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OGH vom 24.08.2022, 14Os58/22v

OGH vom 24.08.2022, 14Os58/22v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. SetzHummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Turner in der Strafsache gegen B* C* wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 iVm § 161 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom , GZ 46 Hv 53/20s69, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu II, demgemäß auch im Strafausspruch, aufgehoben, und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Linz verwiesen.

Darauf wird die Angeklagte mit ihrer Berufung verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil – das (zu II/A) unter anderem einen verfehlten Freispruch vom Vorwurf der Begehung weiterer kridaträchtiger Handlungen enthält (vgl RIS-Justiz RS0119791 [T1]) – wurde B* C* des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 iVm § 161 Abs 1 StGB (I) und des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 (Abs 5 Z 3 und 4) iVm § 161 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie in L* als Geschäftsführerin der B* GmbH, mithin als leitende Angestellte dieser juristischen Person,

I/ die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, einen Bestandteil des Vermögens dieser Gesellschaft beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung deren Gläubiger vereitelt oder geschmälert, indem sie vom bis zum

1/ private Verbindlichkeiten ihres Sohnes J* C* im Umfang von zumindest 31.700 Euro beglich;

2/ Verbindlichkeiten der M* GmbH im Umfang von zumindest 2.590 Euro beglich;

II/ grob fahrlässig (§ 6 Abs 3 StGB) die Zahlungsunfähigkeit der B* GmbH durch kridaträchtiges Handeln herbeigeführt, indem sie entgegen den Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens

A/ übermäßigen, mit den Vermögensverhältnissen dieser Gesellschaft (zu ergänzen: oder deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit) in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand dadurch trieb, dass sie Mittel dieser Gesellschaft für folgende Ausgaben verwendete, nämlich

1/ von 2015 bis 2016 für die Privatnutzung eines Firmen-Pkw (Aufwand 8.640 Euro);

2/ von Jänner 2014 bis „Juni 2018“ für die Miete der von ihr privat genutzten Wohnung (insgesamt 79.161,81 Euro);

3/ 2014 und 2015 für Aufwendungen ihres Sohnes J* C* (67.500 Euro);

4/ für „zusätzliche Aufwendungen für Kfz von Juli 2017 bis Juni 2018“ (29.400 Euro);

B/ „zumindest ab 2017 bis zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am die Geschäftsbücher der B* GmbH so führte, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wurde bzw. sonstige geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen, die ihr einen solchen Überblick verschafft hätten, unterließ“.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen von der Angeklagten aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist teilweise im Recht.

[4] Der von der Mängelrüge erhobene Vorwurf, die Feststellungen zu den von Punkt I inkriminierten Zahlungen seien aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall), weil „aus den vorliegenden Urkunden nicht ableitbar“, übersieht, dass nur die unrichtige oder unvollständige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln im Urteil, nicht die aus diesen gezogenen Schlussfolgerungen Nichtigkeit in diesem Sinn begründet (RISJustiz RS0099431).

[5] Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang Mängel der Sachverhaltsermittlung behauptet, unterlässt sie die gebotene Darlegung, wodurch sie an darauf abzielender Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen sei (RIS-Justiz RS0115823).

[6] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt zu Punkt I des Schuldspruchs die prozessordnungsgemäße Bezugnahme auf die Gesamtheit des Urteilssachverhalts (RISJustiz RS0099810): Zwar weist sie zutreffend darauf hin, dass § 156 StGB bloß das Gläubigerinteresse an der Befriedigung von zur Tatzeit bestehenden Forderungen schützt, weshalb ein Schuldspruch nach diesem Tatbestand die Feststellung voraussetzt, dass (vom Vorsatz umfasst) die Befriedigung zumindest eines der (mehreren) im Tatzeitpunkt bereits vorhandenen Gläubiger vereitelt oder geschmälert wurde (RIS-Justiz RS0133786). Sie lässt dabei allerdings die Urteilspassagen außer Acht, nach welchen die B* GmbH bereits 2017 Schuldnerin unter anderem des Finanzamts und zweier Krankenkassen gewesen sei, im Gegenzug zu den inkriminierten Zahlungen „Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern“, etwa „der Öffentlichen Kassen“ offen geblieben seien (US 6 f), weiters die Beschwerdeführerin durch diese Zahlungen Vermögen dem Zugriff der Gesellschaftsgläubiger entzogen (US 8) und (ab 2017) Ratengesuche „bei der GKK und beim Finanzamt gestellt“ (US 11 f) sowie es billigend in Kauf genommen habe, durch diese Vermögensverringerungen „die Befriedigung der jeweiligen Gläubiger der Gesellschaft“ zu vereiteln oder zu schmälern (US 9). Solcherart lässt sich die vom Tatbestand verlangte Kausalität zwischen inkriminierten Handlungen und (von zur Tatzeit bestehenden Gläubigern erlittenem) Befriedigungsausfall den Entscheidungsgründen mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen.

[7] Im Recht ist allerdings die Kritik zu Punkt II des Schuldspruchs:

[8] Verhaltensweisen, die nach dem vom Erstgericht mit angenommenen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (US 6) gesetzt wurden, können diese nach den Denkgesetzen nicht herbeigeführt haben, weshalb die zu diesen (vgl die Punkte II/A/4 und II/B sowie in diesem Umfang II/A/2 des Schuldspruchs) getroffenen Feststellungen als Grundlage eines Schuldspruchs nach § 159 Abs 1 (Abs 5 Z 3 und 4) StGB von vornherein nicht in Betracht kommen.

[9] Zur wirtschaftlichen Situation der B* GmbH in den Jahren 2014 bis 2016 wiederum enthält das Urteil die Aussage, die genannte Gesellschaft habe in jedem dieser Jahre einen Überschuss (von insgesamt 329.000 Euro) erwirtschaftet, erst 2017 sei es zu einem Bilanzverlust gekommen. „Im Jahr 2016 zeichneten sich wirtschaftliche Schwierigkeiten“ ab, ihre „Verbindlichkeiten bauten sich sukzessive weiter auf“ (US 6). Die „zumindest ab 2014“ an J* C* geleisteten Zahlungen hätten zu einem Aufbau von Forderungen der B* GmbH auf dem Verrechnungskonto dieses Gesellschafters bis Mitte 2018 (von zuletzt 790.007,43 Euro) geführt. Weder sei eine Vereinbarung über eine Rückzahlung geschlossen worden, noch sei eine solche geleistet worden (US 5). Diese Forderung sei uneinbringlich gewesen. Eine Wertberichtigung dieser Forderung in den Jahresabschlüssen sei unterblieben (US 7).

[10] Wie die Rechtsrüge (Z 9 lit a) im Ergebnis zutreffend aufzeigt, entbehrt das Urteil bereits einer ausreichenden Feststellungsbasis für die Beurteilung, ob der (nach dem Vorgesagten für einen Schuldspruch nach § 159 Abs 1 Abs 5 Z 3 StGB allein in Betracht kommende) bis Ende 2016 getriebene Aufwand (vgl II/A/1 und 3, teilweise [allerdings ohne Aufschlüsselung] auch 2) übermäßig war, also zu Ertrag und Vermögen des Unternehmens in auffallendem Missverhältnis stand (RISJustiz RS0119792; Kirchbacher in WK2 StGB § 159 Rz 50; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 159 Rz 14; vgl auch RISJustiz RS0118310). Ebenso wenig lässt sich anhand dieses Sachverhalts beurteilen, ob das 2014 bis 2016 gesetzte Verhalten der Beschwerdeführerin grob fahrlässig, demnach ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig, war, sodass – ex ante – der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der von ihr geführten Gesellschaft als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar war (vgl § 6 Abs 3 StGB; RISJustiz RS0117930; Kirchbacher in WK2 StGB § 159 Rz 4/1 und 21).

[11] Schließlich ist dem Urteil angesichts der pauschal und undifferenziert zur Kausalität aller (also auch der ab 2017 gesetzten) kridaträchtigen Handlungen gemeinsam getroffenen Feststellung (US 7 f) nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Zahlungsunfähigkeit (im Sinne von Mitkausalität RISJustiz RS0118309; Kirchbacher in WK2 StGB § 159 Rz 70) gerade durch die davor gesetzten Verhaltensweisen herbeigeführt wurde (vgl 11 Os 76/17m).

[12] Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen erforderte die sofortige Aufhebung des Schuldspruchs zu Punkt II, demgemäß auch des Strafausspruchs, bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) samt Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht.

[13] Dieses wird – im Fall eines Schuldspruchs nach § 159 Abs 1 StGB – mängelfrei begründete Feststellungen zur wirtschaftlichen Situation der B* GmbH bis zum Eintritt deren Zahlungsunfähigkeit, die eine Beurteilung der inkriminierten Aufwendungen als übermäßig und allenfalls des von der Angeklagten zu verantwortenden Grades der Fahrlässigkeit im obigen Sinn ermöglichen, zu treffen haben.

[14] Weiters wird es hinsichtlich der zur Last gelegten Verhaltensweisen, welche die Angeklagte nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der B* GmbH gesetzt haben soll, Strafbarkeit nach § 159 Abs 2 (Abs 5 Z 3 und 4) iVm § 161 Abs 1 StGB zu prüfen haben (vgl RISJustiz RS0100565 zum auf den Sanktionsbereich beschränkten Anwendungsbereich des Verschlechterungsverbots nach § 293 Abs 3 iVm § 290 Abs 2 StPO).

[15] Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten beruht auf § 390a StPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00058.22V.0824.000

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