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VfGH vom 28.02.2006, B831/05

VfGH vom 28.02.2006, B831/05

Sammlungsnummer

17760

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von sechs Monaten wegen mehrerer Disziplinarvergehen vor allem im Zusammenhang mit der Bezahlung bzw Verwendung von Klientengeldern; Erklärung der bewilligten Verfahrenshilfe für erloschen

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

II. Die Verfahrenshilfe wird für erloschen erklärt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Bescheid des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe

"I.) zu D 67/88:

Nach Übernahme der Vertretung von M, S, mj. D und mj. R S

auf Kosten des Rechtsschutzversicherers, der W A Versicherungs AG,

zur Durchsetzung von deren Forderungen aus dem vom Unfallsgegner

verschuldeten Verkehrsunfall vom und nach Klagsführung

zu ... für M S, zu ... für mj. D S, zu ..., je des Landesgerichtes

für ZRS Wien für mj. R S und zu ... des Bezirksgerichtes Innere Stadt

Wien für S S

a) den zu ... des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien

am vergleichsweise von der I Versicherungs AG

vereinnahmten Betrag an Kapital und Zinsen von S 58.392,-- ohne

Zustimmung des Klienten bzw. dessen gesetzlichen Vertreters M S und

des zu ... zuständigen Pflegschaftsgerichtes, Bezirksgericht

St. Pölten, auf Kosten vereinnahmt und erst in zwei Teilbeträgen am und ausbezahlt;

b) trotz Aufforderung des Pflegschaftsgerichtes,

Bezirksgericht St. Pölten, zu ... mit Beschlüssen vom ,

und , über den Fortgang zu berichten

bzw. den Kapitalbetrag von S 55.000,-- auf ein gesperrtes Sparbuch zu

erlegen und über die Verwendung zu berichten, die gerichtlichen

Aufträge nicht erfüllt, sodaß über Anzeige des Pflegschaftsgerichtes

St. Pölten gegen ihn zu ... des Kreisgerichtes St. Pölten bzw. ...

des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, ein Strafverfahren wegen Vergehens der Veruntreuung gemäß § 133 StGB eingeleitet wurde;

c) die Vergleiche zu ... des Landesgerichtes für

Zivilrechtssachen Wien vom für den mj. D S über

S 25.000,-- und Kosten zu ... des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien

für S S über S 17.000,-- und Kosten, nicht effektuiert und die Vergleichsbeträge nicht eingezogen, weil er die Voraussetzung dafür, nämlich die eigenen Prozeßkosten zu verrechnen, nicht erfüllt hat, sodaß die gegnerische Versicherung, die I Versicherungs AG, bis April 1988 nichts bezahlt hat

d) den Mandanten, insbesondere dem M S, über den Fortgang der Prozesse und deren Erledigung nicht berichtet;

e) am vor dem Bezirksgericht St. Pölten als Pflegschaftsgericht der Wahrheit zuwider ausgesagt, daß M S zugestimmt habe, daß die Vergleichssummen aus den Prozessen auf Kosten verrechnet und behalten werden dürften.

II.) zu D 3/88:

a) die Vertretung der Ansprüche der mj. M W, geb. , St. Pölten, wegen Schadenersatzes aus einem am erlittenen Verkehrsunfall[es], in den Jahren 1984 bis Oktober 1987 nicht mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit verfolgt und insbesondere erst zwei Jahre nach Auftragserteilung knapp vor Eintritt der Verjährung der Ansprüche die Schadenersatzklage eingebracht;

b) trotz Aufforderung des Pflegschaftsgerichtes, Bezirksgericht St. Pölten, zu ..., die Erledigung der Schadenersatzansprüche der mj. M W, geb. , verzögert;

c) die von ihm Ende Dezember 1986 und Jänner 1987 vereinnahmten Akontobeträge, und zwar S 31.263,-- für O W, den Mandanten nicht unverzüglich bekanntgegeben;

d) seinen Mandanten mj. M W und O W entgegen seiner bei Vertretungsübernahme abgegebenen Zusage, er würde ihnen keine Kosten verrechnen, sämtliche Kosten müßten von den Gegnern getragen werden, Vertretungskosten verrechnet und diese von den seitens der Haftpflichtversicherung bezahlten Schadenersatzakonti in Abzug gebracht, wobei er sich zu Unrecht auf das Kostenzurückbehaltungsrecht berief;

e) entgegen den Bestimmungen des § 19 Abs 3 RAO und den §§16, 17 RL-BA 1977 die einbehaltenen Kostenbeträge nicht unverzüglich nach Bestreitung der Berechtigung (Schreiben der RAe. Dr. G/Dr. P vom ) ausgefolgt oder bei Gericht erlegt;

f) in seinem Schreiben vom , gerichtet an RA Dr. H P, St. Pölten, mit den Sätzen: 'Ich kann und will mir Ihre gerade behandelte Schreibweise nicht bieten lassen' und 'aus diesem Grunde fordere ich Sie auf, ... daß Sie sich für die zuvor wiedergegebenen Äußerungen entschuldigen' und im Schreiben vom an RA Dr. H P mit dem Satz 'im übrigen glaube ich, es im Hinblick auf das Niveau Ihres eingangs erwähnten Schreibens es nicht notwendig zu haben, auf dieses Schreiben weiter einzugehen', den Gegenvertreter unnötig in den Streit gezogen und persönlich angegriffen, somit gegen § 18 RL-BA [19]77 verstoßen.

III.) zu D 72/88:

a) In der Zeit von April 1985 bis Jänner 1986 die Vertretung der Ansprüche des J M, ..., nicht mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit verfolgt und trotz mehrmaliger Zusagen und Erhalt von Kostenvorschüssen von zusammen S 6.200,-- nicht den Klagsanspruch geltend gemacht;

b) im Jahre 1986, und zwar trotz anwaltlicher Aufforderung, erst Ende Dezember 1986 die von J M in Empfang genommenen Urkunden, nämlich Fotos und Bestätigungen, an diesen ausgefolgt;

IV.) zu D 78/88:

a) dem K R, ..., trotz mehrmaliger Ersuchen desselben und trotz Aufforderungen und ausdrücklichen Weisungen der Ausschüsse der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und das Burgenland (Schreiben vom , und ) sowie der Rechtsanwaltskammer für Niederösterreich (Schreiben vom ) die in Empfang genommenen Urkunden (Baubescheide und Protokolle von Bauverhandlungen) nicht ausgefolgt, und

b) trotz wiederholter Aufforderung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und das Burgenland ... keine Äußerung erstattet;

V.) zu D 77/88:

die Rechtssache seines Mandanten H F in den Jahren 1982 bis 1988 nicht mit Eifer und Gewissenhaftigkeit betrieben und den von ihm am über das Grundstück ... in der Katastralgemeinde Pottenbrunn errichteten Kaufvertrag innerhalb der von ihm zugesagten Frist bis trotz Vorausbezahlung des vereinbarten Kostenbetrages nicht verbüchert, sondern die grundbücherliche Durchführung bis September 1988 verzögert;

VI.) zu D 39/88:

gegenüber der Diözese St. Pölten aushaftende Kirchenbeitragsforderungen für das Jahr 1984 per S 3.774,56 und für das Jahr 1985 per S 4.426,-- nicht rechtzeitig nach Vorschreibung und Aufforderung, sondern erst nach Erwirkung von Zahlungsbefehlen und Exekutionsführung am bezahlt;

VII.) zu D 68/88:

gegenüber der Diözese St. Pölten aushaftende Kirchenbeitragsforderungen für das Jahr 1982 per S 3.155,-- s.A. und für das Jahr 1983 per S 3.530,-- s.A. nicht rechtzeitig nach Vorschreibung und Aufforderung, sondern erst nach Erwirkung von Zahlungsbefehlen je des Bezirksgerichtes St. Pölten vom zu ... und ... vom und nach Exekutionsführung zu ... des BG St. Pölten erst am bezahlt;

VIII.) zu D 41/88:

eine Verbindlichkeit gegenüber der Firma R S, ..., über S 34.907,40, über die er das Akzept vom ausgestellt hatte, trotz Klagsführung nicht erfüllt, zur Verzögerung Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag erhoben und schließlich die Schuld erst nach Exekutionsführung am bezahlt;

IX.) zu D 42/88: (H und F S, Dr. K K und Dkfm. H K)

aus der Bestandnahme des Mietobjektes 3100 St. Pölten, ..., die gegenüber H und F S sowie Dr. K K und Dkfm. H K entstandenen Verbindlichkeiten nicht rechtzeitig erfüllt, und zwar

a) die Verpflichtung zur Bezahlung des Mietzinses für die Zeit von Juni bis Dezember 1986 und März/April 1987 im Betrag von

S 33.733,--, sodaß Klags- und Exekutionsschritte erforderlich wurden;

b) die im gerichtlichen Vergleich vom zu ... des BG St. Pölten übernommene Verbindlichkeit, und zwar auf Räumung und Bezahlung des restlichen Mietzinses, erst auf Grund von Exekutionsverfahren,

c) zur Bezahlung eines Benützungsentgeltes von S 5.500,-- für Oktober/November 1987 erst auf Grund einer Klagsführung.

X.) zu D 43/88:

die von Dr. M D, RA in Herzogenburg laut Schreiben vom geschuldeten Substitutionskosten per S 1.346,30 erst nach Klags- und Exekutionsführung am bezahlt;

XI.) zu D 70/88:

a) in den Jahren 1986/87 die ihn treffenden Verbindlichkeiten, nämlich die Bezahlung einer Kreditschuld von

S 11.488,73 an die Sparkasse ... und einer Autoinstandsetzungsrechnung über S 22.051,26 an die Firma D Gesellschaft m.b.H. nicht fristgerecht erfüllt, sodaß es notwendig wurde, gegen ihn mit Klage und Exekution vorzugehen, worauf er erst Ende Juli 1988 Zahlung geleistet habe;

b) im Zuge der wegen der vorstehenden Verbindlichkeiten gegen ihn geführten Fahrnisexekutionsverfahren vor dem Bezirksgericht St. Pölten am dem Vollstrecker die Wohnungstüre nicht geöffnet und damit die Vollzugshandlung vereitelt;

c) sich nach dem zu Punkt b) beschriebenen Vollstreckungsversuch grundlos und ungehörig über den Vollstrecker des BG St. Pölten beschwert.

Dadurch habe er zu Ia) bis d), IIa) bis e), III), IVa), V) die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes, zu Ie), IIf), IVb), VI), VII), VIII), IX), X) und XI) das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen."

Der Beschwerdeführer wurde gemäß § 12 Abs 1 litc Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter 1872 (im Folgenden: DSt 1872) zur Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von 6 Monaten verurteilt. Hingegen wurde er von den übrigen Anschuldigungen freigesprochen.

2. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis der

Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und

Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: OBDK) vom keine

Folge gegeben und das Erkenntnis des Disziplinarrates der

Rechtsanwaltskammer Niederösterreich mit der Maßgabe bestätigt, dass

im Punkt I. litb) nach den Worten "... nicht erfüllt," eingefügt

wurde: "was zur Folge hatte, daß über Anzeige des

Pflegschaftsgerichtes St. Pölten gegen ihn zu ... des Kreisgerichtes

St. Pölten, bzw. ... des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ein

Strafverfahren wegen [des] Vergehens der Veruntreuung gemäß § 133 StGB eingeleitet, in der Folge jedoch mit einem rechtskräftigen Freispruch beendet wurde"; ferner, dass der Schuldspruch zu Punkt IV. litb) nicht wegen Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes, sondern wegen des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung erfolgte.

3. Gegen dieses als Bescheid zu wertende Erkenntnis der OBDK richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte gemäß Art 7 B-VG, Art 6 EMRK und Art 6 StGG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

4. Die OBDK legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit erwogen:

Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zwar durch die mündliche Verkündung - zumindest inhaltlich - bekannt, er ist ihm aber - wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt - niemals zugestellt worden. Aus diesem Grund wurde die sechswöchige Beschwerdefrist iSd. § 82 Abs 1 VfGG nicht in Gang gesetzt (VfSlg. 9068/1981, 9655/1983, 10.637/1985).

Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei am auf den angefochtenen Bescheid "gestoßen", als er in seine Disziplinarakten Einsicht nahm, weil er eine (Wieder-)Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte beabsichtige. Die Beschwerde wurde sohin rechtzeitig eingebracht, ohne dass untersucht werden musste, ob damit eine Zustellung vorlag, weil die Beschwerde jedenfalls innerhalb von sechs Wochen ab Einsichtnahme in die Disziplinarakten erfolgte.

Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat in der Sache erwogen:

1. Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften werden in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden.

Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

2.1. Unter dem Titel des Art 7 B-VG rügt der Beschwerdeführer, die Feststellungen der belangten Behörde stünden im Widerspruch zum Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , mit dem er gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen worden sei. Weiters seien sein Vorbringen sowie das Erkenntnis VfSlg. 11.404/1987 ignoriert worden. Die belangte Behörde habe außerdem den Milderungsgrund der Schadensgutmachung nicht berücksichtigt und die "Straffrage" unsachlich gelöst. Das Ausmaß und die Anzahl der von ihm bekämpften Fehler würden den Vorwurf der Willkür rechtfertigen.

2.2. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001 16.640/2002).

Den Verwaltungsakten ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und sich dabei eingehend mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt hat. Der belangten Behörde kann daher kein in die Verfassungssphäre reichendes willkürliches Vorgehen angelastet werden.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, die belangte Behörde habe das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom ignoriert, ist zu beachten, dass die belangte Behörde den Spruch des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich abgeändert hat, sodass deutlich zum Ausdruck gebracht wurde, dass der Beschwerdeführer im erwähnten Strafverfahren gemäß § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen worden war.

Dem Vorbringen, die belangte Behörde habe das Erkenntnis VfSlg. 11.404/1987 ignoriert, ist entgegenzuhalten, dass der damals vorliegende Sachverhalt völlig anders gelagert war. Im vorliegenden Fall geht es um einen Berichtsauftrag aufgrund von Beschwerden eines Mandanten. Der Beschwerdeführer hatte die Verpflichtung, diesem Auftrag nachzukommen.

Hinsichtlich der Beurteilung der "Straffrage" ist auszuführen, dass der zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung anzuwendende § 12 Abs 2 DSt 1872 die maßgeblichen Kriterien für die Strafbemessung festlegte. Den Disziplinarbehörden ist bei der Festsetzung von Strafen ein (Auswahl-)Ermessen eingeräumt. Die belangte Behörde hat jedenfalls keinen so schweren Fehler begangen, dass der Bescheid wegen Verkennens der Rechtslage mit Willkür belastet wäre.

Im Übrigen rügt der Beschwerdeführer nur Rechtsverletzungen, die die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes darstellen würden, spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

Der Beschwerdeführer wurde daher nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

3.1. Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 EMRK, weil Entlastungszeugen nicht einvernommen worden seien.

3.2. Dem ist entgegenzuhalten, dass im Verfahren vor dem Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich mehrere Zeugen einvernommen wurden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) sieht das Recht, die Ladung von Entlastungszeugen zu verlangen, nicht als absolut an (EGMR , Fall Vidal gegen Belgien, Appl. Nr. 12351/86). Die Beurteilung, ob ein Zeuge zu laden ist, weil er "wesentlich" ist, obliegt zunächst den nationalen Gerichten. Der EGMR stellt nur darauf ab, ob das Verfahren insgesamt fair war (vgl. auch EKMR , ÖJZ 1990, 484; , ÖJZ 1994, 137). Der belangten Behörde kann aus verfassungsrechtlicher Sicht daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass sich der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich "bei der Zeugeneinvernahme ein unmittelbares Bild machen" konnte und die vom Beschwerdeführer beantragte Einvernahme einer Zeugin als "überflüssig" qualifizierte.

Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht finden, dass eine Verletzung des Art 6 EMRK im Hinblick auf die überlange Verfahrensdauer bzw. eine Verletzung des Art 13 EMRK in Betracht kommt, weil der Beschwerdeführer nichts unternommen hat, um die Zustellung des am in seiner Anwesenheit verkündeten Erkenntnisses zu bewirken.

Der Beschwerdeführer wurde daher nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art 6 EMRK verletzt.

4.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich weiters in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art 6 StGG verletzt, weil aufgrund denkunmöglicher Erwägungen ein Berufsverbot für die Dauer von sechs Monaten über ihn verhängt worden sei.

4.2. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verletzen repressive Maßnahmen, etwa die disziplinäre Behandlung wegen Verletzung von Standespflichten, nicht das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art 6 StGG (vgl. VfSlg. 7910/1976, ). Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung ist dem Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar (vgl. Pkt. III.2.2.).

Der Beschwerdeführer wurde daher auch nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art 6 StGG verletzt.

5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

6. Mit Beschluss vom bewilligte der Verfassungsgerichtshof dem Beschwerdeführer die Verfahrenshilfe. In der Folge brachte er seine Beschwerde durch einen selbst gewählten Vertreter ein und beantragte, die Verfahrenshilfe für erloschen zu erklären, weil er nunmehr in der Lage sei, die Kosten des Verfahrens ohne Beeinträchtigung seines notwendigen Unterhalts zu bestreiten. Die Bevollmächtigung eines Wahlvertreters zeigt im vorliegenden Fall den Wegfall der Voraussetzungen des § 63 Abs 1 ZPO. Da somit die Voraussetzungen des § 68 ZPO vorliegen, war dem Antrag des Beschwerdeführers Folge zu geben.

7. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.