OGH vom 30.06.2015, 10ObS57/15b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle, (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Harald Kohlruss (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R***** S*****, vertreten durch Dr. Hermann Josef Pfurtscheller, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Pensionserhöhung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 23 Rs 4/15g 27, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Er bezieht von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt eine Invaliditätspension samt Kinderzuschuss.
Mit Bescheid vom sprach die beklagte Partei aus, dass die Pension des Klägers ab mit dem Faktor 1,016 vervielfacht werde, sodass sie ab einschließlich Kinderzuschuss für drei Kinder (87,21 EUR) 159,20 EUR betrage.
In seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrt der Kläger die Vervielfachung der Pension ab mit dem Faktor 1,024 in eventu 1,028. Er brachte zusammengefasst vor, er erachte sich durch die Anwendung des erst durch das Stabilitätsgesetz 2012 von 1,024 auf 1,016 gekürzten Faktors diskriminiert. Während die von ihm bezogene Invaliditätspension zufolge des Faktors 1,016 ab (um 1,6 %) erhöht werde, würden die Ausgleichszulagen-Richtsätze aufgrund des Faktors 1,024 (um 2,4 %) erhöht. Da er seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland habe, stehe ihm die Ausgleichszulage nicht zu, sodass er an einer Erhöhung aufgrund des Faktors 1,024 nicht partizipieren könne. Für Pensionsbezieher mit dem Wohnsitz in Österreich, die auch eine Ausgleichszulage beziehen, werde hingegen die durch das Stabilitätsgesetz 2012 herbeigeführte Verminderung durch eine entsprechende Erhöhung der Ausgleichszulage kompensiert.
Die beklagte Partei bestritt und beantragte die Klageabweisung. Es würden alle Pensionsleistungen unabhängig von deren Höhe und dem Wohnsitz der Bezieher mit dem gleichen Anpassungsfaktor vervielfacht.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und wiederholte den Inhalt des durch die Klage außer Kraft getretenen Bescheides. Rechtlich ging es davon aus, dass der von der beklagten Partei angewendete Vervielfachungsfaktor von 1,016 ab den gesetzlichen Vorgaben des § 108h Abs 1 erster Satz, § 108 Abs 5 ASVG und der VO BGBl II Nr 2013/406 iVm § 666 Abs 3 ASVG idF des Stabilitätsgesetzes 2012 entspreche. Wie sich aus der zwischen denselben Parteien ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom , 10 ObS 110/14w, ergebe, liege auch keine unzulässige europarechtliche Diskriminierung des Klägers vor.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Rechtlich ging es davon aus, dass für die Ausgleichszulage als besondere beitragsunabhängige Geldleistung nach unionsrechtlichen Bestimmungen keine Verpflichtung zum Export in einen anderen EU Mitgliedstaat bestehe. Hingegen handle es sich bei der vom Kläger bezogenen Invaliditätspension um eine beitragsabhängige Leistung der sozialen Sicherheit bei Invalidität. Die Invalidiätspension des Klägers und die Ausgleichszulage seien somit unterschiedliche Leistungen, die nicht miteinander zu vergleichen seien. Der Umstand, dass die Ausgleichszulagen für das Jahr 2014 mit einem höheren Faktor als die Pensionsleistungen vervielfacht werden, stelle keine Diskriminierung des Klägers dar. § 666 Abs 3 ASVG idF des 2. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl I 2012/35, stehe mit der VO (EG) Nr 883/2004, der Freizügigkeits-RL 2004/38/EG sowie der Gleichbehandlungs RL 79/7/EWG, der Rechtsprechung des EuGH in der Rs Brey und in der Rs Dano in Einklang und begegne auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Da mit den Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Dano , Brey , Skalka und Teuling eine gesicherte Rechtsprechung und eine klare Rechtslage vorliege, sei der Anregung des Klägers auf Einholung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art 267 AEUV keine Folge zu leisten.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision des Klägers ist unzulässig.
1.1 Mit dem 2.Stabilitätsgesetz 2012, BGBl I 2012/35, war als Beitrag der Pensionisten und Pensionistinnen zum sogenannten „Stabilitätspakt“ beschlossen worden, dass die Pensionserhöhung für 2013 um einen Prozentpunkt und für 2014 um 0,8 Prozentpunkte unter dem Anpassungsfaktor erfolgt (§ 666 Abs 3 ASVG). Da der Anpassungsfaktor für 2013 2,8 % und für 2014 2,4 % betrug, wurden alle Pensionen einheitlich für 2013 um 1,8 % erhöht und für 2014 um 1,6 % (vgl BGBl II 2013/406).
1.2 § 293 Abs 2 ASVG regelt die regelmäßige (automatische) Anpassung der Ausgleichszulagenrichtsätze. Diese hat zu Beginn eines jeden Kalenderjahres mit dem Anpassungsfaktor nach § 108f ASVG zu erfolgen. Die Ausgleichszulagenrichtsätze wurden für das Jahr 2013 mit dem Anpassungsfaktor von 2,8 % und für 2014 mit dem Anpassungsfaktor von 2,4 % erhöht.
2.1 Die Vorinstanzen legten ihren Entscheidungen die zwischen den Verfahrensparteien ergangene Entscheidung 10 ObS 110/14w des Obersten Gerichtshofs vom zugrunde, die den Pensionsbezug des Klägers für das Jahr 2013 betraf und in der zu den vom Kläger nunmehr wiederholten Argumenten bereits ausführlich Stellung genommen wurde.
2.2 In dieser Entscheidung wurde vorerst klargestellt, dass die vom Kläger bezogene Invaliditätspension eine beitragsabhängige Leistung der sozialen Sicherheit bei Invalidität iSd Art 3 Abs 1 lit c VO (EG) Nr 883/2004 darstellt, während die Ausgleichszulage als beitragsunabhängige Geldleistung iSd Art 3 Abs 3 VO (EG) Nr 883/2004 anzusehen ist, die anders als die Invalidenrente des Klägers eine nicht exportierbare Leistung im Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 883/2004 ist. Es handle sich somit bei der Invaliditätspension des Klägers und bei der Ausgleichszulage auch unionsrechtlich um unterschiedliche Leistungen, die nicht von vornherein notwendigerweise eine Gleichbehandlung erfordern.
2.3 Weiters wurde ausgeführt, dass es sich bei der Ausgleichszulage um eine Leistung handle, die dem Empfänger im Fall einer unzureichenden Pension ein Existenzminimum gewährleisten soll ( C- 150/02, Skalka , Rn 26) und mit dieser Leistung ein legitimes Ziel der Sozialpolitik der Mitgliedstaaten verfolgt werde, das nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gemäß Art 4 Abs 1 RL 79/7/EWG zu tun habe. Die Gewährung eines Einkommens in Höhe des sozialen Minimums bilde vielmehr einen integrierenden Bestandteil der Sozialpolitik der Mitgliedstaaten. Daher liege ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot der RL 79/7/EWG des Rates vom zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit nicht vor, wenn alle Pensionen einheitlich um einen bestimmten Prozentsatz erhöht werden.
2.4 Eine unzulässige Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit iSd Art 18 AEUV wurde in der Vorentscheidung unter Hinweis darauf verneint, dass auch ein österreichischer Pensionsbezieher, dem kein Anspruch auf Ausgleichszulage zukomme, für das Jahr 2013 ebenso wie der Kläger nur Anspruch auf Pensionserhöhung um 1,8 % hatte. Dem ist hinzuzufügen, dass dieses Argument auch auf das hier verfahrensgegenständliche Jahr 2014 und den für dieses Jahr gegebenen Anspruch auf Pensionserhöhung um 1,6 % zutrifft.
3. Den weiteren Revisionsausführungen ist letztlich nur noch entgegenzuhalten, dass es weder einen Verstoß gegen Art 21 AEUV, noch gegen die RL 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten („Unionsbürgerrichtlinie“) begründet, wenn der Revisionswerber wie er vorbringt aus privaten Gründen seinen Wohnsitz kurzfristig nach Deutschland verlegt hat und er mangels ausreichender Existenzmittel iSd Art 7 Abs 1 lit b RL 2004/38/EG seinen Wohnsitz nicht wieder nach Österreich verlegen kann.
4. Da die Entscheidung des Berufungsgerichts mit der Vorentscheidung 10 ObS 110/14w im Einklang steht und der Revisionswerber mit seinen Ausführungen keine Argumente aufzeigt, die nicht bereits Gegenstand dieser Vorentscheidung waren, war die außerordentliche Revision mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00057.15B.0630.000