OGH vom 28.06.2011, 10ObS58/11v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Peter Ladislav und Prof. Mag. Dr. Thomas Keppert (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Dr. Christian Rumplmayr, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84 86, vertreten durch Bachmann Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 3/11i 35, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 16 Cgs 6/09t 29, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts zu lauten hat:
„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger die Erwerbsunfähigkeitspension ab im gesetzlichen Ausmaß zu bezahlen, wird abgewiesen.
Der Kläger hat seine Verfahrenskosten selbst zu tragen.“
Der Kläger hat seine Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.
Die beklagte Partei hat ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am geborene Kläger führte von 1988 bis Juni 2007 als Unternehmer einen Transportbetrieb mit 16 bis 18 Mitarbeitern sowie ab 2004 auch eine Tankstelle.
Im Vorverfahren 16 Cgs 320/06i des Erstgerichts verpflichtete sich die beklagte Partei mit Vergleich vom zur Zahlung einer Erwerbsunfähigkeitspension an den Kläger für den Zeitraum vom bis . Vor Abschluss dieses Vergleichs wurde über die Notwendigkeit einer Behandlung (des beim Kläger festgestellten depressiven Zustandsbildes) gesprochen und der Kläger aufgefordert, sich der vom Sachverständigen Dr. S***** vorgeschlagenen fachärztlichen Behandlung zu unterziehen, mit der eine Besserung des Leistungskalküls innerhalb von drei bis vier Monaten zu erwarten gewesen wäre. Der Kläger wurde auch auf die Rechtsfolgen einer Verletzung seiner Mitwirkungspflicht hingewiesen. Tatsächlich unterzog er sich nach Beendigung des Vorverfahrens keiner fachärztlichen Behandlung mit einem potenten Antidepressivum. Er ließ sich lediglich am in Thailand ambulant behandeln. Ab ließ sich der Kläger bei seinem Hausarzt behandeln, wobei nicht festgestellt werden konnte, um welche Behandlung es sich dabei handelte.
Der Kläger leidet (weiterhin) an einem depressiven Zustandsbild und einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit. Das depressive Zustandsbild hat sich gegenüber dem Vorverfahren aufgrund des Wegfalls der beruflichen Tätigkeit und eines für den Kläger günstigen Auslandsaufenthalts in Thailand (mit einer dort bestehenden Partnerbeziehung) gebessert. Er ist jedoch aufgrund seines näher festgestellten medizinischen Leistungskalküls weiterhin nicht in der Lage, das Transportgewerbe auszuüben; er kann jedoch einfache Handelstätigkeiten wie etwa die Führung eines Kiosks oder den Verkauf von Süßwaren und Zeitschriften verrichten.
Hätte sich der Kläger im Anschluss an das Vorverfahren einer konsequenten antidepressiven Behandlung unterzogen, wäre eine weitere Verbesserung seines Leistungskalküls zu erzielen gewesen. In welchem Ausmaß eine derartige Verbesserung eingetreten wäre (und ob der Kläger damit auch wieder in der Lage gewesen wäre, das Transportgewerbe selbständig auszuüben), konnte von den Vorinstanzen nicht festgestellt werden.
Eine kompetente antidepressive Behandlung des Leidens durch einen Facharzt für Psychiatrie ist dem Kläger auch jetzt noch zumutbar und möglich. Dadurch könnte mit hoher Wahrscheinlichkeit eine weitere Besserung seines Gesundheitszustands erreicht werden, wobei etwa drei bis vier Monate nach Behandlungsbeginn abgeschätzt werden könnte, bis wann eine derartige Besserung zu erreichen ist.
Mit Bescheid vom wurde von der beklagten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ausgesprochen, dass der Anspruch des Klägers auf Erwerbsunfähigkeitspension nicht mehr bestehe und die Pensionszahlung daher nach dem Erlöschen der befristet zuerkannten Leistung mit eingestellt werde.
In der gegen diesen Bescheid rechtzeitig erhobenen und auf die Weitergewährung der Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab gerichteten Klage brachte der Kläger im Wesentlichen vor, sein Gesundheitszustand habe sich seit der Zuerkennung der befristeten Erwerbsunfähigkeitspension erheblich verschlechtert.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei nicht erwerbsunfähig iSd § 133 Abs 2 GSVG, weil ihm unter der Voraussetzung einer adäquaten Blutdruckeinstellung die Führung eines Transportunternehmens mit 16 bis 18 Mitarbeitern wieder zumutbar sei. Weiters habe der Kläger seine Mitwirkungspflicht verletzt. Hätte er sich der notwendigen fachärztlichen Behandlung unterzogen, wäre sein Zustand jedenfalls ab September 2008 so weit gebessert gewesen, dass eine Erwerbsunfähigkeit nicht mehr vorgelegen wäre.
Der Kläger hielt dem entgegen, dass er sich einer adäquaten Behandlung unterzogen, sein Gesundheitszustand sich aber nicht verändert habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang für den Zeitraum vom bis dem Grunde nach statt, ohne der beklagten Partei eine vorläufige Zahlung aufzutragen, und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren ab erkennbar ab.
Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht dahin, dass vom ursprünglichen Stichtag ausgehend die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Verweisungsschutzes nach § 133 Abs 2 GSVG in Bezug auf die vom Kläger zuletzt über mehr als 60 Kalendermonate hindurch ausgeübte selbständige Tätigkeit im Transportgewerbe, bei der seine persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebs notwendig gewesen sei, gegeben sind. Ein zusätzlicher Verweisungsschutz hinsichtlich des vom Kläger daneben ab 2004 geführten Handelsbetriebs (Tankstelle) bestehe hingegen nicht, weil er diese Tätigkeit bis zum Stichtag weniger als 60 Kalendermonate hindurch ausgeübt habe. Aufgrund des festgestellten medizinischen Leistungskalküls sei der Kläger auf eine vergleichbare selbständige Erwerbstätigkeit im Transportgewerbe nicht mehr verweisbar, sodass er Anspruch auf Weiterzahlung der Erwerbsunfähigkeitspension über den hinaus habe.
Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Kläger seiner ihm ausdrücklich abverlangten Mitwirkungspflicht, sich einer konsequenten fachärztlichen Behandlung zu unterziehen, nicht nachgekommen sei, weil die beklagte Partei nicht nachgewiesen habe, dass der Kläger mit dieser Behandlung sein Leistungskalkül so weit verbessern hätte können, dass er wieder in die Lage gekommen wäre, eine Tätigkeit im Transportgewerbe auszuüben. Die Erwerbsunfähigkeitspension sei dem Kläger allerdings nur befristet bis zuzuerkennen, weil nach dem festgestellten Sachverhalt davon auszugehen sei, dass eine Besserung des Gesundheitszustands durch eine fachärztliche Behandlung binnen drei bis vier Monaten nach wie vor möglich sei; wenn der Kläger mit dieser Behandlung unmittelbar nach Schluss der mündlichen Streitverhandlung beginne, könne demnach bis eine derartige Besserung eintreten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge und änderte das Ersturteil über Berufung des Klägers dahin ab, dass es das auf Gewährung der Erwerbsunfähigkeitspension gerichtete Klagebegehren für den Zeitraum vom bis als dem Grunde nach zu Recht bestehend beurteilte, der beklagten Partei bis zur Erlassung des die Höhe festsetzenden Bescheids eine vorläufige Zahlung von 1.074,94 EUR monatlich auftrug und das Mehrbegehren des Klägers auf Gewährung der Erwerbsunfähigkeitspension über den hinaus (unbekämpft) abwies.
Es hielt den Berufungsausführungen der beklagten Partei entgegen, dass der Versicherungsträger nach ständiger Rechtsprechung nachzuweisen habe, dass eine von ihm verlangte ärztliche Behandlung dem Versicherten zumutbar sei, wofür es insbesondere darauf ankomme, ob mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, dass die Heilbehandlung die herabgesunkene Arbeitsfähigkeit so weit bessere, dass Erwerbsunfähigkeit (Invalidität) nicht mehr vorliege. Diesen Beweis habe die beklagte Partei nicht erbracht, weil im vorliegenden Verfahren gerade nicht feststehe, dass sich das Leistungskalkül des Klägers bei Durchführung einer gezielten antidepressiven Behandlung wahrscheinlich so weit gebessert hätte, dass er ab wieder in der Lage gewesen wäre, eine qualifizierte Verweisungstätigkeit iSd § 133 Abs 2 GSVG auszuüben. Der Kläger habe demnach im Anschluss an den Zeitraum der (ersten bis ) befristeten Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeitspension weiterhin Anspruch auf die begehrte Leistung.
Da beim Kläger keine dauernde Erwerbsunfähigkeit anzunehmen sei, gebühre die Erwerbsunfähigkeitspension „längstens für die Dauer von 24 Monaten ab dem Stichtag“. Es obliege dabei ebenfalls dem Versicherungsträger nachzuweisen, dass sich der Zustand mit zumindest hoher Wahrscheinlichkeit vor Ablauf der Höchstdauer von 24 Monaten zum Besseren wenden und die bestehende Erwerbsunfähigkeitspension wegfallen werde. Da die geforderte Wahrscheinlichkeit einer Besserung im Fall des Klägers nicht feststehe, und zwar weder im Hinblick auf ein bestimmtes, die Erwerbsfähigkeit wiederherstellendes Ausmaß der Besserung noch in Bezug auf eine vor Ablauf der höchstmöglichen Befristung von 24 Monaten zu erwartende Besserung, bestehe kein Grund für eine kürzere als die nach dem Gesetz mögliche Befristung. Dabei sei zu beachten, dass der ursprüngliche Befristungszeitraum von 24 Monaten bereits am also noch vor Schluss der Verhandlung erster Instanz abgelaufen sei, sodass nach ständiger Rechtsprechung ein weiterer 2 Jahres Zeitraum für die befristete Zuerkennung der Leistung zur Verfügung stehe, welcher mangels Nachweises einer mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden früheren Besserung im konkreten Fall auch auszuschöpfen sei.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine zu befristende Erwerbsunfähigkeitspension auch für einen kürzeren Zeitraum als für 24 Monate zuerkannt werden könne, eine unterschiedliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Die Revision ist, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden, zulässig und auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die beklagte Partei macht im Wesentlichen geltend, sie habe das Bestehen einer Mitwirkungspflicht und deren Nichterfüllung durch den Kläger ausreichend nachgewiesen. Ob trotz Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Kläger und damit trotz Vorliegens von anspruchsvernichtenden Tatsachen ein Anspruch auf Erwerbsunfähigskeitspension auch im strittigen Zeitraum ab bestehe, sei als anspruchsbegründender Umstand nicht von der beklagten Partei, sondern vom Kläger zu beweisen. Der Kläger stünde einem solchen Beweis auch wesentlich näher als die beklagte Partei, da es dabei um den Gesundheitszustand des Klägers gehe und dieser die Möglichkeit habe, weitere medizinische Unterlagen vorzulegen. Im Übrigen habe der Sachverständige darauf hingewiesen, dass man letztlich nur dann, wenn sich der Kläger den Behandlungen unterzogen hätte, wirklich feststellen hätte können, ob und inwieweit eine Verbesserung des Gesundheitszustands des Klägers eingetreten sei. Würde man in solchen Fällen dem beklagten Versicherungsträger und nicht dem Versicherten die Beweislast auferlegen, wäre das Rechtsinstitut der Mitwirkungspflicht im Sozialversicherungsbereich weitgehend ad absurdum geführt. Es wäre also der Kläger dafür beweispflichtig gewesen, dass er trotz Verletzung der ihm auferlegten Mitwirkungspflicht und der vom Sachverständigen als sicher angenommenen Besserungsmöglichkeit auch im Zeitraum ab erwerbsunfähig iSd § 133 GSVG gewesen wäre. Dieser Beweis sei dem Kläger aber nicht gelungen. Damit sei das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit beim Kläger im strittigen Zeitraum ab zu verneinen.
Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.
1. Nach § 133 Abs 2 GSVG in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 2010/111, gilt auch ein Versicherter, der das 50. Lebensjahr vollendet hat und dessen persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebs notwendig war, als erwerbsunfähig, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außer Stande ist, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit erfordert, die der Versicherte zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat.
1.1 Es ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig, dass es sich bei der im Sinne der zitierten Bestimmung des § 133 Abs 2 GSVG maßgebenden Tätigkeit des Klägers um seine selbständige Erwerbstätigkeit im Transportgewerbe handelt und der Kläger aufgrund seines Leistungskalküls diese selbständige Erwerbstätigkeit oder eine iSd § 133 Abs 2 GSVG vergleichbare selbständige Erwerbstätigkeit auch für den hier strittigen Zeitraum ab nicht ausüben kann. Strittig ist im vorliegenden Verfahren vorrangig die Frage, ob einem Anspruch des Klägers auf (Weiter )Gewährung der Erwerbsunfähigkeitspension ab eine Verletzung seiner Mitwirkungspflicht entgegensteht.
2. Nach dem allgemeinen Grundsatz, dass ein Versicherter die Interessen des Sozialversicherungsträgers und damit auch die der anderen Versicherten in zumutbarer Weise zu wahren hat, will er seine Ansprüche nicht verlieren, ist er nach ständiger Rechtsprechung verpflichtet, eine notwendige Krankenbehandlung durchzuführen, die zu einer Heilung und Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit führen würde, sofern die Behandlung für ihn nicht mit unzumutbaren Gefahren verbunden ist. Eine schuldhafte, also eine zumindest leicht fahrlässige Verletzung der Duldungs oder Mitwirkungspflicht des Versicherten, der sich einer zumutbaren Krankenbehandlung zu unterziehen hat, führt zum Verlust des Anspruchs (10 ObS 213/00x, SSV NF 14/100 mwN). Eine Pflicht des Versicherten zur Krankenbehandlung setzt ein entsprechendes Verlangen des Versicherungsträgers voraus. Stellt sich im gerichtlichen Verfahren heraus, dass ein Leidenszustand durch eine Krankenbehandlung verbessert werden könnte, so entsteht die Mitwirkungspflicht des Versicherten erst nach einem entsprechenden Verlangen des Versicherungsträgers. Dabei muss sich für den Versicherten eindeutig ergeben, dass die Missachtung des Verlangens des Versicherungsträgers als Sanktion den Leistungsverlust nach sich zieht (10 ObS 188/04a, SSV NF 20/13 ua).
2.1 Diese für den Bereich des Sozialversicherungsrechts bestehenden Duldungs und Mitwirkungspflichten bezüglich medizinischer Behandlungen werden in der Rechtsprechung auch aus den Bestimmungen über die Schadensminderungspflicht im Bereich des bürgerlichen Rechts abgeleitet, sodass die dazu in Lehre und Judikatur entwickelten Grundsätze als Richtlinien dienen können. Die gesetzliche Basis für die Pflicht des Geschädigten, den Schaden möglichst gering zu halten, ist nach herrschender Lehre in § 1304 ABGB zu finden. Die bürgerlich rechtlichen Verpflichtungen über die Schadensminderungspflicht beruhen auf dem Gedanken, dass derjenige, der die Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich scheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den Verlust oder die Kürzung seines Schadenersatzanspruchs hinnehmen muss. Im Sozialversicherungsrecht besteht die Konsequenz der Verweigerung einer zumutbaren Krankenbehandlung darin, dass dem Versicherten diejenige Ersatzleistung aberkannt wird, die mit dazu dienen soll, ein von der Sozialversicherung anerkanntes Risiko abzudecken. Dabei bezweckt die Sozialversicherung im Ergebnis nichts anderes als das bürgerlich rechtliche Schadenersatzrecht, das dem Geschädigten dann die Ersatzleistung des Schädigers vorenthält, wenn er es unterlässt, den eingetretenen Schaden zu mindern, obwohl er dazu in der Lage wäre (10 ObS 213/00x, SSV NF 14/100 mwN).
2.2 Eine Pflichtverletzung des Geschädigten ist für die Anwendung des § 1304 ABGB nur dann relevant, wenn sie für die Entwicklung des Schadens adäquat kausal geworden ist. Auch ein Versicherter, der seine Mitwirkungspflicht verletzt, kann rechtlich nicht anders beurteilt werden, als wenn er dieser Verpflichtung nachgekommen wäre. Könnte daher durch eine zumutbare Krankenbehandlung die herabgesunkene Arbeitsfähigkeit des Versicherten so weit gebessert werden, dass Invalidität bzw Berufsunfähigkeit (hier: Erwerbsunfähigkeit) nicht mehr vorliegt, so besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit (hier: Erwerbsunfähigkeit), wobei dieser „Pensionsentfall“ allerdings erst zu jenem Zeitpunkt eintritt, in dem die Heilbehandlung zu einer (kalkülsrelevanten) Verbesserung des Zustands tatsächlich geführt hat oder geführt hätte, wäre sie vom Versicherten durchgeführt worden (10 ObS 213/00x, SSV NF 14/100 mwN).
2.3 Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass der Kläger seine Mitwirkungspflicht schuldhaft verletzt hat, weil er sich der vom Sachverständigen bereits im Vorverfahren vorgeschlagenen fachärztlichen Behandlung seines depressiven Zustandsbildes durch ein geeignetes Antidepressivum nicht unterzogen und sich auch keiner anderen adäquaten ärztlichen Behandlung unterzogen hat. Der Kläger wurde im Vorverfahren unter Hinweis auf seine Mitwirkungspflicht und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung seiner Mitwirkungspflicht aufgefordert, sich dieser ihm zumutbaren fachärztlichen Behandlung zu unterziehen. Entscheidend ist somit im vorliegenden Fall, ob es dem Kläger im strittigen Zeitraum ab wieder möglich gewesen wäre, seine selbständige Erwerbstätigkeit im Transportgewerbe oder eine iSd § 133 Abs 2 GSVG vergleichbare selbständige Erwerbstätigkeit auszuüben, wenn er sich im Anschluss an das Vorverfahren jener fachärztlichen Behandlung unterzogen hätte, zu der er damals ausdrücklich aufgefordert wurde.
2.4 Nach ständiger Rechtsprechung ist in Sozialrechtssachen abgesehen von den hier nicht vorliegenden, besonders geregelten Fällen des § 87 Abs 4 ASGG von der Geltung der allgemeinen Grundsätze für die (objektive) Beweislastverteilung auszugehen (RIS Justiz RS0086050). Danach gilt die Grundregel, dass jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Normen zu beweisen hat. Das heißt, dass jeder, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, die rechtsbegründenden Tatsachen beweisen muss. Wer sich dagegen darauf beruft, dass ein Recht nicht wirksam geworden oder wieder beseitigt worden sei, muss die rechtshemmenden und rechtsvernichtenden Tatsachen beweisen (10 ObS 168/02g, SSV NF 16/66; 10 ObS 73/87, SSV NF 1/48 ua). So trifft beispielsweise in den Fällen einer Entziehung einer zuerkannten laufenden Leistung nach § 99 ASVG den Versicherungsträger die objektive Beweislast dafür, dass eine rechtlich relevante Besserung des bei Gewährung der Leistung bestandenen Zustands eingetreten ist. Ist dies erwiesen, so trifft den Versicherten die objektive Beweislast dafür, dass ungeachtet der eingetretenen Besserung, etwa bedingt durch zwischenzeitig neu eingetretene Leidenszustände oder aus anderen Gründen, die Voraussetzungen für den Anspruch nach wie vor bestehen (RIS Justiz RS0083813).
2.5 Die Behauptungs und Beweislast für eine Verletzung der Schadensminderungspflicht nach § 1304 ABGB trägt der Schädiger (RIS Justiz RS0027129). Analog dazu wurde auch im Sozialversicherungsrecht bereits mehrfach ausgesprochen, dass die schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht vom beklagten Versicherungsträger zu behaupten und zu beweisen ist (10 ObS 188/04a, SSV NF 20/13 mwN ua). Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats trifft daher den Versicherungsträger im Allgemeinen auch die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Pensionsleistung nicht mehr gegeben sind, wenn (sobald) sich der Versicherte einer ihm zumutbaren Behandlung unterzieht (10 ObS 121/01v, SSV NF 15/69; 10 ObS 81/99f, SSV NF 13/49 mwN ua). Diese allgemeine Regel, dass grundsätzlich den „Schädiger“ die Behauptungs- und Beweislast trifft, findet aber nach der Rechtsprechung dort eine Einschränkung, wo die Möglichkeit der Geringhaltung des Schadens naheliegt und es sich um Umstände handelt, die allein in der Sphäre des Geschädigten liegen und daher nur ihm bekannt und auch nur von ihm beweisbar sind (2 Ob 205/08y = EvBl 2009/142 [ Steininger ]; 1 Ob 234/04z; 4 Ob 41/95 ua; RIS Justiz RS0027129 [T8]). Wollte man diese Ansicht ablehnen (so Reischauer in Rummel , ABGB³ § 1304 Rz 44 und Steininger in ihrer Entscheidungsanmerkung in EvBl 2009/142, 961 ff [963]) käme man zu einem ähnlichen Ergebnis, weil überall dort, wo die Möglichkeit der Geringhaltung des Schadens naheliegt, prima facie ein Sachverhalt vorliegt, der für die Verletzung der Rettungspflicht spricht (4 Ob 150/02s; 2 Ob 188/01p mwN ua; RIS Justiz RS0027129 [T5]).
2.6 Im vorliegenden Fall liegt eine solche Möglichkeit der Geringhaltung des Schadens durch den Kläger nahe. Hätte sich der Kläger nach Abschluss des Vorverfahrens einer konsequenten antidepressiven Behandlung unterzogen, so wäre nach den Feststellungen der Vorinstanzen jedenfalls eine weitere Verbesserung seines Leistungskalküls zu erzielen gewesen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen in der Gutachtenserörterung am hätte man nur dann, wenn sich der Kläger der vom Sachverständigen vorgeschlagenen antidepressiven Behandlung unterzogen hätte, wirklich feststellen können, ob und inwieweit durch diese Behandlung eine (auch kalkülsrelevante) Verbesserung des Gesundheitszustands des Klägers eingetreten ist. Die Frage einer kalkülsrelevanten, die Erwerbsunfähigkeit beseitigenden Besserungsmöglichkeit des Gesundheitszustands des Klägers ist daher eindeutig allein der Sphäre des Klägers zuzuordnen. Die festgestellten Umstände sprechen jedenfalls prima facie für eine kalkülsrelevante, die Erwerbsunfähigkeit beseitigende Besserungsmöglichkeit des Gesundheitszustands des Klägers. Gegenteilige Anhaltspunkte dafür, um diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern, wurden nicht festgestellt und vom Kläger auch gar nicht geltend gemacht. Im vorliegenden Fall wäre es aber Sache des Klägers gewesen, im Einzelnen zu behaupten und zu beweisen, dass auch die von ihm im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht zu duldende fachärztliche Behandlung seines depressiven Zustandsbildes zu keiner kalkülsrelevanten, die Erwerbsunfähigkeit beseitigenden Besserung seines Gesundheitszustands geführt hätte. Dieser Beweis ist dem Kläger nicht gelungen.
2.7 Die unberechtigte Weigerung des Klägers, sich dieser Heilbehandlung zu unterziehen, hat daher zur Folge, dass dem Kläger für den hier strittigen Zeitraum ab kein Anspruch auf die von ihm begehrte Leistung zusteht.
3. Es erübrigt sich damit im vorliegenden Fall ein Eingehen auf die vom Berufungsgericht als Grund für die Zulassung der Revision bezeichnete Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen eine zu befristende Erwerbsunfähigkeitspension auch für einen kürzeren Zeitraum als für 24 Monate zuerkannt werden kann.
Es war daher in Stattgebung der Revision der beklagten Partei spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 und 2 lit b ASGG. Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revision gemäß § 77 Abs 1 Z 1 ASGG unabhängig vom Verfahrensausgang selbst zu tragen. Berücksichtigungswürdige Einkommens und Vermögensverhältnisse des Klägers iSd § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG, welche einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.