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OGH vom 15.10.2009, 13Os42/09i

OGH vom 15.10.2009, 13Os42/09i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krajina als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Zdzislaw P***** und andere Angeklagte wegen des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Verfallsbeteiligten B***** GmbH gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom , GZ 612 Hv 20/08k-56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Verfallsbeteiligte auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Verfallsbeteiligten fallen für den Fall nachfolgend bejahter Gerichtszuständigkeit die ihre Nichtigkeitsbeschwerde betreffenden Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Zdzislaw P*****, Marek M***** und Pawel P***** (dieser als Beitragstäter nach § 11 dritter Fall FinStrG) des Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs 1 lit a FinStrG, Zdzislaw P***** unter den erschwerenden Umständen gewerbsmäßiger Begehung nach § 38 Abs 1 lit a FinStrG, schuldig erkannt.

Danach haben

(1) Zdzislaw P***** und Marek M***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am in Schwechat eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich Goldschmuck im Wert von 919.628 Euro, vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht, indem sie den Goldschmuck von Istanbul auf dem Luftweg nach Schwechat brachten, ohne ihn zollrechtlich zu deklarieren, wobei es Zdzislaw P***** darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung „des Schmuggels" eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;

(2) Pawel P***** zu dieser strafbaren Handlung dadurch beigetragen, dass er sich zur Übernahme des Schmuggelguts und dessen Weitertransport bereithielt und die beiden zu (1) genannten Angeklagten mit dem PKW VW Passat, polnisches Kennzeichen *****, dessen Benzintank zum Transport von Schmuggelware als Versteck umgebaut worden war, in Schwechat abholte, um sie verabredungsgemäß mit dem im PKW zu versteckenden Schmuck nach Polen zu bringen. Gemäß § 17 Abs 2 „lit c Z 3" (richtig, zufolge des festgestellten Umbaus zum Zwecke des Zigarettenschmuggels - vgl US 16, 24: lit b) FinStrG wurden der PKW VW Passat des Angeklagten Pawel P***** und gemäß § 17 Abs 2 lit a FinStrG die geschmuggelten, im Urteil einzeln angeführten Schmuckgegenstände für verfallen erklärt (US 5 ff).

Rechtliche Beurteilung

Gegen letzteren Verfallsausspruch richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 4 und 5 (iVm Z 11 erster Fall) StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Verfallsbeteiligten, der keine Berechtigung zukommt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Der Verfahrensrüge (Z 4 iVm Z 11 erster Fall) zuwider verfiel der in der Hauptverhandlung (ON 55 S 33) vom Vertreter der Verfallsbeteiligten gestellte Antrag auf Vernehmung deren Geschäftsführers Secgin B***** durch ein türkisches Rechtshilfegericht zum Beweis dafür, „dass der Erst- und Zweitangeklagte als Bote der Fa. K***** das Gold gekauft haben bei der B***** GmbH und zwar unter Eigentumsvorbehalt. Dass B***** in der Zwischenzeit mangels Zahlung des Kaufpreises vom Kaufvertrag zurückgetreten ist, somit ihren Eigentumsvorbehalt geltend macht", zu Recht der Abweisung. Das - allein maßgebliche (RIS-Justiz RS0099163) - Vorbringen in der Hauptverhandlung sprach nämlich kein iSd § 17 Abs 3 lit a FinStrG bedeutsames Beweisthema, insbesondere die im Antragszeitpunkt im Raum stehende Involvierung der Verfallsbeteiligten in den Schmuggel in Form einer Auftragserteilung oder einer (fehlenden) auffallenden Sorglosigkeit, an und entsprach solcherart nicht den allgemeinen Antragserfordernissen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327 f und 341). Selbst das angestrebte Beweisergebnis, dass die Angeklagten das Gold als „Boten" eines anderen Unternehmens ankauften, hätte keinen maßgeblichen Einfluss auf die unabhängig davon vorzunehmende Beurteilung der hier entscheidenden (vgl Reger/Hacker/Kneidinger, FinStrG3 § 17 Rz 56 ff) Rolle der Verfallsbeteiligten im Zusammenhang mit dem Finanzvergehen des Schmuggels gehabt.

Im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) trachtet die Beschwerdeführerin - grundsätzlich iVm Z 11 erster Fall zulässig, weil mit den Fragen nach ihrem Eigentum am Schmuggelgut und nach einer (zumindest) auffallenden Sorglosigkeit im Zusammenhang mit dem Finanzvergehen die rechtlichen Voraussetzungen (die Grenzen) des Verfalls, mithin der Sanktionsbefugnis thematisiert werden (vgl Ratz in WK2 § 26 Rz 18; Fuchs/Tipold, WK-StPO § 443 Rz 67) - die der Verfallsentscheidung zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen und deren Begründung zu bekämpfen, ohne jedoch Unzulänglichkeiten im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen:

Gewichtsdifferenzen zwischen dem tatsächlich geschmuggelten Gold und der auf den vom Erstgericht als „Scheinrechnungen" bezeichneten Urkunden ausgewiesenen Menge sind ebenso wenig wie sonstige Abweichungen (etwa in Bezug auf den Rechnungsempfänger) für die Frage einer Auftragserteilung zum Schmuggel durch die Verfallsbeteiligte entscheidend und solcherart einer Anfechtung durch Mängelrüge entzogen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398).

Gleiches gilt für die weiteren Beschwerdeausführungen im Zusammenhang mit dem Inhalt der mitgeführten Verzollungsunterlagen, die mangels Gestellung gar nicht verwendet wurden, für die Behauptung vorliegenden und nachträglich geltend gemachten Eigentumsvorbehalts, der - angesichts der Konstatierungen zum im Sinne § 17 Abs 3 lit a FinStrG relevanten Konnex der Beschwerdeführerin zur angelasteten strafbaren Handlung - ebenso wenig entscheidende Bedeutung zukommt, und für die weitgehend ohne Aktenbezug angestellten, spekulativen Überlegungen betreffend die Besorgung der von den Angeklagten verwendeten Flugtickets.

Weshalb die Feststellungen zum Auftrag der Beschwerdeführerin (US 17, vgl auch US 25 f) undeutlich (Z 5 erster Fall), mit anderen Worten als Tatsachensubstrat für die Annahme der Voraussetzungen des § 17 Absatz 3 lit a FinStrG nicht erkennbar sein sollen, legt die Rüge nicht dar.

Soweit die Beschwerdeführerin eigene Schlussfolgerungen aus dem Beweisverfahren zieht, etwa über die Eignung der angesprochenen Rechnungen, Zollorgane zu täuschen oder über die Menge von den Angeklagten geschmuggelten Goldes, zeigt sie keinen Begründungsmangel auf, sondern bekämpft lediglich die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0099455). Aus dem gleichen Grund erweist sich die weitwendig argumentierte Infragestellung der Glaubwürdigkeit der Angeklagten, deren Aussage im Übrigen auch vom Erstgericht ohnehin nicht als Grundlage für die Annahme einer Auftragserteilung durch die Beschwerdeführerin herangezogen wurde (vgl US 21 ff und 26), als nicht zielführend.

Die (für den Fall nachfolgend bejahter Gerichtszuständigkeit ausgesprochene) Kostenersatzpflicht der Verfallsbeteiligten, die das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde, nicht jedoch das amtswegige Vorgehen betrifft, beruht auf § 241 FinStrG (13 Os 119/96; vgl SSt 57/83).

Zur amtswegigen Maßnahme:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass den Schuldsprüchen 1 und 2 eine nicht geltend gemachte, den Angeklagten zum Nachteil gereichende und daher gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen aufzugreifende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet.

Das Urteil enthält nämlich - im Gegensatz zur Anklageschrift (ON 48 S 23) und zum Schlussbericht des Zollamts Eisenstadt (ON 43 S 11) - weder Feststellungen zur Höhe, noch zur Berechnung des auf die geschmuggelten Waren entfallenden Abgabenbetrags, auf dessen Grundlage gemäß § 35 Abs 4 (§ 38 Abs 1) FinStrG jeweils der Strafrahmen zu bilden ist (RIS-Justiz RS0107044). Ob das Erstgericht vom richtigen Strafrahmen ausgegangen ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 667), lässt sich bloß anhand des konstatierten Wertes des Goldschmucks (US 18) nicht beurteilen.

Mangels jeglicher Feststellungen zu diesem Punkt steht auch die Gerichtszuständigkeit (vgl §§ 53, 214 FinStrG) in Frage, weshalb ein Mangel iSd Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO vorliegt (RIS-Justiz RS0124509; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 402 und 626).

Entgegen der Ansicht der Generalprokuratur ist die Verfallsentscheidung betreffend den PKW des Angeklagten Pawel P***** fallbezogen nicht mit Nichtigkeit nach Z 11 erster Fall des § 281 Abs 1 StPO behaftet. Denn § 17 Abs 2 lit b FinStrG erfasst Beförderungsmittel, „die zur Begehung des Finanzvergehens benützt werden", welche Voraussetzung hinsichtlich des Angeklagten Pawel P***** schon deshalb erfüllt ist, weil sein Beitrag (als das von ihm begangene Finanzvergehen) gerade in der nach den Urteilsannahmen (vgl US 16 ff) bereits vor dem Schmuggel vereinbarten Bereitstellung des in Rede stehenden PKW bestand (vgl auch RIS-Justiz RS0087904; Reger/Hacker/Kneidinger, FinStrG3 § 17 Rz 24). Die in diesem Zusammenhang unterlassene Prüfung der Verhältnismäßigkeit begründet - angesichts fehlender Feststellungen dazu, dass die zum Zwecke des Schmuggels eingebauten Vorrichtungen (US 16) nicht entfernt werden können - allerdings Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO (RIS-Justiz RS0088035, 13 Os 27/09h), weshalb - ungeachtet ohnehin vorliegender Nichtigkeit aus Z 9 lit a - auch diese Verfallsentscheidung zu kassieren war. Im zweiten Rechtsgang werden für den Fall bejahter Gerichtszuständigkeit hinsichtlich beider Verfallsentscheidungen die Verhältnismäßigkeitsprüfung nachzuholen oder in Ansehung des PKW Feststellungen im aufgezeigten Sinn zu treffen sein.

Gleichermaßen wird das Erstgericht zu beachten haben, dass die Höhe des nach § 35 Abs 4 (§ 38 Abs 1) FinStrG zu ermittelnden Abgabenbetrags, mithin auch des Strafrahmens, vom Wert der geschmuggelten Ware abhängt, sodass im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs der Wert des Goldes nicht - wie im angefochtenen Urteil (US 24) in zufolge Verstoßes gegen das Doppelverwertungsverbot (vgl § 23 Abs 2 FinStrG) Nichtigkeit gemäß Z 11 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO begründender Weise - bei der Strafbemessung als erschwerend zu werten ist.