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OGH vom 25.10.1988, 10ObS57/88

OGH vom 25.10.1988, 10ObS57/88

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und durch die fachkundigen Laienrichter Mag.Robert Renner (Arbeitgeber) und Dipl.-Ing.Herbert Ehrlich (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Karl S***, Pensionist, 8010 Graz, Naglergasse 60, vertreten durch Dr.Hella Ranner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei

P*** DER A***, 1021 Wien, Friedrich

Hillegeist-Straße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Wegfalls einer vorzeitigen Alterspension und Rückersatzes eines Überbezuges dieser Leistung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 1086/87-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 36 Cgs 129/87-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom sprach die beklagte Partei aus, daß die dem Kläger gewährte vorzeitige Alterspension (bei langer Versicherungsdauer) mit wegfalle und ab wieder auflebe, und schrieb den infolge der Leistungsänderung entstandenen Überbezug von S 183.762,80 nach § 107 Abs 1 ASVG zum Rückersatz vor.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage brachte der Kläger vor, er habe keine Einkünfte aus Erwerbstätigkeit erzielen können, sondern vielmehr erhebliche Verluste aus Gewerbebetrieb verzeichnen müssen, deren Abdeckung ohne die Pension nicht möglich wäre. Laut Steuerbescheid vom sei ihm im Jahr 1984 nach Verlustabzug ein Einkommen von nur S 9.757,-- verblieben. Dieser Steuerbescheid sei durch den auf Grund einer Betriebsprüfung berichtigten Bescheid vom berichtigt worden, wobei wesentlich geringere Einkünfte festgestellt worden seien. Der Kläger habe 1984 zur Verringerung eines Betriebsmittelkredites S 514.480,-- geleistet, was zu einer Verringerung seines Einkommens geführt habe. Er beantragte daher, die beklagte Partei zur Unterlassung der Rückforderung des erwähnten Betrages zu verurteilen. Die beklagte Partei beantragte, die Klage abzuweisen und den Kläger zum Rückersatz des erwähnten Überbezuges binnen 14 Tagen zu verpflichten, und wendete im wesentlichen ein, daß der Kläger im Jahr 1984 aus einem Gewerbebetrieb Einkünfte von S 257.185,-- erzielt habe. Verlustvorträge aus früheren Jahren könnten zwar nach steuerlichen Vorschriften vom Einkommen abgezogen werden, seien jedoch bei der Ermittlung des Erwerbseinkommens nicht zu berücksichtigen.

Das Erstgericht wies die Klage ab und verurteilte den Kläger, der beklagten Partei S 183.762,80 in monatlichen Teilbeträgen von S 5.000,-- ab Rechtskraft dieses Urteils zu zahlen.

Es ging dabei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Der Kläger bezog von der beklagten Partei seit eine vorzeitige Alterspension (bei langer Versicherungsdauer). Seine diesbezüglichen Einkünfte betrugen 1984 S 188.165,--. Vor (und nach) seiner Pensionierung betrieb er einen Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit aus der Schweiz importiertem DurothermGeschirr. Die Agentur wurde mit zwei Beschäftigten geführt, die zugleich kaufmännische Angestellte und Vertreter waren. Das Handelsgewerbe wurde mit behördlich gelöscht. Das Unternehmen ermittelte den Gewinn nach § 4 Abs 1 Einkommensteuergesetz. Für das Jahr 1984 ergaben sich folgende Bilanzwerte zum 1.Jänner und 31. Dezember: Aktiva und Passiva von S 4,261.982,43 bzw S 2,816.309,28, Betriebs- und Geschäftsausstattung: S 61.252,-- bzw S 44.943,--, für die Adaptierung des Geschäftes in 8010 Graz, Morellenfeldgasse 15 S 44.939,-- bzw S 38.947,--, für die Adaptierung des Geschäftes in 1010 Wien, Rauchfangkehrergasse 40 S 13.496,-- und S 0,--, für die Fahrzeuge S 139.683,-- bzw S 104.938,--, für eine Investitionsablöse S 162.500,-- bzw S 137.500,--; für Abnützung wurden 1984 S 17.037,-- abgesetzt. Zum errechnet sich ein Minuskapital von S 1,629.329,79. Die Privatentnahmen betrugen S 12.200,-- (monatlich), eine Privateinlage von S 1,212.816,14 stammt aus dem Verkaufserlös eines Hauses in Weiz, womit das Konto Nr 0009-136573 bei der S*** W*** zum abgedeckt wurde. Die Bankschulden betrugen ohne die gerade erwähnten Schulden am S 1,414.751,69, am S 1,970.826,31, die Lieferantenschulden machten am S 169.274,86 aus. Die kurzfristigen Verbindlichkeiten wurden zum mit S 551.197,90, zum mit S 230.009,11 verzeichnet. Die Ehegattin des Klägers lieh ihm insgesamt S 413.597,--. Die Betriebseinnahmen betrugen bei einem Wareneinsatz von S 1,357.735,67 S 3,478.216,60, für Betriebsausgaben wurden S 1,863.296,08 benötigt. Der steuerliche Bilanzgewinn beläuft sich auf rund S 257.185,--. Laut Abgabebescheid 1984 betrug die Umsatzsteuer S 242.074,--, die Einkommensteuer und die Gewerbesteuer betrugen S 0,--. Auf Grund der Betriebsprüfung blieben die Umsatzsteuer und die Einkommensteuer unverändert, während die Gewerbesteuer mit S 27.954,-- festgesetzt wurde. Der Einheitswert des Betriebsvermögens betrug zum S 2,962.000,--, das "wirtschaftliche Reinvermögen" des Klägers betrug 1984 mit Lohnsteuer monatlich S 24.675,-- und ohne Lohnsteuer S 20.965,--. Die monatlichen Privatentnahmen betrugen - wie schon erwähnt - S 12.200,--. Der Cash-flow I machte S 311.231,--, der Cash-flow II S 657.585,-- aus.

Bei der rechtlichen Beurteilung schloß sich das Erstgericht dem Standpunkt der beklagten Partei an.

Dagegen erhob der Kläger Berufung wegen mangelhafter Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er begehrte die Feststellung, daß er 1984 für das Kreditkonto Nr 80.481 bei der R*** W*** S 514.480,-- zurückgezahlt

habe, und bekämpfte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß unter Erwerbseinkommen im Sinn des § 253 (b) ASVG die von der Steuerbehörde bescheidmäßig festgestellten Einkünfte zu verstehen seien. Vielmehr seien die tatsächlich geleisteten Kreditrückzahlungen als weiterer Abzugsposten zu berücksichtigen. Dem für das Geschäftsjahr 1984 ausgewiesenen Bilanzgewinn seien daher die Tilgung von Betriebsschulden gegenüber zu stellen, so daß der Kläger im genannten Jahr keine Einkünfte bezogen habe. Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Maßgebend für das Ruhen nach § 94 ASVG sei das für das Jahr 1984 ermittelte Erwerbseinkommen aus der selbständigen Erwerbstätigkeit des Klägers. Der steuerliche Bilanzgewinn aus dem Gewerbebetrieb habe in diesem Jahr S 257.185,-- betragen. Die monatlichen Privatentnahmen seien mit S 12.000,-- (richtig: S 12.200,--) errechnet worden. Selbst wenn der Kläger dieses gesamte Erwerbseinkommen zur Tilgung von Bankschulden verwendet hätte, könnte das das hier maßgebende Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit nicht vermindern, weil damit nicht etwa im Jahr 1984 entstandene Betriebsschulden, sondern aus den Vorjahren stammende Bankschulden getilgt worden seien. Andernfalls könnte der Pensionsberechtigte zu Lasten des Versicherungsträgers vielleicht Jahre zurückliegende Verbindlichkeiten abdecken. Die Ruhensbestimmungen hätten den Zweck, Doppel- oder Mehrfachleistungen, die nicht berechtigt wären, weil die Pension einen Ersatz für das entfallene Arbeitseinkommen sein solle, zu vermindern. Entscheidend sei, daß der Kläger die Einkünfte aus der selbständigen Erwerbstätigkeit zur Deckung seiner Bedürfnisse verwenden habe können. Das zeigten die monatlichen Privatentnahmen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung. Die zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Während der Anspruch auf (normale) Alterspension nach § 253 Abs 1 ASVG an die besondere Voraussetzung geknüpft ist, daß der (die) Versicherte am Stichtag (§ 223 Abs 2) weder in der Pensionsversicherung nach dem ASVG noch nach dem GSVG noch nach dem BSVG pflichtversichert ist, und das Zusammentreffen eines solchen Anspruches mit einem daneben erzielten Erwerbseinkommen aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit nach § 94 Abs 1 ASVG nur zu einem teilweisen Ruhen der (normalen) Alterspension führt, ist der Anspruch auf eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach § 253 b Abs 1 ASVG ua an die besondere Voraussetzung geknüpft, daß der (die) Versicherte am Stichtag (§ 223 Abs 2) weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig ist, wobei eine Erwerbstätigkeit, auf Grund derer ein Erwerbseinkommen bezogen wird, das das nach § 5 Abs 2 lit c ASVG jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen nicht übersteigt, unberücksichtigt bleibt. Die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer fällt nach § 253 b Abs 2 ASVG mit dem Tag weg, an dem der (die) Versicherte eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit aufnimmt. Eine Erwerbstätigkeit, auf Grund derer ein Erwerbseinkommen bezogen wird, das das nach § 5 Abs 2 lit c ASVG jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen (1984 S 2.189,-- - BGBl 1983/638) nicht übersteigt, bleibt hiebei unberücksichtigt. Ist die Pension aus diesem Grund weggefallen, so lebt sie auf die dem Träger der Pensionsversicherung erstattete Anzeige über das Ende der Erwerbstätigkeit im früher gewährten Ausmaß mit dem dem Ende der Erwerbsfähigkeit folgenden Tag wieder auf.

Daher bewirkt die Aufnahme jeder Erwerbstätigkeit, auf Grund derer ein die Geringfügigkeitsgrenze übersteigendes Erwerbseinkommen bezogen wird, den Wegfall einer vorzeitigen Alterspension (MGA ASVG 46. ErgLfg, 1282 Anm 5 zu § 253 a).

Bei diesem "Wegfall" der vorzeitigen Alterspension handelt es sich wegen des möglichen Wiederauflebens der Pension um eine Art gänzliches Ruhen (vgl § 61 Abs 1 GSVG und § 57 Abs 1 BSVG; MGA ASVG 45. ErgLfg 578 Anm 3 zu § 99; Teschner in Tomandl, SV-System 3. ErgLfg 357 FN 5). Ein solcher "Wegfall" ist daher - anders als das Erlöschen von Leistungsansprüchen im Sinn des § 100 ASVG - nach § 367 Abs 1 ASVG durch Bescheid festzustellen. Die Frage, ob der Kläger im Jahr 1984 eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, auf Grund derer ein die oben genannte Geringfügigkeitsgrenze übersteigendes Einkommen bezogen wurde, wurde von den Vorinstanzen mit Recht bejaht.

Da es sich beim Wegfall einer vorzeitigen Alterspension - wie schon erwähnt - um eine Art gänzliches Ruhen dieser Pension handelt, kann die im Abs 3 des das teilweise Ruhen von anderen Pensionen wegen Zusammentreffens mit Erwerbseinkommen regelnden § 94 ASVG gegebene Definition, was als Erwerbseinkommen aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit gilt, auch für den im § 253 b ASVG verwendeten Erwerbseinkommensbegriff übernommen werden (vgl auch Radner-Steingruber-Windhager-Engl, Bauernsozialversicherung2 3. Lfg 431 Anm 4 und 434-2 Anm 9 jeweils zu § 122 BSVG).

Nach § 94 Abs 3 ASVG gilt als Erwerbseinkommen im Sinne des Abs 1 bei einer gleichzeitig ausgeübten

a) unselbständigen Erwerbstätigkeit das aus dieser Tätigkeit gebührende Entgelt;

b) selbständigen Erwerbstätigkeit der auf den Kalendermonat entfallende Teil der nachgewiesenen Einkünfte aus dieser Erwerbstätigkeit...

Ähnlich formuliert § 25 Abs. 1 GSVG, wonach für die Ermittlung

der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte gemäß § 2 Abs 1 und

gemäß § 3 Abs 3 leg cit, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt

ist, ein Zwölftel der Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung

nach diesem Bundesgesetz begründenden Erwerbstätigkeit in dem

Kalenderjahr ... heranzuziehen ist; hiebei sind die für die

Bemessung der Einkommensteuer herangezogenen Einkünfte des

Pflichtversicherten zugrunde zu legen.

Einkünfte ... aus selbständiger Arbeit und Gewerbebetrieb sind

nach § 2 Abs 4 Z 1 Einkommensteuergesetz der Gewinn. Das ist nach § 4 Abs 1 leg cit der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Entnahmen liegen vor, wenn der Steuerpflichtige dem Betrieb Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen) für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke entnimmt. Einlagen liegen vor, wenn der Steuerpflichtige dem Betrieb Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter) zuführt.

Dieser Gewinn (= Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb) wurde für das Jahr 1984 (ohne Zurechnung der Lohnsteuer) insgesamt mit S 251.584,--, monatlich daher mit rund S 20.965,-- entsprechend dem diesbezüglich bindenden Einkommensteuerbescheid 1984 festgestellt. Auf diese Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb hat der in der Klage erwähnte Verlustabzug (von S 396.343,--) keinen Einfluß. Dabei handelt es sich um in den - nach der 1984 noch geltenden Rechtslage - fünf vorangegangenen Wirtschaftsjahren entstandene Verluste aus Land- und Forstwirtschaft, aus selbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb, die soweit sie nicht bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre ausgeglichen oder abgezogen worden sind, bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach § 4 Abs 1 oder nach § 5 EStG auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, nach § 18 Abs 1 Z 4 leg cit als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen sind (so auch SSV-NF 1/66).

Deshalb erweist sich die Rechtsrüge als nicht berechtigt, so daß der Revision nicht Folge zu geben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.