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OGH vom 19.12.2002, 8ObS209/02x

OGH vom 19.12.2002, 8ObS209/02x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Walter Zeiler und Ing. Wilhelm Sturm als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Sylvia H*****, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei IAF Service GesmbH, Geschäftsstelle Wien, 1040 Wien, Antonigasse 88/26, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen EUR 5.938,83 sA, an Insolvenz-Ausfallgeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Rs 162/02p-23, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Für den vorliegenden Fall ist unstrittig der Stichtag maßgeblich und damit entsprechend § 17a Abs 23 IESG dieses in der Fassung vor der Novelle BGBl I 142/2000 anzuwenden (vgl dazu auch etwa ).

Wie der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung festgehalten hat soll das IESG die Arbeitnehmer gegen das Risiko des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche, auf deren regelmäßige Befriedigung sie typischerweise zur Bestreitung ihres und ihrer Angehörigen Lebensunterhaltes angewiesen sind, bei Insolvenz des Arbeitgebers absichern (vgl zuletzt etwa , jeweils mwN insbesondere OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 = wbl 2001/91 = ZIK 2001/117). Die Überwälzung des Finanzierungsrisikos für die Arbeitslöhne auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds, wenn dem Arbeitnehmer bewusst sein muss, dass er die Gegenleistung für seine Arbeit nicht vom Arbeitgeber, sondern vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds bekommen könnte und er deshalb weiter arbeitet, wurde als unzulässig und sittenwidrig angesehen (vgl etwa , 8

ObS 105/02b jeweils mwN insbesondere OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462

= wbl 2001/91 = ZIK 2001/117). Ausreichend dafür ist schon der

bedingte Vorsatz, also dass dem Handelnden die Überwälzung des Finanzierungsrisikos auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds bewusst ist und er sich mit dem verpönten Erfolg zumindest abfindet (OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 = wbl 2001/91 = ZIK 2001/117 mwN). Dann, wenn ein Arbeitnehmer trotz längerer Nichtzahlung des Lohnes im Unternehmen tätig bleibt und nicht versucht, sein Entgelt ernstlich einbringlich zu machen, indiziert dies in der Regel, dass er beabsichtigt - oder zumindest in Kauf nimmt - in der Folge seine offenen Lohnansprüche gegen den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds geltend zu machen (vgl , 8 ObS

105/02b jeweils mwN insbesondere OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 =

wbl 2001/91 = ZIK 2001/117). Hinzu können noch weitere besondere

Anhaltspunkte für ein "Naheverhältnis" zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommen, die auf einen fehlenden Interessengegensatz oder besondere Informationen hindeuten.

Inwieweit aus dem langen Stehenlassen der Entgelte der zumindest bedingte Vorsatz der Verlagerung des Finanzierungsrisikos geschlossen werden kann, ist im Rahmen des "Fremdvergleiches" zu beurteilen, ob also auch ein "unbeteiligter Arbeitnehmer im Unternehmen verblieben wäre (vgl , 8 ObS

105/02b jeweils mwN insbesondere OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 =

wbl 2001/91 = ZIK 2001/117 wmN = DRdA 1999/51, 375 [Geist]). Der Fremdvergleich hat dabei sämtliche objektive Anhaltspunkte heranzuziehen. Ergibt sich daraus der Schluss, dass zumindest der bedingte Vorsatz einer Überwälzung des Finanzierungsrisikos anzunehmen ist, kommt ein Beweis über die konkreten Absichten des Arbeitnehmers nicht in Betracht (, jeweils mwN).

Diese Grundsätze wurden vom Berufungsgericht bei seiner Entscheidung herangezogen. Ausgehend davon könnte deren Anwendung im Einzelfall nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG darstellen, wenn dem Berufungsgericht dabei eine die Rechtssicherheit beeinträchtigende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl etwa mwN). Davon ist hier aber nicht auszugehen. Die Klägerin, die bei der "Gemeinschuldnerin" eine zentrale Funktion eingenommen hatte, war mit dieser auch gut bekannt. Sie hat in ihrem kurzen Arbeitsverhältnis von insgesamt nicht einmal einem Jahr bereits nach 3 Monaten kein regelmäßiges Gehalt mehr bekommen und blieb trotzdem weiter 8 Monate in diesem Arbeitsverhältnis, das auch nicht von ihr, sondern durch Arbeitgeberkündigung beendet wurde. Ausgehend davon kann die Beurteilung des Berufungsgerichtes hier im Rahmen des Fremdenvergleiches, einen bedingten Vorsatz hinsichtlich der Überwälzung des Finanzierungsrisikos zu erschließen, nicht als Fehlbeurteilung im obigen Sinne angesehen werden. Die subjektive Erwartung der Klägerin, dass sich die Geschäftslage bessern werde ist dabei nicht entscheidend ( mwN). Wird das wirtschaftliche Risiko aus der Unternehmensführung doch regelmäßig nicht von den Arbeitnehmern übernommen ( mwN). Auch das Interesse der Klägerin an der Erhaltung des Arbeitsplatzes, weil ihr die Arbeit gefiel, sie eher knapp vor der Pension stand und das Unternehmen nicht durch ihren vorzeitigen Austritt schädigen wollte, vermag keine wesentlich andere Beurteilung herbeizuführen.

Das Risiko, das nach Art einer Versicherung vom IAG-Fonds übernommen wird, umfasst im Kernbereich die vom Arbeitnehmer typischerweise nicht selbst anwendbare und absicherbare Gefahr des Entgeltverlustes, das daraus entsteht, dass dem typischen Arbeitnehmer der Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers verwehrt ist. Die Überwälzung des Finanzierungsrisikos für die Arbeitslöhne auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds, also wenn dem Arbeitnehmer bewusst sein muss, dass er die Gegenleistung für seine Arbeit nicht vom Arbeitgeber, sondern vom IAG-Fonds bekommen könnte und er deshalb weiter abreitet, wird als unzulässig und sittenwidrig angesehen. Dass der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin gute Gründe haben mag, trotz der Einsicht, dass die Entgeltleistung wohl vom Arbeitgeber nicht wird erbracht werden können, gerade wegen der Absicherung durch den IESG-Fonds bei diesem Arbeitgeber zu arbeiten, ändert daran nichts. Entscheidend sind nur die im Rahmen des Fremdvergleiches zu beurteilende Faktoren, aus denen erschlossen werden kann, dass der - sei es auch nur bedingte - Vorsatz der Überwälzung des Finanzierungsrisikos anzunehmen ist, weil dem Arbeitnehmer - anders als dem typischen Arbeitnehmer - die mangelnde Durchsetzbarkeit seiner Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber wegen der zu erwartenden Insolvenz bewusst sein musste und der trotzdem für diesen Arbeitgeber arbeitet und damit das Finanzierungsrisiko für die daraus entstehenden Entgeltansprüche dem IESG-Fonds überträgt (vgl mwN).

Auf Grundlage der oben dargestellten Judikatur zeigt die Revision jedenfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG auf.