OGH vom 12.02.1991, 10ObS56/91
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Prohaska und Dr. Stephan Seper (beide Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ernestine SCH*****, vertreten durch Dr. Eduard Saxinger und Dr. Peter Baumann, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei SOZIALVERSICHERUNGSANSTALT DER GEWERBLICHEN WIRTSCHAFT (LANDESSTELLE OBERÖSTERREICH), 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr. Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ruhens eines Hilflosenzuschusses infolge Revision der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 13 Rs 91/90-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 9 Cgs 33/90-5, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision der Klägerin wird nicht Folge gegeben.
Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, eine Ruhendstellung des Hilflosenzuschusses zur Alterspension des Leopold SCH***** am und vom 6. bis einschließlich zu unterlassen, wird abgewiesen".
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Ehegatte der Klägerin beantragte am zur Alterspension den Hilflosenzuschuß. Vom bis zu seinem Tod am wurde er auf Kosten eines Trägers der Sozialversicherung in einer Krankenanstalt gepflegt. Nach seinem Tod wurde das Verfahren durch die Klägerin, die mit ihm zur Zeit seines Todes in häuslicher Gemeinschaft gelebt hatte, fortgesetzt.
Mit dem gegenüber der Klägerin erlassenen Bescheid vom sprach die beklagte Partei aus, daß die Alterspension (§ 130 GSVG) ab nicht gebühre (Punkt 1.), daß der Hilflosenzuschuß (§ 74 GSVG) vom 18.7. bis mit monatlich 2.542 S gebühre, ab nicht gebühre (Punkt 2.), daß der Hilflosenzuschuß vom 3. bis zur Gänze, ab nicht ruhe (§ 74 GSVG) (Punkt 3.), und daß die Berechtigung (der Klägerin) zur Fortsetzung des durch das Ableben des Anspruchsberechtigten unterbrochenen Verfahrens anerkannt werde (Punkt 4.).
In der gegen die Feststellung des Ruhens des Hilflosenzuschusses vom 3. bis im Punkt 3. gerichteten Klage begehrte die Klägerin, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, die Ruhendstellung des Hilflosenzuschusses am und vom 6. bis zu unterlassen. Die Ruhendstellung sei nur vom Beginn der fünften Pflegewoche in der Krankenanstalt an bis zum Todestag, also nur am 4. und gerechtfertigt.
Die beklagte Partei beantragte, das Ruhen des Hilflosenzuschusses am 3. und festzustellen und das Mehrbegehren abzuweisen, weil die fünfte Pflegewoche bereits am begonnen habe und der Anspruch auf Hilflosenzuschuß mit dem Tod des Pensionisten am nach § 68 Abs 1 lit b GSVG ohne weiteres Verfahren erloschen sei.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, die Ruhendstellung des Hilflosenzuschusses am und vom 6. bis zu unterlassen. Der Bescheid vom sei hinsichtlich seiner Punkte 1., 2. und 4. rechtskräftig geworden und damit rechtskräftig festgestellt, daß der Hilflosenzuschuß vom 18.7. bis mit monatlich 2.542 S gebühre. Daher sei nur mehr zu prüfen, in welchem Umfang dieser Hilflosenzuschuß nach § 74 Abs 3 GSVG ruhe. Nach dem anzuwendenden § 902 Abs 2 ABGB sei die vierwöchige Frist am abgelaufen, so daß der Hilflosenzuschuß erst seit ruhe. Da dieser Anspruch nach § 68 Abs 1 lit b GSVG mit dem Tod des Anspruchsberechtigten erloschen sei, sei die bescheidmäßige Feststellung dieses Anspruches bis und die gleichzeitige Ruhendstellung für die Zeit "ab" (richtig: nach) dem Tod(estag) zwar verfehlt gewesen, doch könne dies wegen der diesbezüglichen Rechtskraft des Bescheides nicht berichtigt werden. Für den Ausspruch über das Ruhen fehle eine gesetzliche Grundlage.
Dagegen erhob die beklagte Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung Berufung. Darin beantragte sie, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß sie schuldig erkannt werde, der Klägerin den Hilflosenzuschuß für die Zeit vom bis im Ausmaß von monatlich 2.542 S unter Berücksichtigung eines Ruhens gemäß § 74 Abs 3 GSVG in der Zeit vom 3. bis zu gewähren und das Mehrbegehren der Klägerin, ihr den Hilflosenzuschuß auch für den unter Abstandnahme von der Anwendung der Ruhensbestimmung des § 74 Abs 3 GSVG und darüberhinaus auch für die Zeit vom 6. bis (richtig: 1989) zu gewähren, abzuweisen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es zu lauten habe:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin als Bezugsberechtigte(n) nach dem Tod des Anspruchsberechtigten Leopold SCH***** binnen 14 Tagen 84,70 S an Hilflosenzuschuß zu zahlen.
Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, die Ruhendstellung des Hilflosenzuschusses vom 6. bis zu unterlassen, wird abgewiesen."
Das Berufungsgericht hielt das Klagebegehren auf Bezug des Hilflosenzuschusses ab dem Zeitpunkt, von dem an der Anspruch des Verstorbenen nach § 74 Abs 3 GSVG ruhte, für unberechtigt. § 77 Abs 1 GSVG regle die Bezugsberechtigung bezüglich einer im Zeitpunkt des Todes des Anspruchsberechtigten noch nicht ausgezahlten fälligen Geldleistung, setze also voraus, daß der Anspruchsberechtigte im genannten Zeitpunkt (materiell) einen Geldleistungsanspruch gehabt habe. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, weil der Anspruch auf Hilflosenzuschuß nach § 74 Abs 3 GSVG zur Gänze geruht habe. Für den Ausspruch des Ruhens des Anspruchs auf Hilflosenzuschuß gegenüber dem Pensionsbezieher selbst, worauf es entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes ausschließlich ankommen könne, habe eine gesetzliche Grundlage bestanden. Da es bezüglich der Bezugsberechtigung daher nur auf die Geldleistungspflicht der beklagten Partei ankommen könne, sei das den Zeitraum vom 6. bis betreffende Begehren auf Hilflosenzuschuß in Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Hinsichtlich der Fristberechnung sei die Berufung jedoch nicht berechtigt. Gleichgültig, ob die Frist des § 74 Abs 3 GSVG nach bürgerlichem Recht (§ 902 ABGB) berechnet werde oder ob man auf die Bestimmungen des öffentlichen Rechts (§ 32 AVG) zurückgreife, blieben Bruchteile eines Tages bei der Fristberechnung unberücksichtigt und könnten den Ablauf einer Frist nicht verkürzen. Der Tag, auf den der Zeitpunkt oder die Ereignung falle, werde nicht mitgerechnet. Die Berufungswerberin vermenge die Abs 1 und 2 des § 902 ABGB. Sie berechnet die Frist nach Tagen, zähle aber den Tag mit, an welchem das Ereignis falle, von dem der Fristlauf beginne. Die fünfte Woche der Anstaltspflege könne erst beginnen, nachdem die vierte Woche geendet habe. Im vorliegenden Fall habe die Anstaltspflege am Sonntag, dem , begonnen, so daß die vierte Woche mit Sonntag, dem , geendet habe. Erst am folgenden Tag, dem , habe die fünfte Woche begonnen, weshalb der Hilflosenzuschuß seither ruhe. Für den habe daher noch ein auf die Klägerin übergegangener Geldleistungsanspruch bestanden.
Dieses Urteil wird von beiden Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit Revision bekämpft. Das Rechtsmittel der Klägerin wendet sich gegen die Abweisung ihres auf Unterlassung der Ruhendstellung des Hilflosenzuschusses vom
6. bis gerichteten Begehrens und beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung abzuändern. Die Revision der beklagten Partei bekämpft das Berufungsurteil, insoweit sie darin zur Zahlung von 84,70 S verpflichtet wurde und beantragt, das Berufungsurteil im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.
Die Klägerin erstattete keine Revisionsbeantwortung; die beklagte Partei beantragt, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Nur die Revision der beklagten Partei ist berechtigt. Nach § 74 Abs 3 GSVG ruht der Hilflosenzuschuß ua während der Pflege in einer Krankenanstalt ab dem Beginn der fünften Woche dieser Pflege, wenn ein Träger der Sozialversicherung die Kosten der Pflege trägt.
Damit wird keine Frist, sondern der Anfangstermin des Ruhens bestimmt.
Der Ehegatte der Klägerin wurde vom , einem Sonntag, bis zu seinem Tod am in einer Krankenanstalt auf Kosten eines Trägers der Sozialversicherung gepflegt. So wie die erste Woche dieser Pflege nicht erst am , sondern bereits am ersten Pflegetag, dem begann, begann auch die fünfte Woche dieser Pflege - entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes - schon am Sonntag, dem , also am
29. Pflegetag.
Der Hilflosenzuschuß ruhte daher schon vom an.
Deshalb war der Revision der beklagten Partei Folge zu geben.
Beim Hilflosenzuschuß, der nach § 74 Abs 1 GSVG zu der Pensionn gebührt, handelt es sich um keinen Pensionsbestandteil im engeren Sinne, sondern um eine vom Gesundheitszustand des Pensionisten abhängige Zusatzleistung, die den Bestand eines Pensionsanspruches zur Voraussetzung hat (Teschner in Tomandl, SV-System 4.ErgLfg 407; Grillberger, Österreichisches Sozialrecht 76).
In entsprechender Anwendung des den Beginn und das Ende des Ruhens von Pensionsansprüchen regelnden § 63 GSVG sind Hilflosenzuschüsse von dem Tag an wieder zu gewähren, mit dem der Ruhensgrund weggefallen ist. Dies gilt jedoch nur dann, wenn nur der Ruhensgrund wegfällt, nicht aber auch gleichzeitig der Anspruch auf die Pensionsleistung selbst, die eine Voraussetzung dieses Zuschusses ist, erlischt (§ 68 Abs 1 lit b GSVG).
Diese Ausnahme liegt im vorliegenden Fall vor, weil der Anspruch auf die laufende Leistung der Alterspension samt Hilflosenzuschuß mit dem Tod des Anspruchsberechtigten am ohne weiteres Verfahren erloschen ist.
Richtig ist, daß die Pension, der Kinderzuschuß und das Übergangsgeld nach dem letzten Halbsatz dieser Gesetzesstelle noch für den Kalendermonat, in dem der Grund des Wegfalles eingetreten ist, also bis zum Ende des Todesmonats, gebühren.
Ob dies auch für den Hilflosenzuschuß gilt, der im genannten Halbsatz nicht angeführt ist, kann hier schon deshalb dahingestellt bleiben, weil im durch die Klage nicht außer Kraft getretenen Punkt 2. des Bescheides vom rechtskräftig festgestellt wurde, daß der Hilflosenzuschuß bis , also bis zum Ende des Todesmonats, gebührt.
Dies ändert jedoch nichts daran, daß der Hilflosenzuschuß auch noch nach dem Tod des Pensionisten bis zum Ende des Todesmonats ruhte.
Wenn das Ruhen des Hilflosenzuschusses nach § 74 Abs 3 GSVG bis zum Tod des Pensionisten gedauert hat, dann bleibt es bis zum Ende des Todesmonats aufrecht.
Von einem Wegfall des Ruhensgrundes nach § 74 Abs 3 GSVG, der zur Wiedergewährung des Hilflosenzuschusses vom Tage des Wegfalls an führen würde, kann nur dann gesprochen werden, wenn ein lebender Pensionist nicht mehr in einer in der genannten Gesetzesstelle aufgezählten Anstalt auf Kosten eines Trägers der Sozialversicherung gepflegt wird, sei es, daß er seinen Aufenthalt in einer solchen Anstalt beendet oder daß die Kosten der Pflege nicht mehr von einem Träger der Sozialversicherung getragen werden.
Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn der Ruhensbestimmung. Diese geht davon aus, daß einem hilflosen Pensionisten, der die notwendige Wartung und Hilfe durch die Pflege in einer Kranken-, Heil- oder Siechenanstalt auf Kosten eines Trägers der Sozialversicherung erhält, ab dem Beginn der fünften Woche des Anstaltsaufenthaltes durch die Hilflosigkeit kein Mehraufwand entsteht, zu dessen wenigstens teilweiser Abgeltung der Hilflosenzuschuß dient. Daß kürzere Anstaltsaufenthalte das Ruhen des Hilflosenzuschusses noch nicht herbeiführen, wurde in der in MGA ASVG 47.ErgLfg 616 FN 10 zitierten RV zur dem § 74 Abs 3 GSVG entsprechenden Bestimmung der Stammfassung des ASVG 599 BlgNR
7. GP damit begründet, daß in solchen Fällen die bisherigen Pflegekosten noch weiterlaufen können und auch die mit einer Ruhendstellung des Hilflosenzuschusses wegen eines weniger als vierwöchigen Anstaltsaufenthaltes verbundene Verwaltungsarbeit kaum in einem entsprechenen Verhältnis zum erzielten finanziellen Erfolg stehen würde.
Wird ein hilfloser Pensionist aus der Pflege einer im § 74 Abs 3 GSVG genannten Anstalt entlassen, muß er den mit seiner Wartung und Hilfe verbundenen Mehraufwand wieder selbst tragen, weshalb der Hilflosenzuschuß wieder zu gewähren ist. Stirbt ein hilfloser Pensionist jedoch nach Beginn der fünften Woche seiner Anstaltspflege während derselben, dann treffen die für das Ruhen des Hilflosenzuschusses maßgeblichen Gründe weiter zu.
Damit erweist sich die Revision der Klägerin als nicht berechtigt.
In Stattgebung der Revision der beklagten Partei waren die Urteile der Vorinstanzen daher im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.