OGH vom 10.03.1998, 10ObS58/98x

OGH vom 10.03.1998, 10ObS58/98x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Hon.Prof.Dr.Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag.Dr.Martha Seböck (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Scheed (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Heidemarie H*****, vertreten durch Dr.Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8011 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1, vertreten durch Dr.Helmut Destaller, Dr.Gerald Mader und Dr.Walter Niederbichler, Rechtsanwälte in Graz, wegen Kostenerstattung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 145/97s-11, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 32 Cgs 35/97d-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat am im Sanatorium der M***** in Graz entbunden. Sie stand zu diesem Zeitpunkt in einem aufrechten Pflichtversicherungsverhältnis zur beklagten Partei. Da dieses Sanatorium über keine eigene Anstaltshebamme verfügt, zog die Klägerin anläßlich ihrer Entbindung eine frei praktizierende Hebamme bei, für deren Tätigkeit sie das klagsgegenständliche Honorar von S 3.600,-- inklusive Umsatzsteuer bezahlte.

Die beklagte Partei sprach mit dem bekämpften Bescheid aus, daß ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung dieser Hebammengebühr, welche sie mit saldierter Rechnung zum Rückersatz eingereicht hatte, nicht besteht und wies ihren Antrag demgemäß ab.

Mit ihrer Klage stellte die Klägerin das Begehren, die beklagte Partei zur Zahlung dieses Betrages samt 4 % Zinsen seit zu verurteilen; das Zinsenbegehren wurde in der Folge zurückgezogen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es beurteilte den eingangs wiedergebenen (und zwischen den Parteien außer Streit gestellten) Sachverhalt - zusammengefaßt - rechtlich dahin, daß eine Versicherte nach den §§ 159 iVm 134, 135 ASVG Anspruch auf Hebammenbeistand habe; habe eine Anspruchsberechtigte nicht die Vertragspartner (§ 338 ASVG) oder die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers in Anspruch genommen, so gebühre ihr Kostenersatz (auch für Hebammenbeistand) gemäß § 131 ASVG. Gemäß § 3 Abs 1 Hebammengesetz (HebG) sei eine Schwangere verpflichtet, zur Geburt und zur Versorgung des Kindes eine Hebamme beizuziehen; mangels Vorhandenseins einer Anstaltshebamme, weshalb weder die Klägerin noch die beklagte Partei seitens der Krankenanstalt mit Kosten hiefür belastet hätte werden können, habe erstere eine frei praktizierende Hebamme beiziehen und auch bezahlen müssen, deren Kosten demgemäß auch nicht in der Pauschalabgeltung der (sonstigen) Kosten und Leistungen der Krankenanstalt inkludiert gewesen seien. § 148 ASVG regle nur die Beziehungen eines Versicherungsträgers zu öffentlichen Krankenanstalten; § 36 Abs 2 des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes (Stmk KAG) sei ebenfalls nicht anwendbar, weil er nur festlege, daß der Krankenanstalt als Sonderaufwendungen jene Kosten zu ersetzen seien, die ihr für den fallweisen Beistand durch eine nicht in der Krankenanstalt angestellte Hebamme erwachsen seien. Angemessenheit, Höhe und Zweckmäßigkeit der von der Klägerin aufgewendeten Hebammenkosten seien ohnedies nicht bestritten worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das angefochtene Urteil im Sinne einer Klageabweisung ab. Es führte rechtlich (abweichend vom Erstgericht) - wiederum zusammenfaßt - aus, daß die Anstaltspflege nach herrschender Meinung eine einheitliche und unteilbare Gesamtleistung darstelle. Ausnahmen ergeben sich nur bei Unterbringung in einer Sonderklasse und bei Unterbringung in einer privaten Krankenanstalt. Die Vertragsparteien (nämlich Krankenanstaltenträger und Patient) könnten im Falle der Unterbringung in einer privaten nicht gemeinnützigen Krankenanstalt auch die Erbringung und Honorierung von Einzelleistungen vorsehen.

Dies gelte jedoch nicht uneingeschränkt: Nach § 149 ASVG könnten die Versicherungsträger auch mit privaten Krankenanstalten in ein Vertragsverhältnis treten; nach Abs 2 letzter Satz leg cit gelte für diese Verträge § 148 Z 2 und 3 ASVG sinngemäß. Die letztgenannte Bestimmung sehe nun in gleicher Regelungsweise wie § 27 KAG vor, daß mit den vom Versicherungsträger gezahlten Pflegegebührensätzen die Leistungen der Krankenanstalt abgegolten würden. Damit sei es aber dem Versicherungsträger verwehrt, in den Verträgen mit Trägern privater Krankenanstalten vorzusehen, daß dem Versicherten von der Krankenanstalt bloß Einzelleistungen erbracht und diese separat vom Versicherungsträger beglichen werden. Vielmehr sei davon auszugehen, daß durch diese Regelung der Begriff der Anstaltspflege als einheitliche und unteilbare Gesamtleistung notwendig auch in den Bereich der vertraglichen Beziehungen der Versicherungsträger zu privaten Krankenanstalten transferiert worden sei. Nach § 149 Abs 2 ASVG in der bis geltenden Fassung würden die Kosten (bei Unterbringung eines Erkrankten in einer nicht öffentlichen Krankenanstalt, mit der keine vertragliche Regelung gemäß § 149 ASVG besteht) höchstens in dem Ausmaß ersetzt, die dem Versicherungsträger in der nach Art und Umfang der Einrichtungen und Leistungen in Betracht kommenden nächstgelegenen öffentlichen Krankenanstalt erwachsen wären. Da die Klägerin Anstaltspflege in einer privaten Krankenanstalt, zu der keine (gültige) vertragliche Regelung gemäß § 149 ASVG bestanden habe, für ihre Entbindung in Anspruch genommen habe, könne sie für die erwachsene Hebammengebühr auch nur Kostenersatz nach § 161 iVm § 150 ASVG verlangen. Hätte ihre Entbindung nämlich in der nächstgelegenen öffentlichen Krankenanstalt stattgefunden, wäre ihr im Rahmen der Anstaltspflege auch Hebammenbeistand zuteil geworden, der von der Beklagten durch die Pflegegbühren abgegolten gewesen wäre. § 159 ASVG beziehe sich nur auf Hebammenbeistand außerhalb der Anstaltspflege.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, da - soweit erkennbar - Rechtsprechung zur Frage des Kostenersatzes bei Anstaltspflege zur Entbindung nicht vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern. Die beklagte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

Die Revision ist zulässig, weil zur anstehenden Rechtsfrage, ob ein Versicherungsträger im Falle einer Entbindung in einer nichtöffentlichen (Vertrags-)Anstalt zusätzlich zu den geleisteten (und nicht verfahrensgegenständlichen) Pflegegebühren auch die Kosten einer mangels Vorhandenseins einer Anstaltshebamme von der versicherten Schwangeren selbst beigezogenen frei praktizierenden Hebamme zu ersetzen hat, der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht Stellung genommen hat.

Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

§ 150 Abs 2 ASVG (in der hier maßgeblichen Fassung vor dem insoweit am in Kraft getretenen 2. SRÄG 1996 BGBl 764) regelt den Kostenersatz bei Unterbringung in einer privaten Nichtvertragsanstalt dahin, daß die Kosten hiefür höchstens in dem Ausmaß der Kosten ersetzt werden, die dem Versicherungsträger in der nach Art und Umfang der Einrichtung und Leistungen in Betracht kommenden nächstgelegenen öffentlichen Krankenanstalt erwachsen wären. Bei Unterbringung in einer solchen öffentlichen Krankenanstalt wären aber


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wie auch die Revisionswerberin nicht ernsthaft zu bestreiten vermag
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alle Leistungen der Krankenanstalt mit den vom Krankenversicherungsträger geleisteten Verpflegskosten einschließlich auch der Kosten einer nach dem HebG (§ 3 Abs 1, BGBl 1994/310) zur Entbindung verpflichtend beizuziehenden Hebamme abgegolten worden (§ 148 Z 3 ASVG). Insoweit ist § 148 Z 3 ASVG auch nicht bloß als Regelung des Verhältnisses zwischen den Krankenversicherungsträgern und den Krankenanstalten zu verstehen, sondern entfaltet auch Drittwirkung auf die Versicherten, denen damit der Anspruch auf die volle Versorgung in der Krankenanstalt eingeräumt wird, ohne daß sie darüber hinaus mit Ansprüchen der Krankenanstalt belastet werden können (idS auch Radner, Anstaltspflege 15). Da die Klägerin hier (unstrittig) in einer privaten Krankenanstalt untergebracht war und die beklagte Partei (was ebenfalls unstrittig ist) die Verpflegskosten iS des § 148 Z 3 ASVG hiefür getragen hat, würde das von der Klägerin angestrebte Ergebnis letztlich dazu führen, daß die beklagte Partei deshalb, weil die Klägerin der Unterbringung in einer privaten Krankenanstalt (aus welchen Gründen immer) den Vorzug gegeben hat, mit höheren Kosten belastet wäre, als dies bei Unterbringung in einer öffentlichen Krankenanstalt der Fall gewesen wäre, was aber mit Wortlaut und Gesetzeszweck des § 150 Abs 2 ASVG nicht vereinbar wäre.

Auch aus § 159 iVm § 117 Z 4 lit c ASVG ist für den Rechtsstandpunkt der Revisionswerberin nichts abzuleiten. Letztere Bestimmung ist nicht kumulativ zu den vorstehenden lit a und b leg cit zu sehen, sondern - soweit zeitliche Deckung besteht - alternativ. Ebenso wie eine Wöchnerin für die Zeit der Unterbringung in einer Krankenanstalt ärztlichen Beistand, Heilmittel und Heilbehelfe nicht neben den Kosten der Anstaltsunterbringung begehren kann, kann sie im vorliegenden Fall nicht die Kosten der Beiziehung einer Hebamme gesondert begehren. Alle diese Leistungen sind Teil der Anstaltspflege (insgesamt) und mit der Leistung der Verpflegskosten abgegolten. Die in § 117 Z 4, § 159 ASVG genannten Kosten könnten in dieser getrennten Form nur dann unter Umständen geltend gemacht werden, wenn die Entbindung nicht im Rahmen einer Anstaltspflege erfolgte; nur in diesem Fall kommt der Verweisung auf § 131 ASVG in § 159 ASVG Bedeutung zu. Wenn sich aber die Klägerin in eine private Krankenanstalt begab, die keine angestellte Hebamme beschäftigt und ihr daher den in einer öffentlichen Krankenanstalt zur Verfügung stehenden Hebammenbeistand nicht gewährt, so kann dies die Leistungspflicht der beklagten Partei nicht erhöhen.

Ob die Klägerin letztlich gegen die Krankenanstalt, in der die Entbindung durchgeführt wurde, allenfalls Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Beiziehung dieser Hebamme hat, richtet sich nach den Vereinbarungen, die sie mit dieser Anstalt getroffen hat, bzw den Bestimmungen des maßgeblichen Krankenanstalten-Landesgesetzes, ist jedoch nicht Gegenstand dieses sozialrechtlichen Verfahrens, weshalb sich weitergehende Ausführungen hiezu erübrigen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.