zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 28.02.1986, B115/84

VfGH vom 28.02.1986, B115/84

Sammlungsnummer

10759

Leitsatz

Disziplinarstatut; GeschäftsO für den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für Sbg.; Verhängung einer Geldstrafe in erster Instanz durch Senat des Disziplinarrates wegen unsachlicher und beleidigender Schreibweise; Entscheidung der OBDK nach Kundmachung der Aufhebung des § 6 Abs 2 erster und zweiter Satz der GeschäftsO durch den VfGH - Rechtmäßigkeit der personellen Zusammensetzung der Behörde erster Instanz nach Rechtslage zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung zu beurteilen (Vorschrift damals noch in Geltung); kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine Verletzung im Gleichheits- und im Eigentumsrecht

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Disziplinarrat der Sbg. Rechtsanwaltskammer erkannte den bf. Rechtsanwalt mit Erk. vom , das nach mündlicher Verhandlung durch einen aus fünf Mitgliedern des Disziplinarrates gebildeten Senat gefällt wurde, des dadurch begangenen Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig, daß er sich in eigener Sache in seiner Eingabe an die Bundespolizeidirektion Salzburg vom durch die Wendungen:

a) "Der Beschuldigte zweifelt zwar grundsätzlich nicht an der Unfehlbarkeit des Meldungslegers, hält es aber - in diesem Ausnahmefall - für möglich, daß dem Meldungsleger - obwohl dieser die Kunst des Lesens beherrschen dürfte - beim Ablesen des Kennzeichens ein Irrtum unterlaufen ist."

b) "Die Ausführungen im letzten Absatz der Anzeige über die 'Aufklärung' des Beschuldigten durch den Herrn Meldungsleger erweisen sich als bemerkenswerte Mischung aus Ignoranz und Impertinenz."

c) "Damit wäre möglicherweise dafür gesorgt, daß der Herr Meldungsleger in Zukunft seine wertvolle Zeit nicht mit der Erstattung sinnloser Anzeigen an das Finanzamt verwendet. Vielleicht könnte er diese Zeit dann für seine Fortbildung verwenden, was - wie dieses Beispiel zeigt - nicht unzweckmäßig wäre."

einer unsachlichen und beleidigenden Schreibweise bediente; er wurde hiefür zu einer Geldbuße in der Höhe von 15000 S und zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt. Der dagegen erhobenen Berufung gab die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) mit Erk. vom nicht Folge. Diese Rechtsmittelentscheidung wurde im wesentlichen folgendermaßen begründet:

"Es ist davon auszugehen, daß die inkriminierte Schreibweise des Beschuldigten feststeht. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die vom Disziplinarrat unter den Punkten a), b) und c) als Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes angesehenen Formulierungen des Beschuldigten in seiner schriftlichen Stellungnahme an die Bundespolizeidirektion Salzburg eine unsachliche und beleidigende Schreibweise darstellen. Es steht weiters außer Zweifel, daß der Beschuldigte durch diese Schreibweise den Polizeibeamten beleidigen und verhöhnen wollte. Wenn der Beschuldigte vermeint, aus dem Erkenntnis sei nicht ersichtlich, welche disziplinären Handlungen ihm vorgeworfen werden, so geht dieser Einwand ins Leere. Es wird in den Gründen des erstinstanzlichen Erkenntnisses ausdrücklich auf den Spruch und die dort unter a) bis

c) angeführten Wendungen des Beschuldigten in seiner schriftlichen Stellungnahme vom verwiesen. Es ist somit das disziplinäre Verhalten des Beschuldigten hinreichend klargestellt. Bei der standesrechtlichen Beurteilung der Schreibweise des Beschuldigten war auch nicht entscheidend, ob und unter welchen Gesichtspunkten die gegen ihn vorgenommene Amtshandlung richtig war. Dem Beschuldigten blieb es unbenommen, alle seine Einwendungen gegen die Amtshandlung und gegen seine Beanstandung in sachlicher Form vorzubringen. Keinesfalls durfte der Beschuldigte als Rechtsanwalt sich einer derartigen Schreibweise bedienen, die als Beleidigung und Verhöhnung von Amtsorganen aufgefaßt werden muß. Wie die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission wiederholt entschieden hat, hat sich der Rechtsanwalt in Wort und Schrift stets einer sachlichen und juristischen Ausdrucksweise zu bedienen. Die vom Beschuldigten gebrauchten Wendungen haben jedenfalls das Ansehen des Anwaltsstandes in der Öffentlichkeit und insbesondere bei der Bundespolizeidirektion Salzburg empfindlich herabgesetzt. Die Schreibweise des Beschuldigten bildet daher das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes."

2. Gegen den Bescheid der OBDK richtet sich die vorliegende VfGH-Beschwerde, in welcher der Bf. die Verletzung bestimmter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die Bescheidaufhebung begehrt.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Bei der aus der Sicht dieses Beschwerdefalles gegebenen verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die von der Beschwerde ausdrücklich behauptete Verletzung des Gleichheitsrechtes nur vorliegen, wenn die Behörde Willkür geübt hätte, die weiters der Sache nach geltend gemachte Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums jedoch dann, wenn die Behörde das Gesetz in einer denkunmöglichen Weise angewendet hätte (zB VfSlg. 9474/1982 bzw. 9720/1983). Ein willkürliches Verhalten könnte der Behörde insbesondere dann vorgeworfen werden, wenn sie den Adressaten ihrer Entscheidung aus unsachlichen Gründen benachteiligt hätte oder wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch stünde (zB VfSlg. 9726/1983), eine denkunmögliche Gesetzesanwendung dann, wenn sie einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (zB VfSlg. 9708/1983).

Entgegen den Beschwerdebehauptungen kann jedoch von einer im dargelegten Sinn gravierenden, in die Verfassungssphäre reichenden Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides nicht die Rede sein.

Die Beschwerde macht im wesentlichen geltend, daß die bel. Beh. "jede nähere Begründung" dafür schuldig geblieben sei, welche der vom Bf. gewählten Formulierungen unsachlich oder beleidigend sei, und welche Argumente dafür sprächen, daß er den Polizeibeamten habe beleidigen oder verhöhnen wollen; die Schreibweise rechtfertige nicht zwingend den Schluß, daß Ehre und Ansehen des Standes beeinträchtigt worden seien. Hiezu genügt es beispielsweise die vom Bf. in bezug auf den Sicherheitswachebeamten gebrauchten Wendungen "obwohl dieser die Kunst des Lesens beherrschen dürfte", "bemerkenswerte Mischung aus Ignoranz und Impertinenz" sowie "könnte er diese Zeit dann für seine Fortbildung verwenden" hervorzuheben und festzuhalten, daß es an Mutwillen grenzt, den völlig eindeutigen Sinn derartiger Auslassungen in Frage zu stellen und an ihrer Eignung zu zweifeln, im Rahmen einer schriftlichen Erklärung eines Rechtsanwaltes gegenüber einer Behörde Ehre und Ansehen des Rechtsanwaltsstandes zu beeinträchtigen.

Eine weiterreichende Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen zu diesem Punkt erachtet der VfGH für entbehrlich, weil er nach dem Vorgesagten den bekämpften Bescheid nicht auf seine Richtigkeit, sondern bloß auf eine grobe Fehlerhaftigkeit zu prüfen hat.

2. Auch die von der Beschwerde gerügte Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt nicht vor. Ihr Hinweis darauf, daß die erstinstanzliche Entscheidung durch einen Senat des Disziplinarrates gefällt wurde sowie daß die Senatsentscheidungen festlegenden Sätze im § 6 Abs 2 der Geschäftsordnung des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Salzburg mit dem Erk. V27, 31, 32/83 vom (VfSlg. 9746/1983) als gesetzwidrig aufgehoben wurden, geht fehl. Da die vorliegende Beschwerdesache keinen Anlaßfall bildete, hatte die OBDK, welche zwar erst nach der Kundmachung der Aufhebung (unter BGBl. 442/1983 am ) entschied, die Zuständigkeit und damit auch die Rechtmäßigkeit der personellen Zusammensetzung der Behörde erster Instanz nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der von der Erstinstanz getroffenen Entscheidung zu beurteilen, zu dem die als gesetzwidrig aufgehobenen Vorschriften jedoch noch in Geltung standen (s. VfSlg. 2860/1955).

3. Das Beschwerdeverfahren erbrachte schließlich keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre oder daß eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm stattgefunden hätte.

Die Beschwerde war sohin abzuweisen.