OGH 14.08.2014, 13Os40/14b
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Anscheringer als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Slavko V***** und eine Angeklagte wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Petra V***** sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 16 Hv 77/12i-39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Die Angeklagte Petra V*****, die Staatsanwaltschaft und die Finanzstrafbehörde werden mit ihren Rechtsmitteln auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Slavko V***** und Petra V***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung, und zwar nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG (I), nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG (II) und nach §§ 33 Abs 2 lit b, 38 Abs 1 lit a FinStrG (III), jeweils idF vor BGBl I 2010/104, schuldig erkannt.
Nach dem Referat im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) haben Slavko V***** als Geschäftsführer, Petra V***** als Prokuristin der B***** GmbH im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Graz-Stadt gewerbsmäßig
(I) vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen bewirkt, nämlich
a) beide Angeklagten im einverständlichen Zusammenwirken (§ 11 erster Fall FinStrG) durch „die jeweils auf Scheinrechnungen basierende, sohin unrechtmäßige Geltendmachung von Vorsteuern und fingierten Betriebsausgaben“ für die Jahre 2007 bis 2009 um insgesamt 274.867,05 Euro an Körperschaftsteuer und 420.479,20 Euro an Umsatzsteuer sowie
b) Slavko V***** allein dadurch, dass er „an den jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten als der zum Abzug verpflichtete Geschäftsführer, die an ihn in den Kalenderjahren 2007 bis 2010 zugeflossenen Ausschüttungen und die an sich daraus ergebende, selbst zu berechnende und abzuführende Kapitalertragssteuer nicht einbehielt und binnen einer Woche nach Zufließen der Kapitalerträge jeweils abführte“, um insgesamt 391.287,70 Euro an Kapitalertragsteuer,
(II) im einverständlichen Zusammenwirken (§ 11 erster Fall FinStrG) vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer für das Jahr 2010 um 62.578,23 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten sowie
(III) im einverständlichen Zusammenwirken (§ 11 erster Fall FinStrG) vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von § 76 EStG entsprechenden Lohnkonten für die Jahre 2007 bis 2010 eine Verkürzung an Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen um insgesamt 369.906,92 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, wobei Slavko V***** die für das Jahr 2007 festgestellte Verkürzung (im Betrag von 111.523,60 Euro) nicht zugerechnet wurde (siehe auch die diesbezügliche Verfahrenseinstellung durch das Oberlandesgericht Graz [ON 32]).
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlass der dagegen von Petra V***** aus Z 4, 5, 5a und (richtig) 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, dass zum Nachteil beider Angeklagter das Strafgesetz mehrfach unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Hinsichtlich zu veranlagender Abgaben wird nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0086590 und RS0124712) - bezogen auf ein Steuersubjekt - mit Abgabe einer unrichtigen Jahressteuererklärung je Steuerart (unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags) ein Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begründet. Solcherart bildet insoweit die Jahressteuererklärung - allenfalls als Bündel mehrerer steuerlich trennbarer Einzelaspekte - das kleinste (nicht mehr teilbare) Element des Sachverhalts, also eine selbständige Tat im materiellen Sinn (13 Os 142/08v, JBl 2010, 318; 13 Os 105/08b, SSt 2009/18). Entsprechendes gilt für das Unterlassen der Abgabe einer Jahressteuererklärung, selbständige Tat ist in diesem Fall die Nichtabgabe bis zum gesetzlich vorgesehenen Endzeitpunkt (13 Os 58/13y; Lässig in WK² FinStrG Vorbem Rz 9).
Indem die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Schuldspruchs I/a keine Feststellungen dazu trifft, ob (gegebenenfalls von wem) in den Jahren 2007 bis 2009 (gegebenenfalls mit welchen Unrichtigkeiten behaftete) Jahressteuererklärungen für die B***** GmbH abgegeben worden sind (siehe US 5 f), schafft sie diesbezüglich somit keine hinreichende Subsumtionsbasis.
Im Bereich der Kapitalertragsteuer ist selbständige Tat das Unterlassen der auf einen bestimmten Ertragszufluss bezogenen Kapitalertragsteuer-Abfuhr (§ 96 Abs 1 EStG) unter Verletzung der korrespondierenden (§ 96 Abs 3 EStG) Anmeldungspflicht (13 Os 104/10h, AnwBl 2011, 448; jüngst 13 Os 2/13p).
Da die angefochtene Entscheidung zum Schuldspruch I/b keinen Bezug zu bestimmten Ertragszuflüssen erkennen lässt, sondern nur nach Kalenderjahren zusammengefasste Verkürzungsbeträge ausweist (US 6), fehlt auch insoweit die erforderliche Sachverhaltsgrundlage.
Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a oder b FinStrG werden durch dort pönalisiertes Verhalten in Bezug auf Voranmeldungs- (lit a) oder Entrichtungszeiträume (lit b) begangen, sodass sachverhaltsmäßig hinsichtlich jedes solchen Zeitraums (siehe § 21 Abs 1 UStG bzw § 79 Abs 1 EStG und § 43 Abs 1 FLAG) und jeder Abgabenart (unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags) eine selbständige Tat vorliegt (RIS-Justiz RS0118311 und RS0124712; 13 Os 105/08b, SSt 2009/18; jüngst 13 Os 15/13z, 16/13x).
Die zu den Schuldsprüchen II und III vorgenommene Zusammenfassung von Verkürzungsbeträgen nach Kalenderjahren (US 6 f) wird diesen Kriterien nicht gerecht.
Aufgrund der dargelegten Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) waren die Schuldsprüche von Amts wegen schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).
Die Angeklagte Petra V***** war mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde (welche die aufgezeigten Rechtsfehler nicht aufgriff) auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Aufhebung der Schuldsprüche hatte die der Strafaussprüche zur Folge.
Neben den oben erläuterten Feststellungserfordernissen wird im zweiten Rechtsgang zu beachten sein:
(1) Sollte erneut ein Schuldspruch nach § 33 Abs 1 FinStrG wegen Verkürzung zu veranlagender Abgaben ergehen, werden zwecks Abgrenzung von Versuch (§ 13 FinStrG) und Vollendung Feststellungen darüber zu treffen sein, ob Abgabenbescheide erlassen worden, gegebenenfalls ob diese in Rechtskraft erwachsen sind (dazu ausführlich Lässig in WK² FinStrG § 33 Rz 33 bis 35 mwN).
(2) Gewerbsmäßig handelt nach § 38 Abs 1 erster Satz FinStrG, wer eine strafbare Handlung in der Absicht begeht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Im Fall eines erneuten Schuldspruchs nach der Qualifikationsnorm des § 38 Abs 1 FinStrG werden somit sowohl zur Vorsatzform der Absichtlichkeit als auch zur diesbezüglichen zeitlichen Komponente (hiezu eingehend Jerabek in WK² StGB § 70 Rz 7) Feststellungen zu treffen sein.
(3) Die zentrale Verweisungsnorm für den prozessualen Bereich des gerichtlichen Finanzstrafverfahrens findet sich in § 195 Abs 1 FinStrG (vgl demgegenüber US 14).
Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft, die Finanzstrafbehörde und die Angeklagte Petra V***** auf die Aufhebung der Strafaussprüche zu verweisen.
Eine Kostenentscheidung hatte mit Blick auf das gänzlich amtswegige Vorgehen zu entfallen (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Strafrecht |
Schlagworte | Strafrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2014:0130OS00040.14B.0814.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
QAAAE-09663