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VfGH vom 11.06.1988, B827/87

VfGH vom 11.06.1988, B827/87

Sammlungsnummer

11705

Leitsatz

Grundzersplitterung; denkmögliche Annahme, daß die geschenkten Grundstücke für die Führung eines selbständigen landwirtschaftlichen Betriebes nicht ausreichen; für die Beurteilung der hinreichenden Ausstattung mit Grundflächen ist die Art des Betriebes - hier Pferdehaltung - maßgeblich; keine Willkür

Spruch

1. Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Schenkungsvertrag vom übertrug

Josef Waldhart seinem Sohn M W schenkungsweise das Eigentum an

der Gp. ... im Ausmaß von 2.132 m2, an der Gp. ... im Ausmaß

von 5.154 m2, an den Gpn. ... Ausmaß von zusammen 6.853 m2

und an der Gp. ... im Ausmaß von 1.201 m2, alle KG Telfs, zum

Zwecke der Errichtung eines landwirtschaftlichen Betriebes.

Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Telfs wurde diesem Rechtserwerb gemäß § 3 Abs 1 lita des Grundverkehrsgesetzes 1983, LGBl. für Tirol Nr. 69/83 (künftig: GVG), die Zustimmung erteilt.

2.1. Gegen diesen Bescheid erhob der Landesgrundverkehrsreferent Berufung im wesentlichen mit dem Einwand, daß mit dem Schenkungsvertrag die Aufteilung eines Landwirtschaftsbetriebes erfolge, der ohnedies nur das für die Existenzfähigkeit eines Landwirtschaftsbetriebes eben erforderliche Ausmaß aufweise, und daß auf den geschenkten Grundstücken schon im Hinblick auf eine Flächenausstattung mit nur 1,5 ha kein lebensfähiger Landwirtschaftsbetrieb geschaffen werden könne.

2.2. Die Vertragsparteien brachten hierauf vor, der Schenkungsgeber habe die geschenkten Grundstücke erst im Laufe der letzten zwei Jahre erworben, um auf diesen Grundstücken einen Pferdestall mit einer Reitsportanlage zu errichten. Zu diesem Zwecke sei auch ein Pferdestall, "Stadel", und eine Reithalle mit Genehmigung der Marktgemeinde Telfs errichtet worden. Durch die Übergabe werde für den Sohn des Geschenkgebers die Grundlage für den Aufbau eines existenzfähigen Landwirtschaftsbetriebes geschaffen; dieser Sohn sei 26 Jahre alt, arbeite in der elterlichen Landwirtschaft, habe die Landwirtschaftsschule absolviert und sei zur landwirtschaftlichen Meisterprüfung angemeldet. Beim Stammbetrieb des Übergebers verblieben auch nach der Übergabe noch immer rund 12 ha eigener, bester Kulturgrund.

2.3. Mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Z LGv-66/4-86, wurde der Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten Folge gegeben und der beabsichtigten Eigentumsübertragung gemäß § 4 Abs 1 und § 6 Abs 1 litc GVG die Zustimmung versagt.

Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt:

"Die Größenstrukturen, die (für einen selbständigen, lebensfähigen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb) erforderlich sind, können nicht nach starren Regeln beurteilt werden, können also nach Maßgabe des jeweiligen Falles (insbesondere auch unter Berücksichtigung der Produktionsbedingungen) unterschiedlich sein. Im Lichte der zum land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrsrecht ergangenen Judikatur des VfGH erscheint aber klargestellt, daß mit Grundbesitz in dem in Rede stehenden Ausmaß nicht die Grundlage für einen leistungsfähigen wirtschaftlich gesunden bäuerlichen Betrieb geschaffen werden kann. Wenn man nämlich bedenkt, daß der VfGH in seinem zum Vorarlberger GVG 1977 ergangenen Erkenntnis vom , B570/85, ausgeführt hat, daß dafür landwirtschaftliche (Nutz-)Flächen von 1,7 ha und etwa 9 ha Alpweidefläche zu gering sind, so muß dies wohl auch für Grundbesitz gelten, der gerade die 1,5 ha-Grenze erreicht. Nicht außer Betracht gelassen darf auch werden, daß die durchschnittliche Betriebsgröße der landwirtschaftlichen Betriebe im Land Tirol - ohne Alm bzw. Weiderechte - 4,86 ha beträgt ... und sohin der mit dem vorliegenden Rechtsgeschäft neu geschaffene Grundbesitz weit unter dem Landesdurchschnitt zu liegen kommen würde.

Damit muß aber weiters davon ausgegangen werden, daß das in Frage stehende Rechtsgeschäft auf die Schaffung von unrentablen Betriebsgrößen hinausläuft und die gegenwärtigen Besitzverhältnisse in eine agrarpolitisch unerwünschte Richtung ('Besitzzersplitterung') verändert werden."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, an den VfGH gerichtete Beschwerde, in der die Bf. die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Erwerbsfreiheit und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend machen, die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragen sowie für den Fall der Abweisung die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehren.

Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

Die Bf. haben hierauf repliziert.

4. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1.1. Die Bf. behaupten zunächst, der angefochtene Bescheid verletze sie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, weil die Behörde Ermittlungstätigkeiten in entscheidenden Punkten unterlassen habe. Der Hinweis auf § 6 Abs 1 litc GVG erscheine willkürlich, weil M W geprüfter Landwirtschaftsmeister sei, was bereits die Befürchtung widerlege, daß er den landwirtschaftlichen Betrieb nicht selbst bewirtschaften werde. Selbst ein Minimum an Ermittlungen hätte erwiesen, daß M W sich dieser Ausbildung unterzogen habe, um die landwirtschaftliche Tätigkeit selbst auszuüben. Der Behörde müsse daher der Vorwurf gemacht werden, leichtfertig vorgegangen zu sein.

4.1.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 10516/1985) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten, das in die Verfassungssphäre eingreift, läge ua. im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zu diesem Beschwerdevorwurf genügt es festzuhalten, daß die bel. Beh. - wie auch in der Gegenschrift betont wird - im angefochtenen Bescheid die persönliche Eignung des Übernehmers zur Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes überhaupt nicht bezweifelt hat. Wenn aber die bel. Beh. im gegebenen Zusammenhang für den Standpunkt der Bf. gar nichts Nachteiliges angenommen hat, ist der hierauf gegründete Vorwurf der Willkür schon deshalb verfehlt. Daß an sich jegliche Ermittlungstätigkeit unterblieben wäre oder daß sich die Behörde mit dem Standpunkt der Bf. überhaupt nicht auseinandergesetzt hätte, wird im übrigen nicht behauptet. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt somit nicht vor.

4.2.1. Die Bf. behaupten weiters eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Erwerbsfreiheit. Der Bf. M W werde durch den angefochtenen Bescheid gehindert, eine landwirtschaftliche Tätigkeit frei auszuüben. Bedenke man, daß der Bf. auf Grund behördlicher Genehmigungen auf den in Rede stehenden geschenkten Flächen bereits einen landwirtschaftlichen Betrieb (Stallungen und Wirtschaftsgebäude) errichtet habe und daß dieser Betrieb nun schon seit geraumer Zeit floriere, so ergebe sich daraus, daß der Bf. M W im Recht auf Erwerbsfreiheit stark beeinträchtigt werde. Es sei unrichtig, daß der übertragene Grundbesitz für einen leistungsfähigen landwirtschaftlichen Betrieb nicht ausreiche. M W habe ausgeführt, daß er einen alternativen landwirtschaftlichen Betrieb errichten und aufbauen wolle, was er auch bereits getan habe. Der bel. Beh. wäre es leicht möglich gewesen, diese Darstellung zu überprüfen. Dabei hätte die bel. Beh. feststellen müssen, daß der übergebene Grundbesitz sehr wohl Grundlage für einen leistungsfähigen, landwirtschaftlich gesunden bäuerlichen Betrieb sein könne, zumal M W die Möglichkeit habe, durch Zupachtung und Zukauf diesen Besitz zu erweitern. Die Gefahr einer Besitzzersplitterung treffe nicht zu, der Besitz des Übergebers weise nach wie vor mit 12 ha eine ausreichende Größe auf, jener seines Sohnes besitze ebenfalls eine ausreichende Größe für einen rentablen landwirtschaftlichen Betrieb.

4.2.2. Das Recht auf Freiheit auf Erwerbsausübung kann nur verletzt werden, wenn die Behörde den Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbstätigkeit gesetzlos (in denkunmöglicher Anwendung eines Gesetzes) oder auf Grund eines verfassungswidrigen Gesetzes untersagt. Art 6 StGG gewährt jedoch keinen Schutz gegen Amtshandlungen, die die Erwerbsbetätigung nicht unmittelbar betreffen, mögen auch die Nebenwirkungen mittelbar die Erwerbsbetätigung verhindern; die Erwerbsbetätigungsfreiheit wird somit nicht verletzt, wenn der Verwaltungsakt die Realisierung einer bestimmten Erwerbsbetätigung lediglich faktisch verhindert (vgl. VfSlg. 7856/1976 und die dort angeführte Rechtsprechung, 10140/1984 und 11516/1987).

Die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung des Rechtsgeschäftes war was die Beschwerde gar nicht behauptet - offenkundig nicht unmittelbar gegen die Erwerbsbetätigung der Bf. gerichtet. Sie sind daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Erwerbsausübung (Art6 StGG) nicht verletzt worden.

4.3.1. Die Bf. behaupten schließlich, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt zu sein. "In unrichtiger Anwendung der entsprechenden Bestimmungen des Tiroler GVG und unter Außerachtlassung der in diesem Fall vorliegenden besonderen Verhältnisse" werde M W die Möglichkeit versagt, die ihm geschenkten Grundstücke zu erwerben. Der VfGH hat aber auch das Vorbringen der Bf. zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit unter dem Aspekt des Grundrechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geprüft.

4.3.2. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht auf §§4 Abs 1 und 6 Abs 1 litc GVG. Bei der Unbedenklichkeit dieser Bestimmungen (vgl. zB VfSlg. 7198/1973, 7546/1975, 9009/1981 und die dort weiters angeführte Vorjudikatur) könnte eine Verletzung des in Rede stehenden Grundrechtes nur bei einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung stattgefunden haben. Die bel. Beh. hat dem beabsichtigten Rechtserwerb die Zustimmung versagt, weil sie bezweifelt, daß die geschenkten Grundstücke zur Führung eines selbständigen lebensfähigen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausreichen. Sie beruft sich hiebei auf die Rechtsprechung des VfGH, insbesondere (richtig wohl: B344/74) = VfSlg. 7604/1975 und VfSlg. 10764/1986 (in welcher Entscheidung der VfGH das Vorliegen des in Rede stehenden Untersagungstatbestandes für denkmöglich erachtet habe, obwohl damals ein größerer Grundbesitz vorlag). Der VfGH ist der Ansicht, daß wohl dem Ausmaß des Grundbesitzes grundsätzlich Bedeutung zukommt, daß aber zur Beurteilung, ob eine hinreichende Grundausstattung vorliegt, die Art des beabsichtigten landwirtschaftlichen Betriebes maßgeblich ist (zB Forstwirtschaft oder Baumschule, Landwirtschaft in Tallage oder Alpwirtschaft, Bienenzucht oder Pferdehaltung); ein schematischer Vergleich der Grundausstattungen ist daher nicht zielführend. Im Beschwerdefall hält der VfGH jedoch schon im Hinblick auf das eigene Vorbringen der Bf. den Standpunkt der bel. Beh. für denkmöglich. Immerhin wird schon in der Gegenäußerung der Bf. zur Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten davon gesprochen, daß durch die geschenkten Grundstücke nur die "Basis für die Existenz" des Übernehmers geschaffen werden solle. In der Beschwerde heißt es, "daß der übergebene Grundbesitz sehr wohl Grundlage für einen leistungsfähigen landwirtschaftlich gesunden bäuerlichen Betrieb sein kann, zumal M W die Möglichkeit hat, durch Zupachtung und Zukauf diesen landwirtschaftlichen Grundbesitz zu erweitern". In einer Äußerung zur Gegenschrift der bel. Beh. führen die Bf. aus, es sei richtig, daß zur Zeit mit über 1 ha eigenem Grund und mit 4 ha dazugepachtetem Grund die Futtergrundlage nicht voll gegeben sei. Es sei vorläufig ein Zukauf von Futter nötig, welches aber im Überfluß hierorts preisgünstig angeboten werde. Wenn aber selbst nach der eigenen Darstellung der Bf. die Grundausstattung des beabsichtigten Betriebes offenkundig nicht hinreicht, sodaß Zupachtungen erforderlich sind und von künftigen Zukäufen gesprochen wird, dann kann der bel. Beh. jedenfalls nicht der Vorwurf eines denkunmöglichen Vorgehens bei der Annahme gemacht werden, daß die in Rede stehenden geschenkten Grundstücke für die Führung eines selbständigen lebensfähigen landwirtschaftlichen Betriebes nicht ausreichen und daß - aus der Sicht des Übergebers - von einer Grundzersplitterung gesprochen werden müsse. Ein in die Grundrechtssphäre reichender Fehler kann der bel. Beh. jedenfalls nicht angelastet werden. Ob die Entscheidung richtig ist - was die Bf. bestreiten -, hat der VfGH nicht zu prüfen.

Auch eine Eigentumsverletzung liegt somit nicht vor.

4.4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat somit nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH war ebenfalls abzuweisen, da die bel. Beh. eine Kommission nach Art 133 Z 4 B-VG ist und die Anrufung des VwGH im Gesetz nicht vorgesehen ist.

6. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.