OGH vom 29.07.2015, 9ObA80/15b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Mag. Robert Brunner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei L***** T*****, vertreten durch Mahringer Steinwender Bestebner Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei N***** GmbH, *****, vertreten durch Pallauf Meissnitzer Staindl Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 467,50 EUR brutto sA (Revisionsinteresse: 282,18 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 11 Ra 24/15a 11, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 18 Cga 113/14a 7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin war bei der Beklagten vom bis als Raumpflegerin im Ausmaß von drei Stunden täglich, und zwar Montag bis Freitag von jeweils 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr teilzeitbeschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung der Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis waren bis der Kollektivvertrag für Denkmal-, Fassaden und Gebäudereiniger für das Bundesland Salzburg (kurz KV alt) und ab der Kollektivvertrag für Denkmal-, Fassaden und Gebäudereiniger für Österreich (kurz: KV neu) anwendbar.
Zwischen den Parteien ist strittig, mit welchem Zuschlag das am Ende des Arbeitsverhältnisses offene Zeitguthaben der Klägerin von insgesamt 110,5 Stunden, davon 36,5 Stunden aus dem Jahr 2012, 52,5 Stunden aus dem Jahr 2013 und 21,5 Stunden aus dem Jahr 2014, zu vergüten ist. Während die Klägerin ihre offenen Mehrarbeitsstunden gemäß § 19e Abs 2 erster Satz AZG mit einem Zuschlag von 50 % abgegolten haben will, bestreitet die Beklagte, dass es sich beim offenen Zeitguthaben um Mehrarbeitsstunden handle; andernfalls sei nur eine Vergütung der offenen Arbeitsstunden mit den niedrigeren kollektivvertraglichen Zuschlägen von 5 % bis und von 25 % ab berechtigt.
Das Berufungsgericht gab über Berufung der Klägerin in teilweiser Abänderung der Entscheidung des Erstgerichts dem Klagebegehren zur Gänze statt. Mangels abweichender Regelung in den Kollektivverträgen seien die offenen Mehrarbeitsstunden gemäß § 19e Abs 2 AZG mit einem Zuschlag von 50 % zu vergüten.
Das Berufungsgericht ließ die Revision zur Frage zu, ob der bis in Geltung gestandene Kollektivvertrag für Denkmal-, Fassaden und Gebäudereiniger für das Bundesland Salzburg und der ab anwendbare Kollektivvertrag für Denkmal , Fassaden und Gebäudereiniger für Österreich eine von § 19e AZG abweichende Regelung enthalten.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Kommt er dieser Verpflichtung wie im gegenständlichen Fall nicht nach, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts zurückzuweisen (8 Ob 117/14k; 9 ObA 118/14i ua; RIS Justiz RS0043080).
Die Revisionswerberin verweist nur auf die Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts. In der Revision stützt die Beklagte ihre Rechtsansicht, der in § 19e Abs 2 AZG vorgesehene Zuschlag von 50 % „für Überstunden“ sei auf das zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses offene Zeitguthaben der teilzeitbeschäftigten Klägerin nicht anzuwenden, auf die Regelungen des § 12 KV alt und des § 10 Abs 10 KV neu.
§ 19e AZG enthält Bestimmungen über die Abgeltung von offenem Zeitguthaben am Ende des Arbeitsverhältnisses. Nach § 19e Abs 2 AZG gebührt für Guthaben an Normalarbeitszeit ein Zuschlag von 50 %. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt. Der Kollektivvertrag kann Abweichendes regeln.
§ 12 KV alt regelt die Vergütung von (im KV näher definierten) Mehrarbeitsstunden mit 5 %. Der KV neu definiert in § 10 Abs 10 Mehrarbeitsstunden als von Teilzeitbeschäftigten über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit geleistete Stunden und sieht dafür, sofern diese Mehrarbeitsstunden nicht gemäß § 10 Abs 11 KV neu ausgeglichen werden, einen Zuschlag von 25 % vor. Das Berufungsgericht führte zu diesen Bestimmungen aus, dass damit nur eine Zuschlagsregelung für Mehrarbeitsstunden für den Fall eines noch aufrechten Arbeitsverhältnisses getroffen worden sei. Den Kollektivvertragsparteien könne sowohl nach dem Wortsinn als auch dem Systemzusammenhang dieser Regelungen nicht unterstellt werden, dass sie damit auch eine Regelung für den spezielleren Fall der Abgeltung von aufrechten Zeitguthaben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses treffen wollten.
Diese Rechtsansicht begegnet beim erkennenden Senat keinen Bedenken. Die Auslegung des Berufungsgerichts erscheint vielmehr klar und eindeutig, weshalb ihr keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt (9 ObA 26/14k; 8 ObA 74/14m ua; RIS Justiz RS0109942 [T1, T 6]). Abgesehen davon setzt sich die Revision mit der vom Berufungsgericht vorgenommenen Kollektivvertragsauslegung nicht einmal ansatzweise auseinander. Die Revisionsausführungen erschöpfen sich in der Wiedergabe der Kollektivvertragsbestimmungen und der (bloßen) Schlussfolgerung, dass der in § 19e Abs 2 AZG vorgesehene Zuschlag „für Überstunden“ von 50 % nicht anzuwenden sei und die kollektivvertraglichen Regelungen einschlägig seien. Insofern ist die Rechtsrüge auch nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RIS Justiz RS0043603 [T9]; RS0043312 [T13]), weshalb insoweit keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage zur Darstellung gebracht wird (vgl RIS Justiz RS0043654).
Die Revisionswerberin zeigt aber auch mit ihrer Behauptung, die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts sei unrichtig, weil die von der Klägerin geleisteten und zum Zeitpunkt des Endes des Arbeitsverhältnisses noch offenen „Einarbeitungsstunden“ nicht als Mehrarbeitsstunden anzusehen seien, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Soweit die Beklagte ihren Revisionsausführungen zugrunde legt, dass mit der Klägerin eine Arbeitszeit von 3,5 Stunden an Schultagen vereinbart worden sei, geht sie überdies nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (RIS Justiz RS0043312 [T3, T 14]).
Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision in seiner Revisionsbeantwortung nicht hingewiesen (RIS Justiz RS0035979).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00080.15B.0729.000