VfGH vom 25.02.1991, B838/90
Sammlungsnummer
12609
Leitsatz
Keine denkunmögliche oder willkürliche Versagung der Erteilung einer Bieterbewilligung für die Wiederversteigerung auf Grund der Annahme mangelnder Selbstbewirtschaftung
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird daher abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit Bescheid vom wies der Landesgrundverkehrsreferent gemäß § 10 Abs 3 iVm § 4 Abs 1 und § 6 Abs 1 litc des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, LGBl. Nr. 69/1983 idF LGBl. Nr. 45/1988 (im folgenden: GVG 1983), das Ansuchen des nunmehrigen Beschwerdeführers um Erteilung einer Bieterbewilligung für die am beim Bezirksgericht Innsbruck, zu Z 20 E299/86, stattfindende Wiederversteigerung der Liegenschaft EZ 938 KG Leutasch, bestehend aus den Grundstücken 2793/15 (im Ausmaß von 1.109 m2) und 2793/16 (im Ausmaß von 1.091 m2), ab, weil "von einer Selbstbewirtschaftung der landwirtschaftlichen Grundstücke in der Hand des Antragstellers ... nicht die Rede sein" könne.
2. Mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Z LGv - 933/4, wurde die dagegen erhobene Berufung des Bieterbewilligungswerbers als unbegründet abgewiesen. Im Bescheid führte die belangte Behörde im wesentlichen aus:
"Im Grundverkehrsrecht war seit jeher (§5 Abs 1 Z. 1 StGBl. Nr. 583/1919) auch der Gedanke tragend, 'es komme darauf an, ob ein ausreichender Grund zur Annahme vorliegt, daß der Erwerber das Gut nicht selbst bewirtschaften wird' (VfGH.Slg. 5683/1968). Demnach ist es in den durch das Grundverkehrsgesetz zu schützenden öffentlichen Interessen gelegen, daß die im Rahmen des Grundverkehrs erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke von den Erwerbern selbst im Rahmen eines land- bzw. forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet werden (vgl. VfGH.Slg. 7327/1976, 8518/1979).
In der vorzitierten Gesetzesstelle findet sich ein in die
Zukunft weisendes Moment ('... selbst bewirtschaften wird ...'),
welches von der Behörde die Fällung einer Prognoseentscheidung verlangt. ...
Der Erstinstanz muß ... beigepflichtet werden, ... daß in
Ansehung des Umstandes, daß der Rechtsmittelwerber den schon bisher in seinem Eigentum stehenden landwirtschaftlichen Besitz unbestrittenermaßen nicht selbst bewirtschaftet, sondern vielmehr verpachtet hat, der Schluß durchaus naheliegt, daß auch die streitgegenständlichen Grundstücke keiner dem Gesetz entsprechenden Selbstbewirtschaftung zugeführt werden sollen (auf das Erk. d. VfGH. vom , B319/83-21, wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich verwiesen). Aber auch die übrigen Erklärungen des rechtsfreundlich vertretenen Berufungswerbers im Verwaltungsverfahren können nicht genügen, um die Besorgnis im Sinne des § 6 Abs 1 litc GVG 1983 zu zerstreuen. ...
... Wenn der Rechtsmittelwerber ... die Meinung vertritt, daß
eine Selbstbewirtschaftung im Sinne des GVG 1983 auch im Pachtwege
bzw. gegen Entgelt durch Dritte erfolgen könne, verkennt er die
Rechtslage. Was unter dem Begriff 'Selbstbewirtschaftung' zu
verstehen ist, kann ... weder dem Grundverkehrsgesetz noch anderen
... landesgesetzlichen Regelungen entnommen werden, auf Grund des
sprachlichen Sinnes und dem Zweck der Regelung ist aber davon
auszugehen, daß vom Gesetzgeber damit die persönliche
Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Anwesens durch den
Eigentümer bzw. Betriebsinhaber verlangt wird (vgl. dazu ... die
Erk. d. VfGH. vom , B218/85-9, und vom , B196/83-11, u.a.). Nichts zu gewinnen ist schließlich mit der vom Berufungswerber ins Treffen geführten Möglichkeit einer Arrondierung, zumal für derartige Überlegungen im Hinblick auf den aufgezeigten Widerspruch zu den Schutzinteressen des § 4 Abs 1 GVG 1983 kein Platz bleibt."
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, allenfalls die Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs 1 litc letzter Teilsatz GVG 1983 geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
4.1. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums erblickt der Beschwerdeführer in einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung. Der Beschwerdeführer habe unwiderlegt vorgebracht, daß der Erwerb der in Rede stehenden Grundstücke dem Zweck einer Arrondierung dienen solle; aus § 6 Abs 1 lite und f GVG 1983 ergebe sich mit aller Deutlichkeit, daß Arrondierungen dem öffentlichen Interesse entsprechen. Des weiteren entspreche es den Zielen des GVG 1983, landwirtschaftliche Güter "gesund und krisenfest zu machen" (§5 Z 2 GVG 1983). Die Bieterbewilligung hätte dem Beschwerdeführer somit schon aufgrund der Generalklausel des § 4 Abs 1 GVG 1983 erteilt werden müssen.
Selbst wenn die Ansicht der belangten Behörde zuträfe, es sei zu besorgen, daß er die zu ersteigernden Grundstücke nicht selbst bewirtschaften würde, hätte ihm nach Abwägung aller Zielsetzungen des GVG 1983 die Bewilligung erteilt werden müssen.
Mit Erkenntnis VfSlg. 2820/1955 habe der Verfassungsgerichtshof nämlich ausgesprochen, daß die Übertragung des Eigentums, aber auch die Verpachtung, nur dann zulässig sei und von der Behörde bewilligt werden solle, wenn sie dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes und an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspreche. An dieser Rechtsprechung habe der Verfassungsgerichtshof auch in der Folge festgehalten. Das Erfordernis einer Selbstbewirtschaftung sei daher im Kompetenzbegriff "Grundverkehr" nicht gedeckt, sodaß § 6 Abs 1 litc verfassungsrechtlich bedenklich sei.
Eine Verletzung des Gleichheitssatzes macht der Beschwerdeführer mit der Begründung geltend, daß die belangte Behörde im Widerspruch zu den Erhebungsergebnissen festgestellt habe, daß er seine Wiesen an eine dritte Person verpachtet habe; in Wahrheit habe der Beschwerdeführer dieser lediglich gestattet, das Heu auf einem Teil der Wiesen entgeltlich zu gewinnen. Die belangte Behörde hätte auch - entgegen der im Bescheid getroffenen Aussage, daß niemandem in der Gemeinde bekannt sei, wo die vom Beschwerdeführer angeblich gehaltenen Schafe untergebracht seien - ohne besondere Umstände feststellen können, daß seine 16 Schafe im Bergleintal von einem Hirten betreut werden. Schon aufgrund dieser verfehlten Feststellungen sei der Gleichheitsgrundsatz verletzt.
Die Behörde habe aber auch das Gesetz qualifiziert unrichtig ausgelegt. Der angefochtene Bescheid stütze sich darauf, daß eine Selbstbewirtschaftung nur dann vorliege, wenn der Betriebsinhaber durch persönliche Handanlegung im Betrieb tätig sei. Dieser Auslegung des Begriffes "Selbstbewirtschaftung" eines landund/oder forstwirtschaftlichen Betriebes lägen archaische Strukturen der Land- und Forstwirtschaft zugrunde. Der frühere Bauer sei längst zum Landwirt geworden und in das allgemeine Wirtschaftsleben eingegliedert. Das GVG 1983 schreibe keine bestimmte Art der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung von Grund und Boden vor. Wollte man der Auslegung der belangten Behörde folgen, dann wäre § 6 Abs 1 litc letzter Teilsatz GVG 1983 auch aus diesem Grunde verfassungsrechtlich bedenklich.
Zusammenfassend wird vom Beschwerdeführer darauf verwiesen, daß er seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, der ca. 17 ha Wald (einschließlich der Teilwälder) und über 7,8 ha Wiesen umfasse, selbst führe, weil er alle Entscheidungen wie ein Unternehmer treffe.
4.2.1. Der Verfassungsgerichtshof verweist zunächst auf seine Vorjudikatur, in der er § 6 Abs 1 litc GVG 1983 im Hinblick auf das Erfordernis der Selbstbewirtschaftung verfassungsrechtlich für unbedenklich erachtet hat (insbesondere VfSlg. 7538/1975, 7546/1975, 7881/1976, 8718/1979, 9063/1981, zuletzt , sowie B1563/89). Auch aufgrund des vorliegenden Beschwerdefalles sieht er keine Veranlassung, hievon abzugehen.
4.2.2. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen könnte eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums nur im Falle einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung (vgl. VfSlg. 10356/1983, 10482/1985), eine Gleichheitsverletzung nur im Falle von Willkür (vgl. VfSlg. 10413/1985) vorliegen.
Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung im Sinne der eben zitierten Judikatur läge nur dann vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985).
All dies liegt offenkundig nicht vor.
Die belangte Behörde hat ein eingehendes Ermittlungsverfahren durchgeführt, aus dem sich ergibt, daß der Beschwerdeführer mit seiner Familie einen Campingplatz samt Cafe-Restaurant, Tennisplätzen, geheiztem Schwimmbad sowie Appartements in Leutasch betreibt und weiters über Ferienwohnungen verfügt; er ist auch als Obmann des Fremdenverkehrsverbandes in Leutasch tätig.
Wie sich aus der Aktenlage ergibt, wird die Gesamtfläche der dem Beschwerdeführer gehörenden landwirtschaftlichen Liegenschaften im Ausmaß von 7,9 ha im wesentlichen von einer dritten Person, welche in Neu-Leutasch eine neue Hofstelle errichtet hat, entgeltlich bewirtschaftet. Daß die belangte Behörde diesen Sachverhalt rechtlich als Verpachtung gewertet hat, ist jedenfalls nicht unvertretbar. Eine in die Verfassungssphäre reichende Fehlerhaftigkeit ist darin selbst dann nicht gelegen, wenn dieser Wertung nicht beizupflichten wäre. Ebensowenig ist der vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, weil von der Behörde nicht festgestellt worden sei, wo seine Schafe untergebracht sind, obgleich dies ohne besondere Umstände möglich gewesen wäre, geeignet, einen in die Verfassungssphäre reichenden Fehler darzutun; daß die Schafe vom Beschwerdeführer selbst betreut würden, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet.
Der Verfassungsgerichtshof vermag auch unter Berücksichtigung der gesamten beruflichen Tätigkeiten des Beschwerdeführers der Auffassung der belangten Behörde, daß eine Selbstbewirtschaftung des landwirtschaftlichen Eigenbesitzes durch den Beschwerdeführer nicht vorliegt, nicht entgegenzutreten, zumal die belangte Behörde sich zutreffend auf die Vorjudikatur des Verfassungsgerichtshofes stützt, von der abzugehen, keine Veranlassung besteht.
Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte liegt somit nicht vor.
4.3. Das Verfahren hat aber auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.