OGH vom 20.02.2002, 9ObA296/01x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Jörg Krainhöfner und Mag. Bernhard Achitz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. S*****W*****, Magistratsbediensteter, ***** vertreten durch Dr. Walter Müller ua, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Michael Brunner und Dr. Elmar Reinitzer, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 7.738,20 sA (Revisionsinteresse EUR 6.964,24), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 289/01a-39, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 8 Cga 89/99x-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,38 (darin enthalten EUR 83,23 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der Kläger Anspruch auf Ersatz restlicher Kosten des Learjet-Typerating und des Fluges Wien-Mailand-Wien habe, zutreffend verneint. Auf die Begründung der Berufungsentscheidung wird hingewiesen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers Folgendes entgegenzuhalten:
Die Parteien - die Beklagte betrieb Ambulanzflüge mit einem Luftfahrzeug Learjet 36A, der Kläger war halbtags als Studienassistent tätig - schlossen am einen als "Werk- bzw freien Dienstvertrag" bezeichneten Rahmenvertrag, wonach der Kläger für jeden künftighin zustandekommenden Einzelvertrag über seinen Einsatz als Co-Pilot pro Flugrotation ein Honorar von ATS 2.500 bekomme. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien (ON 3, AS 11; ON 33, AS 191) war es dem Kläger immer möglich, eine Anfrage der Beklagten, ob er bei einem kommenden Einsatz als Co-Pilot zur Verfügung stehe, abzulehnen. Mangels Arbeitsverpflichtung des Klägers kann daher der Rahmenvertrag selbst weder ein Arbeitsvertrag noch eine freier Dienst- oder ein Werkvertrag gewesen sein (Krejci in Rummel, ABGB³ § 1151 Rz 6, 83 und 92; Wachter, DRdA 1984, 405; Schäffl, ZAS 1989/19, 139; DRdA 1998/3 [Mazal] ua). Es bestand auch keine Pflicht des Klägers zur Einsatzbereitschaft.
Die Rechtsnatur der drei von den Parteien in loser Folge auf Grund des Rahmenvertrages abgeschlossenen Einzelverträge kann hier ebenfalls dahingestellt bleiben. Selbst wenn man mit dem Kläger das Vorliegen eines bzw mehrerer Arbeitsverhältnisse mit der Beklagten annähme, wäre für seinen Standpunkt, der sich auf einen (angeblich) berechtigten vorzeitigen Austritt vom im Anschluss an den letzten Einsatz gründet, nichts gewonnen. Seine ursprünglich diesem Austritt zugrundegelegten Behauptungen (strafgesetzwidriges Verhalten des Kapitäns der Beklagten auf dem Ambulanzflug Wien-Madras-Wien; Unvereinbarkeit einer weiteren Tätigkeit mit dem Gewissen des Klägers; Sicherheitsverstöße der Beklagten im Zusammenhang mit den gebotenen Zwischenlandungen und vorgeschriebenen Treibstoffmengen) wurden nämlich vollständig widerlegt. Auf die vom Kläger zuletzt herangezogene, bloß einmalige Überschreitung von Einsatzzeiten auf dem Ambulanzflug Wien-Madras-Wien, wodurch es laut Feststellungen der Tatsacheninstanzen zu keiner Gefährdung der Flugsicherheit kam, könnte entgegen der Auffassung des Revisionswerbers kein vorzeitiger Austritt gegründet werden. Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger nie die Einhaltung der im "Flight Operations Manual" (vgl hiezu Arb 11.799) festgelegten Einsatz- und Ruhezeiten verweigert; sie wurde auch vom Kläger nie besonders zur Einhaltung der Einsatz- und Ruhezeiten aufgefordert, was ebenfalls erkennen lässt, dass es sich bei dieser Frage um kein besonderes Thema zwischen den Parteien gehandelt hat, das für den Kläger und die Fortsetzung seiner Tätigkeit relevant gewesen wäre (vgl Martinek/Schwarz/Schwarz aaO 580 f; RIS-Justiz RS0028784). Auf die Ausführungen des Revisionswerbers zur Rechtsnatur der Vertragsbeziehung der Parteien braucht daher nicht näher eingegangen werden; bei keiner Konstellation ergibt sich hieraus etwas für den Standpunkt des Klägers. Es können deshalb auch die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichtes dahingestellt bleiben.
Die drei zwischen den Parteien im Zeitraum bis zustandegekommenen Einzelverträge vom 9./ (Wien-Baku-Paris-Wien), (Wien-Istanbul-Wien) und 22./23.
6. 1999 (Wien-Madras-Wien) wurden abgewickelt. Die Entscheidung des Erstgerichtes, dass dem Kläger noch ein restlicher Betrag von ATS
5.460 sA für die beiden letzten Einsätze zustehe, ist in Teilrechtskraft erwachsen. Der Flug vom (Wien-Mailand-Wien) war kein Ambulanzflug auf Grund des Rahmenvertrages, sondern ein normaler Passagierflug, auf dem der Kläger über sein Ersuchen mitgenommen wurde; insoweit der Revisionswerber dies bei seinen rechtlichen Ausführungen negiert und ein Honorar fordert, geht er nicht von den bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen aus (Kodek in Rechberger, ZPO² § 503 Rz 5).
Die bisherige Rechtsprechung hat sich zum Thema "Ausbildungskosten" vor allem mit der Frage auseinandergesetzt, ob Vereinbarungen zulässig und wirksam sind, nach denen der Arbeitnehmer die Kosten einer ihm zunächst grundsätzlich unentgeltlich zugesicherten Ausbildung nachträglich bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (in aller Regel bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf einer bestimmten Zeit) zurückzahlen muss. Solche Vereinbarungen werden unter der Voraussetzung als wirksam anerkannt, dass dadurch das dem Arbeitnehmer zustehende Kündigungsrecht nicht unzumutbar beschränkt wird und kein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt. Ein Verstoß gegen die guten Sitten wird dann angenommen, wenn die Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen ergibt, so etwa wenn dem Ausgebildeten das alleinige und beachtliche finanzielle Risiko der Ausbildung aufgebürdet wird oder wenn die Erfüllung der Verpflichtung eine unverhältnismäßig große Belastung bedeutet (SZ 45/122; SZ 58/189; DRdA 1990/19 [Resch]; RdW 1998, 97; 8 ObA 144/00k; infas 2001, A 90 ua).
Im vorliegenden Fall wurde jedoch von den Parteien ein anderer Weg gewählt: Der Kläger sollte selbst für die Finanzierung der Kosten des Learjet-Typeratings - er war laut Klage bereits vollständig ausgebildeter Linienpilot und verfügte über einen Co-Pilotenberechtigung für sämtliche Gewichtsklassen - aufkommen und zu diesem Zweck einen Kredit mit einer Laufzeit von 30 Monaten aufnehmen. Die Beklagte wäre aber in der Folge bereit gewesen, die Kreditraten zu bedienen, solange der Rahmenvertrag zwischen den Parteien aufrecht ist. Eine gesetzliche Verpflichtung der Beklagten, den Kläger auszubilden, bestand nicht. Wenn überhaupt, könnte daher als möglicher Rechtsgrund für das Klagebegehren, die Beklagte sei auch noch nach Beendigung des Rahmenvertrages durch den Kläger verpflichtet, für den offenen Kredit aufzukommen, nur die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung in Betracht kommen. Eine für eine solche Wertung erforderliche grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen des Klägers durch einseitige Betonung der Interessen der Beklagten ist aber hier nicht zu erkennen. Die Beklagte hat unzweifelhaft mit der getroffenen Finanzierungskonstruktion auch eigene Interessen verfolgt. Demgegenüber stehen aber auch Interessen des Klägers, der auf diese Weise in die Lage versetzt wurde, auf eine für ihn kostengünstige Art - hätte er nicht den Rahmenvertrag vor Ablauf der Kreditlaufzeit von 30 Monaten einseitig beendet - das Learjet-Typerating zu erwerben, das ihm unabhängig von einer Tätigkeit für die Beklagte auch weiterhin zur Verfügung steht. Dass in Österreich bei Beendigung des Rahmenvertrages durch den Kläger nur einziges Flugzeug der Type Learjet 36A im Einsatz war, mindert den Nutzen nicht entscheidend, weil zum einen festgestellt wurde, dass es bei Piloten international üblich ist, dass der Einsatz auch von Flughäfen im Ausland erfolgt, und zum anderen im benachbarten Ausland (Schweiz, Deutschland, Italien) noch zahlreiche, weltweit sogar noch hunderte derartiger Maschinen im Einsatz sind (vgl RdW 1990, 321, worin ebenfalls bereits darauf abgestellt wurde, dass ein bestimmter Flugzeugtyp weit verbreitet ist und bei zahlreichen Flugunternehmungen zum Einsatz kommt).
Das vom Revisionswerber aufgeworfene Problem, dass die Ausbildungskosten in keinem vernünftigen Verhältnis zu den Verdienstmöglichkeiten standen, stellt sich hier schon deshalb nicht, weil die Beklagte ohnehin bereit gewesen wäre, die Kreditraten zu bezahlen, solange der Rahmenvertrag aufrecht ist. Die Nichtigkeitsüberlegungen des Revisionswerbers gehen daher von einem anderes gelagerten Sachverhalt aus. Dass der Kläger den Rahmenvertrag aus eigenem Antrieb bereits vor Ende der Kreditlaufzeit von 30 Monaten - und damit vor dem Ende der von der Beklagten für die aufrechte Vertragsdauer angebotenen Kreditzahlungen - einseitig beendete, lag ausschließlich in seiner Ingerenz (vgl Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht8 380 f; Trattner, ASoK 1999, 351; RdW 1998, 97 ua).
Unter den hier gegebenen Umständen fehlt es daher an einem Anhaltspunkt für eine grob einseitige und damit sittenwidrige Vertragsgestaltung, sodass es dem Klagebegehren auch hinsichtlich der restlichen anteiligen Kosten des Learjet-Typeratings an einer rechtfertigenden Grundlage mangelt (vgl RdW 1990, 321). Ein Rechtsgeschäft, das dem Kautionsschutzgesetz widerspricht, liegt nicht vor; der Revisionswerber blieb insoweit auch eine über die bloße Benennung des Gesetzes hinausgehende nähere Substantiierung dieses Einwandes schuldig.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagten gebührt für ihre Revisionsbeantwortung gemäß § 23 RATG nur der einfache Einheitssatz von 60 %, und nicht, wie verzeichnet, 180 % (vgl 9 Ob 261/00y; 7 Ob 115/01i; 9 ObA 118/01w ua).