OGH vom 06.11.2014, 13Os42/14x

OGH vom 06.11.2014, 13Os42/14x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig und Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alzbeta R***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 75 Hv 130/13f 93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alzbeta R***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie vom bis zum in Wien mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Clemens G***** zunächst durch die wahrheitswidrige Zusicherung, er könne in dem auf seiner Liegenschaft in *****, gelegenen Haus bis an sein Lebensende wohnen, zur Schenkung der bezeichneten Liegenschaft und in der Folge durch die Vorgabe, sie werde aus dem Verkaufserlös eine barrierefreie Wohnung kaufen, mit ihm dort einziehen und ihn pflegen, zum Verzicht auf das ihm anlässlich der Schenkung eingeräumte Wohnrecht verleitet und Clemens G***** dadurch in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag von rund 490.000 Euro (US 8 bis 10) am Vermögen geschädigt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten geht fehl.

Indem die Mängelrüge (Z 5) den festgestellten Tathergang „angesichts des Zeithorizonts und der für die Geschehnisse notwendigen Interaktion unterschiedlicher Personen“ als „weder wahrscheinlich noch lebensnah“ bezeichnet, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Mit dem Einwand, die angefochtene Entscheidung sei offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), weil sie die Feststellungen zu den Tathandlungen und zum diesbezüglichen Vorsatz auf die diese Konstatierungen nach dem Beschwerdestandpunkt allein nicht tragenden Aussagen der Zeugen Clemens G***** und Dr. Karl K***** stütze, unterlässt die Beschwerde die unter dem Aspekt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (RIS Justiz RS0119370). Die ausführliche und äußerst detaillierte (US 11 bis 29) Beweiswürdigung des Erstgerichts entspricht sowohl den Gesetzen folgerichtigen Denkens als auch grundlegenden Erfahrungssätzen und ist solcherart aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (14 Os 72/02, SSt 64/39; RIS Justiz RS0116732 und RS0118317).

Die Urteilsfeststellungen, wonach die Beschwerdeführerin von Beginn an darauf zielte, die Liegenschaft des Clemens G***** in ihre freie wirtschaftliche Verfügungsmacht zu bringen, und sie erst nach erfolgter Schenkung Wege suchte, Clemens G***** auch zum Verzicht auf das Wohnrecht zu bewegen (US 8), widersprechen (Z 5 dritter Fall) einander keineswegs.

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt lässt (13 Os 138/03, SSt 2003/93; RIS Justiz RS0118316). Ein solcher Fehler wird mit den Ausführungen zur „Hörigkeit“ (die im Übrigen auch keinen Bezug zu anderen Nichtigkeitsgründen erkennen lassen) nicht behauptet.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht nicht von den Urteilsfeststellungen aus, nach welchen die Beschwerdeführerin schon am Beginn des Tatzeitraums darauf zielte, Clemens G***** um den Wert seiner Liegenschaft betrügerisch am Vermögen zu schädigen, und diesen Tatplan in der Folge etappenweise umsetzte (US 8 f), und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) basiert (wie die Rechtsrüge) auf der urteilsfremden Prämisse eines nicht einheitlichen Tatgeschehens und entzieht sich solcherart ebenfalls einer inhaltlichen Erwiderung (siehe erneut RIS Justiz RS0099810).

Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11) verstößt die aggravierende Wertung der hinterhältigen, verwerflichen Begehungsweise (US 31) nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 erster Satz StGB. Das angesprochene Täterverhalten stellt vielmehr den besonderen Erschwerungsgrund des § 33 Abs 1 Z 6 StGB her ( Ebner in WK² StGB § 33 Rz 20, Leukauf/Steininger StGB³ § 33 RN 12) und wurde daher zu Recht im Rahmen der Strafbemessung berücksichtigt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Ergänzt sei, dass sich die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Widerruf einer bedingten Strafnachsicht im (hier vorliegenden) Fall nachträglicher Verurteilung im Sinn des § 55 StGB nach § 495 Abs 2 StPO richtet ( Jerabek , WK StPO § 494a Rz 7 mwN [vgl demgegenüber US 4 und 33]). Die diesbezügliche Vorbehaltsentscheidung (US 4) entfaltet aber ohnedies keine Rechtswirkung, weil die Kompetenz zur Beschlussfassung über einen Widerruf bei nachträglicher Verurteilung ex lege entsteht (vgl [zu § 495 Abs 1 StPO]12 Os 103/00 und 12 Os 99/05h). Eine im Übrigen auch bloß deklarative (RIS Justiz RS0111830; 13 Os 123/09a, EvBl 2010/41, 278; Jerabek , WK StPO § 494a Rz 6) Vorbehaltsentscheidung im Sinn des § 494a Abs 2 letzter Satz StPO ist übrigens nur in den durch die ersten beiden Sätze des § 494a Abs 2 StPO umschriebenen Fällen des § 494a Abs 1 Z 4 StPO, also gerade nicht in jenen des § 495 Abs 2 StPO (vgl RIS Justiz RS0111521; Jerabek , WK StPO § 494a Rz 7), zu treffen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0130OS00042.14X.1106.000