TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 06.07.2011, 14Os61/11v

OGH vom 06.07.2011, 14Os61/11v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Varga als Schriftführer in der Strafsache gegen Zoran M***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen, AZ 095 Hv 158/10s des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom (ON 86) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Sperker, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 095 Hv 158/10s 86, verletzt im Zoran M***** betreffenden Schuldspruchpunkt C/I und II sowie im Marko M***** betreffenden Schuldspruchpunkt C/II § 229 Abs 1 StGB.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in den Schuldsprüchen zu C und demgemäß in den Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 95 Hv 158/10s 86, wurden Zoran M***** des Verbrechens (richtig) des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB (A und B) sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (C) und Marko M***** der Verbrechen des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB (A/2), und der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und Abs 4 zweiter Satz StGB (D) sowie „des Vergehens“ der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (C/II) schuldig erkannt.

Nach dem Schuldspruch haben soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes von Bedeutung Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz unterdrückt zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden und zwar

(C/I) Zoran M*****

1) am in Klosterneuburg 19 Begutachtungsplaketten (§ 57a KFG), indem er diese aus dem Geschäftslokal der Wi***** AG entwendete;

2) zwischen und in Klosterneuburg 362 Begutachtungsplaketten (§ 57a KFG), indem er diese aus dem Geschäftslokal der G***** AG/W***** GmbH entwendete;

3) zwischen und in Baden der Liliane Wa***** (ergänze: entwendete) 152 Begutachtungsplaketten (§ 57a KFG) sowie 500 Blanko-Zulassungsscheine;

(C/II) Zoran M***** und Marko M***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am in Klosterneuburg 70 Begutachtungsplaketten (§ 57a KFG) indem sie diese aus dem Geschäftslokal der Wi***** AG entwendeten.

Die Tatrichter stellten fest, dass die Angeklagten die Begutachtungsplaketten und Blanko-Zulassungsscheine bei Einbruchsdiebstählen (Schuldsprüche A/I/4, 9, 10; A/II/2) erbeuteten und diese in der Folge (teilweise) an andere Personen verkauften (US 14); teilweise konnten Begutachtungsplaketten sichergestellt werden (US 15).

Nach den Konstatierungen zur subjektiven Tatseite war den Angeklagten bewusst, dass es sich hiebei um Urkunden handelte, über die sie nicht verfügen durften, wobei sie es ernstlich für möglich hielten und sich damit abfanden, durch ihr Handeln zu verhindern, dass diese Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden (US 14).

Die Angeklagten haben gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel erhoben. Über die von der Staatsanwaltschaft betreffend Zoran M***** ergriffene Berufung wurde bislang nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht das bezeichnete Urteil im Umfang des Schuldspruchpunkts C mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gegenstand des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB sind Urkunden im Sinn des § 74 Abs 1 Z 1 StGB, mithin Schriften, die errichtet worden sind, um ein Recht oder Rechtsverhältnis zu begründen, abzuändern oder aufzuheben oder eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Für den Urkundenbegriff des materiellen Strafrechts sind vier Kriterien maßgeblich, nämlich das Vorliegen einer rechtserheblichen Gedankenerklärung, deren schriftliche Verkörperung, die Abgabe dieser schriftlich verkörperten Gedankenerklärung zu Beweiszwecken im Rechtsverkehr und die Erkennbarkeit des Ausstellers. Fehlt eines dieser Merkmale, liegt eine Urkunde im Sinn des StGB nicht vor ( Jerabek in WK 2 § 74 Rz 46).

Die gegenständlich bei Kraftfahrzeugversicherern oder Zulassungsstellen erbeuteten Blanko-Zulassungsscheine und Begutachtungsplaketten entsprechen mangels rechtserheblichen Erklärungsinhalts, hinsichtlich der Blanko-Zulassungsscheine auch mangels Erkennbarkeit eines Ausstellers nicht dem strafrechtlichen Urkundenbegriff (vgl Jerabek in WK 2 § 74 Rz 54; SSt 49/65).

Es handelt sich dabei um reine Drucksorten.

Die rechtsfehlerhafte Subsumtion der Wegnahme der Blankozulassungsscheine und der Begutachtungsplaketten unter § 229 Abs 1 StGB wirkt sich zum Nachteil der Angeklagten aus, weshalb sich der Oberste Gerichtshof veranlasst sah, die Feststellung dieser Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

Da Feststellungen für eine Subsumtion des vom Anklagevorwurf umfassten (ON 53 S 5 und 9) Ansichnehmens der Blanko-Zulassungsscheine und Begutachtungsplaketten, um sie weiter zu veräußern, als Vergehen der Vorbereitung der Fälschung öffentlicher Urkunden oder Beglaubigungszeichen nach § 227 Abs 1 StGB fehlen, war die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zu verweisen.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO (vgl dazu Ratz , WK StPO § 292 Rz 39) sei in Betreff des Erstangeklagten Zoran M***** festgehalten, dass die Urteilsannahmen, wonach „die Tathandlungen des Erstangeklagten zudem auf die Begehung schwerer Diebstähle mit einer Schadenssumme von jeweils mehr als 3.000 Euro gerichtet“ waren (US 12), jedenfalls im Zusammenhalt mit den rechtlichen Ausführungen (US 16) den unter dem Aspekt materiellrechtlicher Nichtigkeit maßgeblichen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 19) Willen der Tatrichter, die der insoweit vorgenommenen Subsumtion auch nach § 130 dritter Fall StGB entsprechenden Feststellungen zu treffen, hinreichend zum Ausdruck bringen.

Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.