OGH vom 01.10.1997, 9ObA291/97b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Helmut Szongott und Erich Reichelt als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Alfred K*****, Kellner, ***** vertreten durch Dr.Helmut Malek, Rechtsanwalt in Krems, wider die beklagte Partei Dr.Alois Autherith, Rechtsanwalt, Utzstraße 13, 3500 Krems als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Richard G*****, Gastwirt, ***** wegen Feststellung (Streitwert S 221.403,-- netto) sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 82/97w-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Krems als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 7 Cga 44/96z-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.430,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.905 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war ab im Gasthaus des Richard G***** als Arbeiter beschäftigt; das Dienstverhältnis endete am durch vorzeitigen Austritt wegen Vorenthaltung des zustehenden Entgelts. Nachdem der Kläger zuvor in mehreren Schreiben ausstehenden Lohn unter Fristsetzung urgiert hatte, leistete der Dienstgeber am eine Zahlung von S 22.500,--.
Mit Beschluß des Landesgerichtes Krems/D wurde über das Vermögen des Dienstgebers am das Konkursverfahren eröffnet und eine Anmeldungsfrist bis bestimmt. Mit Schriftsatz vom meldete der Kläger die mit der Klage geltend gemachte Forderung von S 221.403,-- netto an. Diese wurde vom Masseverwalter zur Gänze bestritten. Der Kläger wurde von der Bestreitung verständigt und mit Beschluß des Konkursgerichtes vom wurde eine Frist zur klageweisen Geltendmachung der bestrittenen Forderung von 8 Wochen gesetzt. Dieser Beschluß wurde dem Kläger am zugestellt.
Mit der am überreichten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, ihm stehe im Konkurs über das Vermögen des Gemeinschuldners eine Forderung von S 221.403,-- netto in der allgemeinen Klasse der Konkursgläubiger zu.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, wobei er unter anderem vorbrachte, die geltend gemachten Ansprüche seien verjährt, weil der Kläger die Klage nicht innerhalb der dreijährigen Verjährungszeit und auch nicht innerhalb der ihm nach § 110 KO gesetzten Frist erhoben habe.
Dem hielt der Kläger entgegen, daß die Verjährungsfrist in der Zeit zwischen der Konkurseröffnung und dem Ablauf der gemäß § 110 KO gesetzten Frist gehemmt gewesen sei. Verjährung sei daher nicht eingetreten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Forderung des Klägers sei am fällig gewesen. Durch die Anmeldung der Forderung im Konkurs sei die Verjährungszeit wohl bis zum Ablauf der achtwöchigen Frist zur Erhebung der Klage gehemmt worden, dabei handle es sich aber nicht um eine Fortlaufs- sondern um eine Ablaufshemmung, die den Eintritt der Verjährung nur bis zum Wegfall des Hemmungsgrundes verhindere. Da die Klagefrist am abgelaufen sei, sei der erst am klageweise geltend gemachte Anspruch verjährt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Wie bereits Bartsch/Pollak, Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung2 86 f ausführten, bestehe der Zweck dieser Vorschrift darin, zu verhindern, daß der Konkursgläubiger durch den Ablauf der Verjährung während der Zeit, in der er wegen des schwebenden Prüfungsverfahrens nicht klagen könne, Schaden erleide. Die auf den Klageweg verwiesene Partei habe daher die ganze ihr nach § 110 KO eingeräumte Frist zur Überlegung, ob sie klagen wolle, ohne den Ablauf der Verjährung befürchten zu müssen, weil während des Laufes der Klagefrist die Hemmung fortbestehe und die Verjährung daher nicht vollendet werden könne. Nach dieser Ansicht habe die Anmeldung einer in der Folge bestrittenen Forderung daher wenigstens die Wirkung einer Ablaufshemmung. Ein darüber hinausgehender Zweck der Bestimmung des § 9 KO, insbesondere dem Kläger eine längere als die gesetzliche Verjährungszeit einzuräumen, sei nicht zu erkennen. Dem entspreche auch die Meinung Ehrenzweigs (System I/1, 299, 302) welcher ebenfalls die Auffassung vertrete, daß im Falle der Bestreitung der im Konkurs angemeldeten Forderung die Hemmung bis zum Ende der bestimmten Klagefrist andauere; wenn die Frist ungenützt verstrichen sei, nehme nur die noch übrige Verjährungszeit ihren Lauf. Weder hieraus noch aus der Begründung der Entscheidung des k.k. Obersten Gerichtshofes Rv V 706/14, die äußerste Dauer der Hemmung der Verjährung bestehe bis zum Ende der Klagefrist, könne entgegen der Ansicht des Klägers geschlossen werden, daß es sich bei der nach § 9 Abs 2 KO bestimmten Hemmung um eine Fortlaufshemmung handle, da zwischen der äußersten Dauer der Verjährungshemmung und ihrer Rechtsnatur und Wirkung, insbesondere, ob es sich um eine Ablaufshemmung oder eine Fortlaufshemmung handle, kein zwingender Zusammenhang bestehe. Auch liege es nicht geradezu im Wesen einer Verjährungshemmung, daß die gesetzliche Frist unabhängig davon, ob eine Ablaufshemmung oder eine Fortlaufshemmung vorliege, verlängert werde, weil es gerade dem Grundsatz der Ablaufshemmung entspreche, eine gesetzliche Frist nicht zu verlängern, sondern bloß deren Ablauf zu verhindern.
Da durch die nach § 110 KO gesetzte Frist nur der Ablauf der Verjährungszeit hinausgeschoben worden sei, sei mit dem Ablauf dieser Frist die Verjährung eingetreten. Die Revision wurde mit der Begründung für zulässig erklärt, daß eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob mit § 9 Abs 2 KO eine Ablaufs- oder eine Fortlaufshemmung bestimmt werde, fehle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Sache unter Überbindung der Rechtsansicht, daß Verjährung nicht eingetreten sei, zur Prüfung des Anspruches an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Ein Verfahrensmangel liegt nicht vor. Die Bestimmungen über das Neuerungsverbot im Berufungsverfahren sind in Arbeitsrechtssachen gemäß § 63 Abs 1 ASGG nur dann nicht anzuwenden, wenn die Partei bisher in keiner Lage des Verfahrens durch eine qualifizierte Person vertreten war. Da der Kläger im Verfahren vor dem Erstgericht anwaltlich vertreten war, war es ihm verwehrt, im Berufungsverfahren neues Vorbringen zu erstatten. Schon deshalb, weil er in diesem Verfahrensabschnitt von neuem Vorbringen ausgeschlossen war, kann es keinen Mangel begründen, wenn es das Berufungsgericht unterließ, ihn dazu anzuleiten, neue Tatsachenbehauptungen vorzutragen. Soweit mit der Rüge geltend gemacht wird, das Erstgericht habe gegen seine Manuduktionspflicht verstoßen, sei der Kläger darauf verwiesen, daß ein Verfahrensmangel immer nur in der nächsthöheren Instanz geltend gemacht werden kann. In seiner Berufung hat der Kläger Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens nicht gerügt, sondern ausschließlich den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht. Eine in der Berufung unterlassene Mängelrüge kann aber in der Revision nicht nachgetragen werden (SSV-NF 1/68; SZ 23/352 uva).
Daß der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld gestellt hat, wird erstmalig in der Revision behauptet; erst mit diesem Schriftsatz wurde das Antragsformblatt vorgelegt. Aus dem erstgerichtlichen Verfahren ergibt sich kein Hinweis darauf, daß ein Antrag nach § 6 IESG gestellt worden wäre. Der Berücksichtigung des erst im Revisionsverfahren erstatteten Vorbringens steht das Neuerungsverbot entgegen. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, welche Auswirkung die Stellung des Antrages auf Insolvenz-Ausfallgeld auf den Lauf der Verjährungszeit gegenüber dem Masseverwalter hat, ist schon aus diesem Grund entbehrlich.
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß es sich bei der Hemmung der Verjährung gemäß § 9 Abs 2 KO um eine Ablaufshemmung handelt, ist zutreffend; auf diese Ausführungen kann verwiesen werden (§ 48 ASGG).
Die Hemmung schiebt den Beginn und regelmäßig auch die Fortsetzung der begonnenen Verjährung hinaus. Sie ist Fortlaufshemmung, wenn die Verjährung während ihrer Dauer "ruht", so daß nach Wegfall des Hindernisses der Rest der Zeit verstreichen muß. Sie ist Ablaufshemmung, wenn sie zwar nicht den Lauf der begonnenen Verjährung an sich, wohl aber ihren Ablauf (ihr Zuendegehen) bis zum Ablauf des Hemmungsgrundes oder auch noch während einer gesetzlich bestimmten Nachfrist verhindert (Koziol/Welser10 I 188). Bestimmungen über die Hemmung der Verjährung finden sich nicht nur in den §§ 1494 ff ABGB, sondern in zahlreichen anderen Gesetzen (siehe dazu die Zusammenstellung bei Mader in Schwimann, Anm 7 vor §§ 1494 - 1496 ABGB), darunter auch in § 9 Abs 2 KO. Für die Entscheidung der Frage, ob es sich bei einer angeordneten Hemmung der Verjährung um eine Fortlaufs- oder eine Ablaufshemmung handelt, ist vorerst der Wortlaut der Regelung und soweit daraus ein sicherer Aufschluß nicht zu gewinnen ist, der mit der Anordnung verfolgte Zweck zu prüfen.
§ 1495 ABGB ordnet etwa an, daß die Ersitzung oder Verjährung in den dort genannten Fällen weder anfangen noch fortgesetzt werden kann; in diesem Sinne bestimmt § 1496 ABGB, daß für die dort bezeichneten Fälle auch die Fortsetzung der Ersitzung oder Verjährung gehemmt ist. In diesen Fällen wird vom Gesetzgeber ausdrücklich die Fortlaufshemmung angeordnet. Zu Art 32 Abs 2 CMR wurde die Anordnung einer Fortlaufshemmung aus der Diktion der maßgeblichen englischen und französischen Fassung abgeleitet (SZ 60/70); diese ordne die Fortlaufshemmung an.
Hingegen bestimmt § 1494 ABGB eine Ablaufshemmung, ordnet er doch an, daß die Verjährungszeit weiterlaufe, aber ihr Ablauf hinausgeschoben werde.
In anderen Fällen fehlen solche eindeutige Regelungen. § 12 Abs 2 VersVG und § 23 Abs 2 (nunmehr § 27 Abs 2) KHVG wurden von der Rechtsprechung als Fälle der Fortlaufshemmung behandelt. Die Hemmung nach diesen Bestimmungen tritt allerdings für den Zeitraum ein, der vom Zeitpunkt des Einlangens der Anmeldung des Anspruches durch den Gläubiger beim Schuldner bis zu dessen schriftlicher Entscheidung (bzw schriftlichen Erklärung über die Ablehnung des Anspruches - § 27 Abs 2 KHVG) verstreicht. In diesem Fall liegt es sohin aufgrund gesetzlicher Anordnung beim Schuldner, sich über die Forderung zu erklären, während der Gläubiger auf das Einlangen dieser Erklärung verwiesen ist. Im Hinblick auf diese Regelung ist die Hemmung der Verjährung als Fortlaufshemmung zu qualifizieren; die für den Gläubiger laufende Verjährungszeit soll durch ein unter Umständen längeres Hinauszögern der Antwort durch den in Anspruch genommenen Versicherer, der die Wahl des Zeitpunktes seiner Stellungnahme allein bestimmen kann, nicht beeinflußt werden. Dies rechtfertigt es, diesen Zeitraum für den Lauf der Verjährungszeit überhaupt außer Betracht zu lassen.
Anders ist die Situation jedoch bei der in § 9 Abs 2 KO angeordneten Hemmung der Verjährung. Diese Bestimmung soll sicherstellen, daß die Verjährung des Anspruches des Gläubigers zumindest bis zum Ablauf der für die Klageführung gesetzten Frist aufgeschoben wird. Andernfalls bestünde dann, wenn die Konkurseröffnung knapp vor Ablauf der Verjährungszeit erfolgt, die Gefahr, daß der Anspruch während des Verfahrens bzw vor Ablauf der Klagefrist verjährt und daher nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Nur diesen Nachteil soll die zitierte Bestimmung abwenden. Es liegt hier allein am Gläubiger, zu entscheiden, wann er die Klage erhebt; ohne die Verjährung des Anspruches befürchten zu müssen, steht ihm hiefür jedenfalls die Zeit bis zum Ablauf der ihm gesetzten Klagefrist offen. Dafür, daß die Verjährungsfrist im Sinne einer Fortlaufshemmung während dieses Zeitraumes überhaupt ruhen und der noch offene Rest nach Ablauf der Klagefrist weiterlaufen soll, finden sich im Gesetzeswortlaut keine Anhaltspunkte und auch aus dem mit der Bestimmung verfolgten Zweck läßt sich ein solcher Regelungsinhalt nicht ableiten. Daß dann, wenn die Konkurseröffnung kurz nach Beginn der Verjährungszeit erfolgt, § 9 Abs 2 KO dem Gläubiger gegenüber der Situation außerhalb eines Konkurses keine günstigere Position verschafft, kann nicht abgeleitet werden, daß mit der Bestimmung eine Fortlaufshemmung angeordnet werden soll; in diesen Fällen bedarf es überhaupt keiner Hemmungsbestimmung, weil der Gläubiger die Möglichkeit hat, seine Forderung ohne die Gefahr eines Anspruchsverlustes im Konkurs geltend zu machen. Die Bestimmung trifft vielmehr Vorsorge für Fälle, in denen ansonst während des Verfahrens bzw der Klagefrist der Eintritt der Verjährung befürchtet werden müßte. Dies zeigt der vorliegende Fall: Die Verjährungsfrist wäre am abgelaufen, verlängerte sich aber aufgrund der Bestimmung des § 9 Abs 2 KO bis zum Ablauf der Klagefrist am . Mit Ablauf dieser Frist ist die Verjährung jedoch eingetreten (vgl Schwarz/Reissner/Holzer/Holler, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz3 325). Das Begehren des Klägers wurde daher von den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen.