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VfGH vom 12.03.1992, B115/91

VfGH vom 12.03.1992, B115/91

Sammlungsnummer

13036

Leitsatz

Keine Anlaßfallwirkung der Aufhebung des Ausschlusses von Unterhaltsleistungen an Kinder als außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht mangels Anwendung der Vorschriften über außergewöhnliche Belastungen durch die belangte Behörde; keine Verfassungswidrigkeit des Systems des EStG 1972 nach aufhebendem Erkenntnis des VfGH

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Beschwerdeführer ist Amtsarzt und bezieht daneben Einkünfte als amtsärztlicher Sachverständiger für Führerscheinprüfungen und als Vertrauensarzt. Im Einkommensteuerbescheid 1987 wurden die Vergütungen für die Tätigkeit als Sachverständiger abweichend von der Erklärung den Einkünften aus selbständiger Arbeit zugeordnet und der Abzug geltend gemachter Betriebsausgaben von den Einnahmen aus vertrauensärztlicher Tätigkeit verweigert. Seine Berufung wegen Nichtabzug von Telefonkosten und Pauschalbeträgen für Büromaterial sowie Reisekosten und Zuordnung der Gutachtertätigkeit zu den selbständigen Einkünften hatte teilweise Erfolg. Der Berufungsbescheid der Finanzlandesdirektion legt dar, daß es sich bei der Gutachtertätigkeit nicht um Funktionsgebühren im Sinne des § 29 Z 4 EStG 1972 handle, die beruflich veranlaßten Telefongebühren zwar mit geschätzten 1000 S und die Aufwendungen für Büromaterial mit den erklärten 1200 S anzunehmen, Reisekosten jedoch nur für 3765,50 S glaubhaft gemacht seien und ein Subhonorar für Schreibarbeiten und andere Leistungen der Gattin des Beschwerdeführers mangels objektiver Anhaltspunkte nicht nachgewiesen sei.

Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums und eine Rechtsverletzung durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm gerügt wird. Dem Beschwerdeführer blieben im Hinblick auf seine Sorgepflichten für Ehegattin und fünf eheliche Kinder weniger als das Existenzminimum, das aber nach neueren Entscheidungen des (deutschen) Bundesverfassungsgerichts auch für die Familienmitglieder verbleiben müsse. Das System des EStG 1972 sei in seiner Gesamtheit verfassungswidrig, weil es auf das Familienexistenzminimum nicht Bedacht nehme. Im vorliegenden Fall liege die Verfassungswidrigkeit in der Tarifbestimmung des § 33 Abs 1.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich im Vorwurf der Verfassungswidrigkeit des EStG 1972, näherhin von dessen Tarifbestimmung. In der Tat hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis G188,189/91 vom einige Worte in § 34 Abs 2 EStG als verfassungswidrig aufgehoben, weil sie der Geltendmachung des an Kinder zu leistenden Unterhalts als außergewöhnliche Belastung entgegenstanden und dies unterhaltspflichtige Eltern diskriminierte.

Gleichwohl ist die seit anhängige Beschwerde nicht einem Anlaßfall dieses Gesetzesprüfungsverfahrens gleichzuhalten. Die Verfassungswidrigkeit hat nämlich nicht das System des EStG 1972 als Ganzes erfaßt und die Vollziehung des Gesetzes nicht insgesamt mit einem Mangel behaftet. Wie im genannten Erkenntnis dargetan, können im System des EStG 1972 die nichttariflich erfaßten Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nur im Wege eines Abzuges vom Einkommen wegen außergewöhnlicher Belastung berücksichtigt werden (VI.1. erster Absatz und VI.3. letzter Absatz der Entscheidungsgründe). Der Sitz der Verfassungswidrigkeit war daher ausschließlich die aufgehobene Wortfolge in § 34 Abs 2 EStG 1972. Diese Bestimmung ist jedoch im vorliegenden Fall von der Behörde weder angewendet worden, noch war sie von der Behörde anzuwenden. Der Beschwerdeführer hat weder beim Finanzamt einen Antrag auf Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen gestellt noch im Berufungsverfahren die Nichtberücksichtigung solcher außergewöhnlicher Belastungen gerügt. Die Vorschriften über außergewöhnliche Belastungen sind daher nicht in Betracht gekommen.

Gegen die tatsächlich angewendeten (und anzuwendenden) Vorschriften sind aber beim Verfassungsgerichtshof keine Bedenken entstanden. Da auch sonst kein in die Verfassungssphäre reichender Mangel hervorgekommen ist, ist die Beschwerde abzuweisen.

Da von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen.