OGH vom 10.07.2012, 14Os59/12a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lindenbauer als Schriftführer in der Strafsache gegen Jamie E***** wegen des Vergehens des Landzwangs nach §§ 15, 275 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom , GZ 13 Hv 142/11b 15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jamie E***** des Vergehens des Landzwangs nach §§ 15, 275 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er im September 2011 in B***** die Bevölkerung durch eine Drohung mit einem Angriff auf Leben und Gesundheit in Furcht und Unruhe zu versetzen versucht, indem er auf der Internetseite „youtube“ unter Bezugnahme auf die Amokläufe von Winnenden/Deutschland und Utoya/Norwegen einen Amoklauf mit mindestens 50 Toten und einen solchen mit mindestens 300 Toten ankündigte.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der schriftlichen Äußerungen des Beschwerdeführers (als gegen die österreichische Bevölkerung gerichtete ernst gemeinte Drohung mit einem Angriff auf Leben und Gesundheit durch Ankündigung von Amokläufen mit 50 und 300 Toten) und seinem darauf gerichteten Vorsatz hat das Erstgericht die kritisierte Fundierung bei gebotener Gesamtschau der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370) logisch und empirisch unbedenklich vorgenommen (US 4 bis 6). Ihre Überzeugung vom konstatierten Bedeutungsinhalt stützten die Tatrichter hinreichend deutlich auf den Wortlaut der im Internet veröffentlichten Kommentare, insbesonders die darin enthaltene Bezugnahme auf die weltweit bekannt gewordenen Amokläufe der mutmaßlichen Täter Anders B***** und Tim K***** in Utoya/Norwegen und Winnenden/Deutschland, deren Glorifizierung unter dem verwendeten Usernamen (B*****) und die weiteren Ausführungen im Userprofil (Interessen: „torture and killing“) im Verein mit der teilweisen Verwendung der deutschen Sprache, woraus sie ebenso mängelfrei auf einen den gesamten deutschen Sprachraum, sohin auch die österreichische Bevölkerung, umfassenden Adressatenkreis schlossen (US 4 f). Die daran anknüpfende Ableitung der subjektiven Tatseite aus der Veröffentlichung sowohl des in Rede stehenden Profils als auch des gezielt zu einem Video mit einer hohen Anzahl von Aufrufen abgegebenen Kommentars auf einem weltweit zugänglichen Internet-Videoportal von enormem Bekanntheitsgrad („youtube.com“) trotz bereits zuvor erfolgter Warnungen eines Users hinsichtlich der strafrechtlichen Relevanz derartiger Äußerungen und der daraus gezogene Schluss auf eine vom Angeklagten angestrebte möglichst große die Bevölkerung Österreichs inkludierende Reichweite der Drohung (US 4 bis 6) sind unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit ebenso wenig zu beanstanden.
Indem die Mängelrüge auf einzelne Passagen dieser Erwägungen rekurriert und aus den Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen andere für den Beschwerdestandpunkt günstigere Schlüsse zieht als die des Erstgerichts, bekämpft sie in unzulässiger Weise bloß die zitierte Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Mit sinngemäßer Wiederholung der Argumentation der Mängelrüge gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.
Mit dem Einwand fehlender Feststellungen dazu, ob die dem Angeklagten angelasteten Drohungen objektiv geeignet waren, die Bevölkerung Österreichs in Furcht und Unruhe zu versetzen, übersieht die Rechtsrüge (Z 9 lit a), dass die angesprochene Eignung Gegenstand der rechtlichen Beurteilung ist ( Jerabek in WK² § 74 Rz 34). Sie wäre daher im Rahmen der Rechtsrüge nur insoweit zu bekämpfen, als aufgrund aller hiezu im Urteil getroffenen Konstatierungen darzulegen wäre, warum die veröffentlichten Drohungen entgegen der ausdrücklich auf den Urteilsfeststellungen beruhenden Annahme der Tatrichter (US 6 f) im vorliegenden Fall nicht ausreichen sollten, diese Eignung zu begründen. Eine solche Argumentation unterlässt die Rüge aber, indem sie sich ein weiteres Mal in eigenständigen Beweiswertüberlegungen erschöpft.
Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung absoluter Versuchsuntauglichkeit mangels expliziter Bezugnahme auf Österreich in den inkriminierten Veröffentlichungen wird nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 588; RIS-Justiz RS0116569). Im Übrigen würde ein absolut untauglicher Versuch voraussetzen, dass die einem Tatbestand entsprechende Sachverhaltsverwirklichung bei generalisierender Betrachtung, also losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls geradezu denkunmöglich ist, sohin unter keinen Umständen erwartet werden kann ( Hager/Massauer in WK² §§ 15, 16 Rz 70), wovon bei der hier inkriminierten auch in deutscher Sprache erfolgten Ankündigung eines Amoklaufs mit 50 bis 300 Toten auf einer weltweit zugänglichen und damit auch die österreichische Bevölkerung als Adressatenkreis umfassenden Internetplattform von enormen Bekanntheitsgrad keine Rede sein kann (vgl erneut RIS Justiz RS0098852).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.