet keinen unzulässigen Eingriff in die Autonomie der Antragsgegnerin, sollen doch die Vertragspartner nach den Vorstellungen des Gesetzgebers beim Kampf um den Abschluss des Gesamtvertrags mit den ihnen gegebenen wirtschaftlichen und politischen Mitteln zu einem primär aus den widerstreitenden Interessen resultierenden Ergebnis kommen (Selb/Schrammel in Tomandl, SV-System 5.3.2.2.)."

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Tiroler Gebietskrankenkasse "wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte", welche in der Beschwerde als "Gleichheitswidrigkeit des Bescheides durch Willkür der Behörde" und "Unverhältnismäßiger Eingriff in die Autonomie" sowie "in das Eigentum der Beschwerdeführerin" näher bezeichnet werden.

Die beschwerdeführende Partei führt im Wesentlichen aus, die derzeit gehandhabte Beschränkung auf einen elektronischen Zahnbehandlungsschein sei historisch gewachsen. Bereits vor Einführung der e-card sei die Zahl der (papierenen) Zahnbehandlungsscheine pro Quartal auf einen begrenzt gewesen. Die e-card soll den Zahnbehandlungsschein ersetzen, somit sei klar, dass die bisher geltende zahlenmäßige Beschränkung für Zahnbehandlungsscheine auch in elektronischer Form weiterhin Gültigkeit habe. Weiters wird in der Beschwerde vorgebracht, die Aufnahme des § 10 Abs 5 in den Gesamtvertrag (Tirol), wonach der Anspruchsberechtigte während desselben Krankheitsfalles innerhalb des Abrechnungszeitraumes nur mit Zustimmung des Versicherungsträgers den Arzt wechseln dürfe, sei nur aus deklaratorischen Gründen erfolgt, da der sachleistungsrechtliche Anspruch des Versicherten nicht durch den Gesamtvertrag begründet werde, sondern durch Gesetz, Satzung und Krankenordnung. Der Gesamtvertrag könne diesen Anspruch weder erweitern noch beschränken. Dass nach Punkt 1 der am in Kraft getretenen bundesweiten Sonderregelung für Vertragszahnärzte vom die Bestimmung des § 10 Abs 5 des Gesamtvertrages für die Zahnärzte "ausfalle", lasse nicht den Umkehrschluss zu, dass damit ein Arztwechsel ohne Zustimmung des Versicherungsträgers möglich sei und somit keine Beschränkung der Zahl der Regelfälle bestehe. Die Aufhebung dieser Bestimmung beruhe vielmehr ausschließlich darauf, dass diese nur auf die Krankenbehandlung anwendbar sei, nicht jedoch für die Zahnbehandlung und Zahnersatz, welche nicht aus dem Versicherungsfall der Krankheit gewährt werde.

5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, hat jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die Österreichische Zahnärztekammer war legitimiert, einen die Auslegung des Gesamtvertrages mit der Tiroler Gebietskrankenkasse betreffenden Antrag zu stellen (VfSlg. 17.920/2006).

2. Die §§341, 342 und 456 ASVG, BGBl. 189/1955 in der hier maßgeblichen Fassung, lauten:

"Gesamtverträge

§341. (1) Die Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den freiberuflich tätigen Ärzten sowie den Gruppenpraxen werden jeweils durch Gesamtverträge geregelt. Diese sind für die Träger der Krankenversicherung durch den Hauptverband mit den örtlich zuständigen Ärztekammern abzuschließen. Die Gesamtverträge bedürfen der Zustimmung des Trägers der Krankenversicherung, für den der Gesamtvertrag abgeschlossen wird. Die Österreichische Ärztekammer kann mit Zustimmung der beteiligten Ärztekammer den Gesamtvertrag mit Wirkung für diese abschließen.

(2) Aufgehoben

(3) Der Inhalt des Gesamtvertrages ist auch Inhalt des zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt oder der Gruppenpraxis abzuschließenden Einzelvertrages. Vereinbarungen zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt oder der Gruppenpraxis im Einzelvertrag sind rechtsunwirksam, insoweit sie gegen den Inhalt eines für den Niederlassungsort des Arztes oder für den Sitz der Gruppenpraxis geltenden Gesamtvertrages verstoßen.

(4) Für Verträge zwischen den Trägern der Unfall- und Pensionsversicherung und den freiberuflich tätigen Ärzten oder den Gruppenpraxen zum Zwecke der Leistungserbringung (§338 Abs 2 erster Satz) gelten unbeschadet der Bestimmungen des § 343b die Abs 1 und 3 entsprechend.

Inhalt der Gesamtverträge

§342. (1) Die zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge haben nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen insbesondere folgende Gegenstände zu regeln:

1. die Festsetzung der Zahl und der örtlichen Verteilung der Vertragsärztinnen und -ärzte (Vertrags-Gruppenpraxen) unter Bedachtnahme auf die regionalen Strukturpläne Gesundheit (RSG) mit dem Ziel, dass unter Berücksichtigung sämtlicher ambulanter Versorgungsstrukturen, der örtlichen Verhältnisse und der Verkehrsverhältnisse, der Veränderung der Morbidität sowie der Bevölkerungsdichte und -struktur (dynamische Stellenplanung) eine ausreichende ärztliche Versorgung im Sinne des § 338 Abs 2 erster Satz der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten und deren Angehörigen gesichert ist; in der Regel soll die Auswahl zwischen mindestens zwei in angemessener Zeit erreichbaren Vertragsärzten oder einem Vertragsarzt und einer Vertrags-Gruppenpraxis freigestellt sein;

1a. allfällige Regelungen für Investitionsabgeltungen an den/die bisherigen/bisherige Stelleninhaber/in unter anteiliger Anrechnung auf das Honorarvolumen für den Fall, dass eine im Stellenplan enthaltene Planstelle gestrichen und somit nicht nachbesetzt wird, und weder vom/von der bisherigen Stelleninhaber/in noch von einem/einer anderen Arzt/Ärztin in dessen/deren bisherigen Räumlichkeiten oder mit dessen/deren bisherigen Einrichtungen eine vertrags- oder wahlärztliche Tätigkeit ausgeübt wird;

Veräußerungserlöse sind auf die Investitionsabgeltung anzurechnen;

2. die Auswahl der Vertragsärzte und Vertrags-Gruppenpraxen, Abschluß und Lösung der mit diesen zu treffenden Abmachungen (Einzelverträge);

3. die Rechte und Pflichten der Vertragsärzte/Vertragsärztinnen und Vertrags-Gruppenpraxen, insbesondere auch ihre Ansprüche auf Vergütung der ärztlichen Leistung sowie die im Zweifelsfall vorzunehmende Überprüfung der Identität des/der Patienten/Patientin und die rechtmäßige Verwendung der e-card;

4. die Vorsorge zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen Behandlung und Verschreibweise einschließlich Steuerungsmaßnahmen bei Heilmitteln sowie hinsichtlich der ärztlich veranlassten Kosten, zB in den Bereichen Zuweisung und Überweisung zu niedergelassenen Drztinnen und Ärzten (Gruppenpraxen), Heilbehelfe, Hilfsmittel und Transporte (Ökonomieprinzip);

5. die Ausstellung von Bescheinigungen, die für die Durchführung der Krankenversicherung erforderlich sind;

6. die Zusammenarbeit der Vertragsärzte (Vertragsärztinnen), Vertragszahnärzte (Vertragszahnärztinnen) und Vertrags-Gruppenpraxen mit dem chef- und kontrollärztlichen Dienst der Sozialversicherungsträger unter Zugrundelegung des Erstattungskodex (§31 Abs 3 Z 12) und der Richtlinien gemäß § 31 Abs 5 Z 10 und 13;

7. die Kündigung und Auflösung des Gesamtvertrages;

8. die Verlautbarung des Gesamtvertrages und seiner Abänderungen;

9. Regelungen über die Sicherstellung eines behindertengerechten Zuganges zu Vertrags-Gruppenpraxen nach den Bestimmungen der ÖNORM B 1600 'Barrierefreies Bauen' sowie der ÖNORM

B 1601 'Spezielle Baulichkeiten für behinderte und alte Menschen';

10. die Festlegung einer Altersgrenze (längstens bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres) für die Beendigung der Einzelverträge von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten (persönlich haftenden Gesellschafterinnen/Gesellschaftern einer Vertrags-Gruppenpraxis) sowie möglicher Ausnahmen davon bei drohender ärztlicher Unterversorgung. Kommt keine Einigung über eine Altersgrenze zustande, so gilt das vollendete 70. Lebensjahr als Altersgrenze.

(2) Die Vergütung der Tätigkeit von Vertragsärzten und Vertrags-Gruppenpraxen ist grundsätzlich nach Einzelleistungen zu vereinbaren. Die Vereinbarungen über die Vergütung der ärztlichen Leistungen sind in Honorarordnungen zusammenzufassen; diese bilden einen Bestandteil der Gesamtverträge. Die Gesamtverträge sollen eine Begrenzung der Ausgaben der Träger der Krankenversicherung für die vertragsärztliche Tätigkeit einschließlich der Rückvergütungen bei Inanspruchnahme der wahlärztlichen Hilfe (§131) bzw. für die Tätigkeit von Vertrags-Gruppenpraxen einschließlich der Rückvergütungen bei Inanspruchnahme von Wahl-Gruppenpraxen enthalten.

(2a) Bei der Vereinbarung der Honorarordnungen sind von den Gesamtvertragspartnern mit der Zielsetzung einer qualitativ hochwertigen Versorgung, einer nachhaltig ausgeglichenen Gebarung des Trägers der Krankenversicherung und einer angemessenen Honorarentwicklung folgende Kriterien anzuwenden:

1. Die Entwicklung der Beitragseinnahmen des Krankenversicherungsträgers, wobei gesetzlich für andere Zwecke gebundene Beitragsanhebungen nicht zu berücksichtigen sind;

2. die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Krankenversicherungsträgers ohne Berücksichtigung der eigenen Einrichtungen und der Verwaltungskosten;

3. die gesamtwirtschaftliche Situation (einschließlich Lohn- und Gehaltsentwicklungen);

4. die allgemeine Kostenentwicklung bei den Vertragsärztinnen und -ärzten (Vertrags-Gruppenpraxen);

5. die Auswirkung von Mengensteigerungen der ärztlichen Leistungen (Leistungen von Gruppenpraxen) auf die Ausgaben des Krankenversicherungsträgers;

6. die Ausgabenentwicklung des Krankenversicherungsträgers mit Ausnahme jener Leistungen, die nicht in Zusammenhang mit der vertragsärztlichen Hilfe stehen;

7. der Stand der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung sowie die Auswirkungen der demographischen Entwicklung und der Veränderungen der Morbidität;

8. die im Rahmen der Planung der Gesundheitsversorgungsstruktur beschlossenen Qualitätsvorgaben.

(3) Die vorherige Zustimmung der Gesamtvertragspartner ist erforderlich, wenn

1. ein oder mehrere Gesellschafter nach dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit einer Vertrags-Gruppenpraxis zusätzlich in diese aufgenommen werden oder

2. sich eine Änderung hinsichtlich der medizinischen Fachgebiete, die von der Vertrags-Gruppenpraxis vertreten werden, ergibt."

"Krankenordnung der Träger der Krankenversicherung

§456. (1) Die Träger der Krankenversicherung haben eine Krankenordnung aufzustellen, die insbesondere die Pflichten der Versicherten und der Leistungsempfänger im Leistungsfalle, das Verfahren bei Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenversicherung und die Kontrolle der Kranken zu regeln hat. § 455 Abs 1 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass für die Genehmigung der Krankenordnung und jeder ihrer Änderungen ausschließlich die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen zuständig ist.

(2) Der Hauptverband hat eine Musterkrankenordnung aufzustellen. § 455 Abs 2 und 3 ist anzuwenden.

(3) Änderungen der Musterkrankenordnung oder der Krankenordnungen, die durch Änderungen der Rechtslage oder der Vertragslage (§338 Abs 1) erforderlich oder zulässig geworden sind, können rückwirkend mit jenem Zeitpunkt vorgenommen werden, mit dem sich die damit zusammenhängende Rechtslage oder Vertragslage (§338 Abs 1) geändert hat."

Es ist also nach den genannten Bestimmungen Aufgabe der Träger der Krankenversicherung, im Rahmen der Gesetze (vgl. nunmehr Art 120b Abs 1 erster Satz B-VG idF der B-VG-Novelle 2008, BGBl. I 2), im Übrigen aber autonom in der Krankenordnung die Pflichten der Versicherten und der Leistungsempfänger im Leistungsfalle, das Verfahren bei Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenversicherung und die Kontrolle der Kranken zu regeln. Demgegenüber dient der Gesamtvertrag im Sinne des § 341 ASVG nach näherer Maßgabe des § 342 ASVG der Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den freiberuflich tätigen Ärzten sowie den Gruppenpraxen im Zusammenhang mit der Erbringung dieser Leistungen.

3. § 1 und § 5b der Krankenordnung 2005 der beschwerdeführenden Tiroler Gebietskrankenkasse, avsv Nr. 140/2005, lauten:

"§1. (1) Ärztliche Hilfe wird von der Kasse durch


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
Vertragsärzte/Vertragsärztinnen,
2.
Vertrags-Gruppenpraxen,
3.
eigene Einrichtungen (z.B. Ambulatorien),
4.
Vertragseinrichtungen,
5.
Wahlärzte/Wahlärztinnen,
6.
Wahl-Gruppenpraxen oder
7.
Wahleinrichtungen

geleistet, soweit sie ausreichend und zweckmäßig ist sowie das Maß des Notwendigen nicht überschreitet. Wahlarzt/Wahlärztin ist jeder/jede freiberuflich tätige Arzt/Ärztin, der/die mit der Kasse keinen Vertrag über die Sachleistungsverrechnung (Abs2) abgeschlossen hat. Wahl-Gruppenpraxis ist jede Gruppenpraxis, die mit der Kasse keinen Vertrag über die Sachleistungsverrechnung nach Abs 2 abgeschlossen hat. Wahleinrichtung ist eine behördlich bewilligte Einrichtung, die mit der Kasse keinen Vertrag über die Sachleistungsverrechnung (Abs2) abgeschlossen hat.

(2) Ärztliche Hilfe als Sachleistung wird nach § 5


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
bei einem Vertragsarzt oder einer Vertragsärztin,
2.
bei einer Vertrags-Gruppenpraxis,
3.
bei einer Vertragseinrichtung,
4.
in einer eigenen Einrichtung

durch direkte Verrechnung der erbrachten Leistung zwischen dem Vertragspartner/der Vertragspartnerin (eigener Einrichtung) und der Kasse erbracht.

(3) Bei ärztlicher Hilfe durch einen Wahlarzt/eine Wahlärztin, eine Wahl-Gruppenpraxis oder eine Wahleinrichtung werden die Kosten, die dem/der Anspruchsberechtigten für die Leistung erwachsen, nach den §§28 ff. erstattet. Verordnungen, Überweisungen und Zuweisungen von Wahlärzten/Wahlärztinnen, Wahl-Gruppenpraxen oder Wahleinrichtungen sind nach einer Bewilligung der Kasse im Einzelfall den von den Vertragspartnern/Vertragspartnerinnen (Vertragseinrichtungen) ausgestellten Verordnungen, Überweisungen bzw. Zuweisungen gleichgestellt.

(4) In einem Kalendervierteljahr können nicht

1. mehrere Vertragsärzte/Vertragsärztinnen für Allgemeinmedizin oder

2. mehrere Vertragsfachärzte/Vertragsärztinnen des gleichen Fachgebietes

auf Rechnung der Kasse in Anspruch genommen werden, ausgenommen die Fälle, in denen nach § 5b etwas anderes bestimmt ist."

"Arztwechsel

§5b. (1) Der behandelnde Vertragsarzt/die behandelnde Vertragsärztin für Allgemeinmedizin darf innerhalb eines Kalendervierteljahres - ausgenommen Abs 3 - nur mit Zustimmung der Kasse gewechselt werden. Eine Behandlung durch Ärzte/Ärztinnen für Allgemeinmedizin in einer Vertrags-Gruppenpraxis ist dabei einer Behandlung durch einen Vertragsarzt/eine Vertragsärztin für Allgemeinmedizin gleichzuhalten. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Wechsel darauf zurückzuführen ist, dass

1. der Arzt/die Ärztin von seinem/ihrem Recht, die Behandlung zu verweigern, Gebrauch macht, oder

2. der Patient/die Patientin aus gerechtfertigten Gründen die weitere Behandlung durch den bisherigen Arzt/die bisherige Ärztin ablehnt.

(2) Abs 1 gilt sinngemäß, wenn innerhalb eines Kalendervierteljahres zusätzlich zur erfolgten Behandlung durch einen Vertragsfacharzt/eine Vertragsfachärztin die Behandlung durch einen anderen Vertragsfacharzt/eine andere Vertragsfachärztin des gleichen Faches verlangt wird, wobei

1. eine Behandlung in einer eigenen Einrichtung der Kasse (Ambulatorium etc.) der Behandlung durch einen Facharzt/eine Fachärztin der jeweiligen Facharztsparte und

2. eine Behandlung durch Fachärzte/Fachärztinnen des gleichen Faches in einer Vertrags-Gruppenpraxis der Behandlung durch einen Vertragsfacharzt/eine Vertragsfachärztin des gleichen Faches

gleichzuhalten sind.

(3) Ein Wechsel des Arztes/der Ärztin (der Gruppenpraxis) desselben ärztlichen Fachgebietes ist während eines Kalendervierteljahres ohne Zustimmung der Kasse für Behandlungen auf deren Rechnung nur zulässig

1. bei Übersiedlung des Patienten/der Patientin sowie bei Verlegung der Ordinationsstätte des Vertragsarztes/der Vertragsärztin oder des Berufssitzes der Vertrags-Gruppenpraxis, wenn der bisher behandelnde Vertragsarzt/die bisher behandelnde Vertragsärztin oder der entsprechende Arzt/die entsprechende Ärztin einer Vertrags-Gruppenpraxis nicht weiter der/die Nächsterreichbare ist,

2. bei Verhinderung des behandelnden Vertragsarztes/der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin einer Vertrags-Gruppenpraxis durch Krankheit, Urlaub, Fortbildungsaufenthalt oder aus sonstigen Gründen, ohne dass eine Vertretung der Ordination, in der Gruppenpraxis oder ein organisierter Bereitschaftsdienst zur Verfügung steht,

3. nach dem Ende des Vertrages der Kasse mit dem bisher behandelnden Arzt/der bisher behandelnden Ärztin oder Vertrags-Gruppenpraxis.

Auch aus den Gründen nach Z 1 bis 3 darf der Arzt/die Ärztin ohne Zustimmung der Kasse in einem Kalendervierteljahr pro Fachgebiet nur drei Mal gewechselt werden. Behandlungen im Rahmen von Erster Hilfe (einschließlich Notdienste) sind von den Einschränkungen dieses Absatzes ausgenommen."

Gemäß § 19 Abs 2 dieser Krankenordnung hat der/die Anspruchsberechtigte Anspruch auf Zahnbehandlung und Zahnersatz durch einen Vertragszahnarzt/eine Vertragszahnärztin, eine zahnärztliche Vertrags-Gruppenpraxis, einen Zahnarzt/einer Zahnärztin in einer Vertrags-Gruppenpraxis durch direkte Verrechnung der erbrachten Leistung zwischen Vertragspartner/Vertragspartnerin und Kasse, wenn er/sie die e-card vorlegt. Dabei gelten § 1 Abs 4 sowie die §§2 bis 13 der Krankenordnung, somit auch § 5b der Krankenordnung sinngemäß.

4. Nach den insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde bestimmt der mit "Ärztliche Behandlung" überschriebene § 10 des zwischen der Ärztekammer für Tirol und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse abgeschlossenen Gesamtvertrages für die Ärzte für Allgemeinmedizin und Fachärzte in seinem Abs 1, dass die "vertragsärztliche Behandlung des Anspruchsberechtigten" dem Vertragsarzt "nach den Bestimmungen dieses Gesamtvertrages und des Einzelvertrages" obliegt. Gemäß Abs 2 muss "die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein", darf jedoch "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten". "Durch die Krankenbehandlung soll die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederhergestellt, gefestigt oder gebessert werden" (Abs3).

4.1. § 10 Abs 5 des Gesamtvertrages (Tirol) lautet wie folgt:

"Der Anspruchsberechtigte darf während desselben Krankheitsfalles innerhalb des Abrechnungszeitraumes einen Arztwechsel nur mit Zustimmung des Versicherungsträgers, welcher den behandelnden Arzt vorher anzuhören hat, vornehmen."

4.2. Nach Punkt 1 der am in Kraft getretenen Sonderregelung für die Vertragszahnärzte (gemäß § 41 des Gesamtvertrags) wird der Gesamtvertrag

"in den angeführten Paragraphen wie folgt abgeändert bzw. ergänzt. Soweit in dieser Sonderreglung nichts Abweichendes vereinbart wird, gelten die Bestimmungen des vorbezeichneten Gesamtvertrages unverändert auch für die Vertragszahnärzte."

Punkt 5 der Sonderregelung für die Vertragszahnärzte lautet:

"Zu § 10 (Ärztliche Behandlung):

Abs 2: Die Zahnbehandlung muss ausreichend und zweckmäßig sein. Sie hat nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Vertrages und der Honorarordnung alle Leistungen zu umfassen, die auf Grund der zahnärztlichen Ausbildung und der dem Vertragsarzt zu Gebote stehenden Hilfsmittel durchgeführt werden können.

Abs 5 des Gesamtvertrages fällt aus.

Abs 6: Der Vertragsarzt wird im Falle der Anspruchsberechtigung für die Behandlung des Ehegatten, der Kinder, Enkel und Eltern, soweit diese im gemeinsamen Haushalt leben, dem Krankenversicherungsträger nur 50 v.H. der in der Honorarordnung vorgesehenen Tarifsätze verrechnen; er ist jedoch zur Verordnung von Heilmitteln und Heilbehelfen für Rechnung des Krankenversicherungsträgers auch in diesen Fällen berechtigt".

Aus der Formulierung in den zuletzt wiedergegebenen gesamtvertraglichen Sonderregelungen aus dem Jahre 1957 zu § 10 Abs 5 des Gesamtvertrages "Abs5 des Gesamtvertrages fällt aus" leiten die beteiligte Zahnärztekammer und die belangte Behörde der Sache nach ab, dass "die Inanspruchnahme mehrerer Zahnärzte pro Quartal auch ohne Zustimmung des Krankenversicherungsträgers erlaubt" sei, was offenbar durch den Wortlaut der im Spruch des Bescheides antragsgemäß vorgenommenen Feststellung zum Ausdruck gebracht werden sollte.

5. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10.065/1984, 14.776/1997, 16.273/2001).

Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf der "Willkür" ist im Sinne eines gehäuften Verkennens der Rechtslage begründet:

5.1. Zweck des Gesamtvertrages ist es, hinsichtlich der durch Gesetz und Verordnung gegebenen sozialversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche der Versicherten im Krankheitsfall die Erbringung der erforderlichen Sachleistungen bei der Krankenbehandlung (§133 ASVG), soweit diese nicht durch eigene Einrichtungen der Krankenversicherungsträger bereitgestellt und in Anspruch genommen werden, insbesondere die ärztliche Hilfe sicherzustellen.

5.2. Der Gesamtvertrag wirkt insoweit normativ, als er gemäß § 341 Abs 3 ASVG zum Inhalt des zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt oder der Gruppenpraxis abzuschließenden Einzelvertrages wird. Jene Bestimmungen des Gesamtvertrages, welche die Vorgangsweise der Vertragspartner bei der Auswahl von Vertrags(zahn)ärzten regeln, sind hingegen solche schuldrechtlicher Natur; sie schaffen demnach Rechte und Pflichten zwischen den Vertragsparteien (VfSlg. 17.824/2006).

5.3. Ein Gesamtvertrag kann nur in jenen Angelegenheiten, die das Gesetz bestimmt, abgeschlossen werden, und er ist insoweit, als sein zulässiger Regelungsgegenstand durch Gesetz und Verordnung determiniert ist, an diese Vorgaben gebunden (VfSlg. 15.697/1999 und 15.907/2000).

5.3.1. Gehört eine ärztliche Leistung zum Inhalt des Krankenbehandlungsanspruches, so ist dessen ungeachtet zB eine gesamtvertragliche Einschränkung der Verrechenbarkeit auf Fachärzte bestimmter Fächer (mit den entsprechenden Auswirkungen für einen Erstattungsanspruch nach § 131 ASVG) zulässig (vgl. u.a. VfSlg. 16.607/2002 und = SZ 72/61).

5.3.2. Es kann aber auch zulässiger Gegenstand des Gesamtvertrages sein, durch geeignete Instrumentarien sicher zu stellen, dass Vertragsärzte die Grundsätze des § 133 Abs 2 ASVG einhalten, wonach eine Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein muss, aber das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf (§342 Abs 1 Z 4 ASVG).

5.3.3. Der Gesamtvertrag kann in diesem Zusammenhang daher auch die Grenzen und Modalitäten des Leistungsanspruches verdeutlichen, also zB die im vorliegenden Verfahren zu klärende Auslegungsfrage, wie viele Ärzte eines bestimmten Faches ein Patient in einem Abrechnungszeitraum ohne Bewilligung des Krankenversicherungsträgers in Anspruch nehmen darf und wie ein Vertragsarzt bei Nichteinhaltung dieser Grenzen durch den Versicherten vorzugehen hat.

5.4. Soweit sich aber die Grenzen des Krankenbehandlungsanspruchs aus Gesetz und Verordnung ergeben, können diese durch Gesamtvertrag nicht geändert werden.

5.5. Auch wenn man mit der belangten Behörde davon ausgeht, dass aus § 456 Abs 1 ASVG abzuleiten sei, die Krankenordnung entfalte keine "unmittelbare Gestaltungswirkung gegenüber den Vertragsärzten", so gestaltet sie als Verordnung normativ die näheren Modalitäten bei der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen durch den Versicherten in verbindlicher Weise.

Diese Verbindlichkeit der Krankenordnung besteht unabhängig von ihrer "ausdrücklichen Adressierung" gegenüber jedermann, dessen Rechte sich vom Umfang des Krankenbehandlungsanspruches des Versicherten ableiten, an diesen Anspruch also anknüpfen. Bei der Behandlungspflicht von Vertragsärzten und dem sich daraus für sie ergebenden Honoraranspruch gegenüber dem Krankenversicherungsträger handelt es sich aber um eine solche Anknüpfung am krankenversicherungsrechtlichen (Sach )Leistungsanspruch von Versicherten.

5.6. Wenn also ein Versicherter während desselben Krankheitsfalles und Quartals ohne Vorliegen der in der Krankenordnung genannten Voraussetzungen und ohne Zustimmung des Krankenversicherungsträgers den Vertragszahnarzt wechselt, dann fehlt es diesem gegenüber gemäß § 5b iVm § 19 Abs 2 der Krankenordnung an einem Behandlungs(Sachleistungs-)anspruch auf Kosten des Krankenversicherungsträgers. Bei Fehlen eines sozialversicherungsrechtlichen Behandlungsanspruches ist aber der Vertragsarzt unabhängig davon, ob dies auch im Gesamtvertrag ausdrücklich so geregelt ist, oder ob, wie die belangte Behörde angenommen hat, § 10 Abs 5 des Gesamtvertrages für Vertragszahnärzte "ausfällt" nicht berechtigt, die von ihm erbrachten Leistungen über die Kasse abzurechnen.

5.7. Eine dieser Regelung der Satzung ausdrücklich widersprechende Bestimmung eines Gesamtvertrages wäre wegen Verstoßes gegen ein Gesetz oder eine Verordnung nach § 879 ABGB nichtig (vgl. Krejci in Rummel3, § 879, Rz 21). § 10 Abs 5 des allgemeinen Gesamtvertrages wiederholt die Satzungsregelung und hat nach dem Gesagten insoweit nur deklarative Bedeutung. Soweit der "Entfall" dieser Bestimmung für Vertragszahnärzte eine abweichende Regelung intendiert, ist sie daher unwirksam.

5.8. Dieser Zusammenhang wird von der belangten Behörde - die sich im Übrigen mit dem Zusammenspiel der Regelungsbefugnisse von Krankenordnung und Gesamtvertrag nicht einmal ansatzweise auseinandergesetzt hat - verkannt, wenn sie im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertritt, dass die in der Krankenordnung (in Ausführung der gesetzlichen Bestimmungen über den Behandlungsanspruch) normierten "Beschränkungen des Sachleistungsanspruchs" des Anspruchsberechtigten "nicht Inhalt des Gesamtvertrages und in der Folge des Einzelvertrags" seien, wenn die Ärztekammer einer solchen Beschränkung nicht zustimme.

5.8.1. Die Begründung der Verpflichtung zu einer Leistungserbringung auf Rechnung der Krankenversicherungsträger durch Vertragsärzte bei Vorliegen eines Krankenbehandlungsanspruchs bedarf zwar einer gesamtvertraglichen Vereinbarung (bedarf also insoweit der "Zustimmung der Ärztekammer"); die gesetzlich bzw. im Rahmen des Gesetzes durch Krankenordnung oder Satzung zulässigerweise gezogenen Grenzen dieses Anspruchs können aber nach dem Gesagten gesamtvertraglich nicht überschritten werden, und zwar unabhängig davon, ob die Gesamtvertragspartner dieser Grenzziehung zugestimmt haben oder nicht.

5.8.2. Soweit in § 456 Abs 3 ASVG von "Änderungen der Musterkrankenordnung oder der Krankenordnungen, die durch Änderungen der Rechtslage oder der Vertragslage (§338 Abs 1 ASVG) erforderlich oder zulässig geworden sind" die Rede ist, so liegt darin schon nach dem Wortlaut der Bestimmung keine Erweiterung der Regelungsbefugnis des Gesamtvertrages über die in §§341, 342 ASVG gezogenen inhaltlichen Grenzen hinaus auch auf den Krankenbehandlungsanspruch selbst und dessen Modalitäten. Überdies liegt der Zweck dieser Norm lediglich darin, die Verordnungsgeber erforderlichenfalls zu rückwirkenden Verordnungsänderungen zu ermächtigen.

5.8.3. Es ist daher denkunmöglich, aus der "Adressierung" der Krankenordnung im Sinne des § 456 Abs 1 ASVG an die Versicherten den Gegenschluss zu ziehen, der für die "nicht adressierten" Vertragsärzte geltende Gesamtvertrag sei dazu ermächtigt, den Krankenbehandlungsanspruch des Versicherten unabhängig davon zu gestalten, ob und inwieweit dieser durch Gesetz oder Verordnung auch hinsichtlich der Modalitäten der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe festgelegt ist.

5.8.4. Zwar kann im obligatorischen Teil eines Gesamtvertrages durchaus vereinbart werden, dass ein Krankenversicherungsträger im Rahmen seiner Regelungsautonomie Bestimmungen seiner Satzung oder seiner Krankenordnung in bestimmter, mit der Ärztekammer vereinbarter Weise ändert. Daraus ergibt sich aber denkmöglich kein Vorrang des Gesamtvertrages vor einer existierenden Verordnungsbestimmung.

6. Soweit daher die belangte Behörde bei der Auslegung des § 10 Abs 5 des Gesamtvertrages der Sache nach davon ausgegangen ist, dass der Gesamtvertrag krankenversicherungsrechtliche Ansprüche zu begründen vermag, welche die Krankenordnung ausschließt, hat sie das Verhältnis des Gesamtvertrages zu dem nach Gesetz und Verordnung bestehenden Krankenbehandlungsanspruch gehäuft verkannt. Die belangte Behörde hat durch dieses Verkennen der Rechtslage die beschwerdeführende Partei in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt. Der Bescheid war daher aufzuheben.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- enthalten.

8. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.