OGH vom 06.09.2017, 13Os4/17p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Liselotte M***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 2, Abs 3 lit c FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Birgit L***** und Wolfgang S*****, die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und die Berufung der Angeklagten Liselotte M***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 126 Hv 3/16h-206, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der Liselotte M***** zu I/A/1/b, I/A/1/c/a und Birgit L***** zu II/A angelasteten Taten nach § 38 Abs 1 FinStrG, im Schuldspruch des Wolfgang S***** zu III/A, soweit er den Vorwurf der Beteiligung am Abgabenbetrug der Liselotte M***** durch Erstattung unrichtiger Jahresumsatzsteuererklärungen für 2010 und 2011 betrifft, sowie in der zum Schuldspruch III/A gebildeten Subsumtionseinheit und demgemäß in den Strafaussprüchen sämtlicher Angeklagter nach dem FinStrG aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Mit ihren auf die Strafaussprüche nach dem FinStrG bezogenen Rechtsmitteln werden Liselotte M*****, Birgit L*****, Wolfgang S***** und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten M***** gegen den Strafausspruch nach dem StGB werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten Birgit L***** und Wolfgang S***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Liselotte M***** mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (I/A/1/a), mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG in unterschiedlichen Fassungen vor BGBl I 2010/104 (I/A/1/b), mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG (I/A/1/c), des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 2, Abs 3 lit c FinStrG (I/A/2/a), des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 2, Abs 3 lit c FinStrG (I/A/2/b), mehrerer Vergehen (richtig: eines Vergehens) der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB (I/B), mehrerer Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (I/C), des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (I/D) und des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB (I/E) schuldig erkannt,
Birgit L***** mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG in den Fassungen BGBl I 2004/57 und BGBl I 2005/103 und des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 2, Abs 3 lit c FinStrG (II/B),
Wolfgang S***** des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 1, 39 Abs 2, Abs 3 lit c FinStrG (III/A) und des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 2, Abs 3 lit c FinStrG (III/B).
Danach haben – soweit hier von Bedeutung –
I/ Liselotte M*****
A/ im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts W***** als Geschäftsführerin der H***** GmbH vorsätzlich
1/ unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen bewirkt,
an Umsatzsteuer durch Erstattung unrichtiger Jahressteuererklärungen für 1993 um (umgerechnet) 277.832,29 Euro, 1994 um (umgerechnet) 300.116,54 Euro, 1995 um (umgerechnet) 287.563,22 Euro, 1996 um (umgerechnet) 279.552,67 Euro und 1997 um (umgerechnet) 272.442,61 Euro (1/a), 1998 um (umgerechnet) 276.733,23 Euro, 1999 um (umgerechnet) 241.083,68 Euro, 2000 um (umgerechnet) 542.914,79 Euro, 2001 um (umgerechnet) 424.765,20 Euro, 2002 um 592.164,20 Euro, 2003 um 699.598,44 Euro, 2004 um 898.480 Euro, 2005 um 919.560 Euro, 2006 um 961.367,21 Euro, 2007 um 936.660 Euro, 2008 um 1.108.126,67 Euro und 2009 um 1.065.554,34 Euro, wobei es ihr ab den Erklärungen für das Jahr 1998 darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung von Abgabenhinterziehungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (1/b/a/aa),
an Körperschaftsteuer durch Erstattung unrichtiger Jahressteuererklärungen für 2003 um 114.294,49 Euro, 2004 um 270.972,86 Euro, 2005 um 206.320,98 Euro, 2006 um 293.174,51 Euro, 2007 um 183.081,50 Euro, 2008 um 240.694,83 Euro und 2009 um 167.283,13 Euro, 2010 um 172.816,14 Euro, 2011 um 106.862,16 Euro und 2012 um 27.999,31 Euro, wobei es ihr darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung von Abgabenhinterziehungen eine fortlaufende Einnahme (1/b/a/bb) und ab den Erklärungen für das Beitragsjahr 2010 einen nicht bloß geringfügigen abgabenrechtlichen Vorteil (1/c/a) zu verschaffen,
an Kapitalertragsteuer als Alleingesellschafterin der H***** GmbH durch Unterlassen der Abfuhr unter Verletzung diesbezüglicher Anmeldungspflichten in 511 Fällen privater Einkommensverwendung im Zeitraum bis um insgesamt 1.138.189,70 Euro (1/b/ß) sowie in 220 Fällen privater Einkommensverwendung im Zeitraum bis um insgesamt 727.633,29 Euro (1/c/ß), indem sie Unternehmensgelder auf eigene Privatkonten und auf ein Privatkonto von Maria N***** überwies, an Maria N***** und an Birgit L***** in bar oder mittels sogenannter Barscheckbehebungen auszahlte oder auszahlen ließ, das Gehalt der nicht bei der H***** GmbH beschäftigten Manuela M***** bezahlte sowie Unternehmenserlöse auf dem eigenen Privatkonto entgegennahm und Kreditverbindlichkeiten der Manuela M***** abdeckte, wobei es ihr bei den Taten darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung von Abgabenhinterziehungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, sowie ab darauf, sich dadurch einen nicht bloß geringfügigen fortlaufenden abgabenrechtlichen Vorteil zu verschaffen;
2/ ohne den Tatbestand des § 39 Abs 1 FinStrG zu erfüllen, durch das Gericht zu ahndende Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung dadurch begangen, dass sie Vorsteuerbeträge geltend machte, denen keine Lieferungen oder sonstige Leistungen im Sinn des § 12 Abs 1 UStG 1994 an die H***** GmbH zugrunde lagen, um dadurch eine ungerechtfertigte Abgabengutschrift zu erlangen, und hiedurch, eine Verkürzung an Umsatzsteuer in einem 500.000 Euro übersteigenden Betrag bewirkt,
a/ unter Verletzung abgabenrechtlicher Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten durch Erstattung unrichtiger Jahressteuererklärungen für
2010 um 1.227.533,33 Euro,
2011 um 1.340.040 Euro und
2012 um 1.324.688,89 Euro;
b/ unter Verletzung der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Abgabe von § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen und dabei das Bewirken der Verkürzung für gewiss gehalten,
für Jänner 2013 um 97.716,67 Euro, Februar 2013 um 90.723,33 Euro, März 2013 um 104.083,33 Euro, April 2013 um 108.450 Euro, Mai 2013 um 103.133,33 Euro, Juni 2013 um 91.900 Euro, Juli 2013 um 111.791,67 Euro, August 2013 um 85.758,33 Euro, September 2013 um 97.575 Euro, Oktober 2013 um 101.858,33 Euro, November 2013 um 102.075 Euro, Dezember 2013 um 75.000 Euro, Jänner 2014 um 99.791,67 Euro, Februar 2014 um 95.931,67 Euro, März 2014 um 91.963,33 Euro, April 2014 um 95.570 Euro, Mai 2014 um 99.258,33 Euro, Juni 2014 um 89.658,33 Euro, Juli 2014 um 114.116,67 Euro und August 2014 um 93.496,67 Euro;
II/ Birgit L***** vorsätzlich zu den von Liselotte M***** begangenen strafbaren Handlungen durch Abgabe von Voranmeldungsformularen, in denen für die H***** GmbH Vorsteuerbeträge geltend gemacht wurden, denen keine Lieferungen oder sonstige Leistungen im Sinne des § 12 Abs 1 UStG 1994 zugrunde lagen, durch Behebung zu Unrecht lukrierter Vorsteuerguthaben sowie durch weitere im Urteil bezeichnete Handlungen in der Gewissheit beigetragen, dadurch eine Verkürzung an Umsatzsteuer zu bewirken, und zwar
A/ in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Finanzvergehen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, für August 2004 um 65.000 Euro, für September bis Dezember 2004 um monatlich durchschnittlich 74.873,33 Euro, Jänner bis Dezember 2005 um monatlich durchschnittlich 76.630 Euro, Jänner bis Dezember 2006 um monatlich durchschnittlich 80.113,93 Euro, Jänner bis Dezember 2007 um monatlich durchschnittlich 78.055 Euro, Jänner bis Dezember 2008 um monatlich durchschnittlich 92.343,89 Euro, Jänner bis Dezember 2009 um monatlich durchschnittlich 88.796,20 Euro und Jänner bis November 2010 um monatlich durchschnittlich 102.294,44 Euro (US 31);
B/ um dadurch eine ungerechtfertigte Abgabengutschrift zu erlangen, für Dezember 2010 um 102.294,44 Euro, für Jänner 2011 bis Dezember 2011 um monatlich durchschnittlich 111.670 Euro, für Jänner 2012 bis Dezember 2012 um monatlich durchschnittlich 110.390,74 Euro und für Jänner 2013 bis August 2014 in 20 (gemeint monatlichen) Angriffen um insgesamt 1.949.851,66 Euro (Fakten I/A/2/b);
III/ Wolfgang S***** zu I/A/2 beigetragen, und zwar
A/ vor dem zu den „Fakten“ I/A/2/a dadurch, „dass er die Saldenliste und Buchhaltungskontoblätter für die Erstellung der Umsatzsteuerjahreserklärung 2012 an die steuerliche Vertretung der H***** GmbH, die T*****gesellschaft m.b.H.“ weiterleitete;
B/ von Jänner 2013 bis September 2014 zum gesamten Faktenkomplex I/A/2/b dadurch, dass er die Scheinaufwendungen oder Scheinerlöse in den Geschäftsbüchern der H***** GmbH verbuchte und die für die Erstellung der monatlichen Voranmeldungen notwendigen Daten unmittelbar nach dem jeweiligen Monatsende an Birgit L***** übermittelte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Birgit L*****, die aus § 281 Abs 1 Z 3, 5, 9 lit a, 10 und 11 erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wolfgang S***** und die ausschließlich den Strafausspruch des Wolfgang S***** aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO bekämpfende Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.
Zur amtswegigen Maßnahme:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass zum Nachteil der Angeklagten M***** und L***** das Gesetz unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
1. Zu den Schuldsprüchen I/A/1/b und II/A:
Zufolge der „expliziten Anordnung des § 265 Abs 1p FinStrG“ subsumierte das Erstgericht die Liselotte M***** zu I/A/1/b und Birgit L***** zu II/A angelasteten vor begangenen Taten jeweils unter frühere Fassungen des § 38 Abs 1 FinStrG. Nach dem mit der FinanzstrafgesetzNovelle 2010 BGBl I 2010/104 eingefügten Abs 1p des § 265 FinStrG war (unter anderem) § 38 FinStrG in der bis dahin geltenden Fassung auf vor dem Inkrafttreten dieser Novelle begangene Finanzvergehen weiterhin anzuwenden. Solcherart wurde für den Regelungsbereich des § 38 FinStrG das Tatzeitrecht ex lege zum Urteilszeitrecht erklärt. Demgegenüber besteht zu § 38 FinStrG idF des Abgabenänderungsgesetzes 2015 BGBl I 2015/163 keine Übergangsregelung, woraus folgt, dass insoweit für nach dem ergangene erstinstanzliche Entscheidungen Urteilszeitrecht diese Gesetzesfassung ist (§ 265 Abs 1y FinStrG;13 Os 9/17y, ZWF 2017/42, 183). Der gemäß § 4 Abs 2 FinStrG anzustellende Günstigkeitsvergleich (vgl dazu RISJustiz RS0118096, RS0119085) unterblieb somit zu Unrecht. Die dafür erforderlichen Feststellungen (zur Vorgangsweise vgl 13 Os 47/16k) lassen sich dem Urteil nicht entnehmen. Hinzugefügt sei, dass das Tatzeitrecht im Unterschied zum Urteilszeitregime (§ 38 FinStrG idF BGBl I 2015/163) weder auf das Erlangen abgabenrechtlicher Vorteile abstellte noch das Vorliegen weiterer Voraussetzungen vorsah.
2. Zu den Schuldsprüchen I/A/1/c/a:
Gemäß § 38 Abs 2 FinStrG idF BGBl I 2015/163 muss die Absicht des Täters darauf gerichtet sein, sich durch wiederkehrende Begehung des in Rede stehenden Finanzvergehens einen nicht bloß geringfügigen fortlaufenden abgabenrechtlichen Vorteil zu verschaffen. Durch die Absicht, (bloß) einem Dritten – also beispielsweise dem vom Täter vertretenen Unternehmen – den vom Gesetz verlangten Vorteil zu verschaffen, wird der Qualifikationstatbestand des § 38 FinStrG idF BGBl I 2015/163 nicht erfüllt (13 Os 46/17i). Anders als nach früherer Rechtslage (vgl RISJustiz RS0086571, RS0086573 und RS0086909) scheidet nunmehr die Absicht, sich mittelbar über die Beteiligung an dem von der Abgabenverkürzung profitierenden Unternehmen einen Vermögensvorteil zu verschaffen, als qualifikationsbegründend im Sinn des § 38 FinStrG aus, weil diese Norm in der Fassung BGBl I 2015/163 die Absicht verlangt, einen (nicht bloß geringfügigen fortlaufenden) Vorteil zu verschaffen (vgl auch Fellner, FinStrG § 38 Rz 14; 13 Os 46/17i). Davon ausgehend fehlt der Entscheidung hinsichtlich der von § 38 Abs 2 FinStrG idF BGBl I 2015/163 verlangten Absicht des Täters, sich durch die wiederkehrende Begehung des in Rede stehenden Finanzvergehens (Verkürzung von Körperschaftsteuer) einen (nicht bloß geringfügigen) fortlaufenden Vorteil zu verschaffen, der unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion unerlässliche Sachverhaltsbezug.
Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler waren die Schuldsprüche der Liselotte M***** und der Birgit L***** sowie die diesbezüglichen Strafaussprüche – wie aus dem
Spruch ersichtlich – schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§ 285e StPO iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Auf aufgehobene Teile des Urteils bezogene Einwände der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten können somit dahinstehen.
Im Übrigen geht die Nichtigkeitsbeschwerde der Birgit L***** fehl:
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider verfielen sowohl der Antrag auf Vernehmung des Zeugen Prim. Dr. Sa***** zum Beweis dafür, „dass die verstorbene Frau N***** dem Zeugen Muhsin Sah***** 200.000 Euro geschenkt habe,“ was dieser entschieden bestritten habe, als auch der Antrag auf Vernehmung des Zeugen Ruza Ni***** zum Beweis dafür, „dass der Zeuge Muhsin Sah***** wiederholt und vehement Geldbeträge von Frau N***** gefordert habe“, was er ebenso wie den Erhalt von 200.000 Euro vehement bestritten habe (ON 205 S 58), zu Recht der Ablehnung, weil sie auf keinen entscheidenden Aspekt zielten.
Wenn auch eine Beweisführung zur Erschütterung der Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen grundsätzlich zulässig ist (RIS-Justiz RS0098429, RS0028345), ließen sich dem Antragsvorbringen keine für die Berechtigung eines solchen Begehrens erforderlichen (vgl RIS-Justiz RS0120109) konkreten Anhaltspunkte für eine habituelle Falschbezichtigungstendenz des Zeugen oder für einen Zusammenhang allfälliger früherer falscher Angaben mit dem hier aktuellen Verfahrensgegenstand entnehmen, womit die Abweisung der Anträge jedenfalls nicht zu beanstanden ist.
Das Erstgericht ging davon aus, dass unter wissentlicher Beteiligung der Birgit L***** inhaltlich unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen der H***** GmbH eingereicht wurden und in der Absicht, dadurch Umsatzsteuerverkürzungen zu bewirken, die für die einzelnen Kalendermonate August 2004 bis August 2014 abzuführenden Steuern weder bis zum Fälligkeitstag noch danach entrichtet wurden (US 27 bis 32), wobei der monatliche (zwischen 74.873,33 Euro und 102.294,44 Euro angenommene) Verkürzungsbetrag jeweils durch Schätzung ermittelt und (mit Ausnahme des Voranmeldungszeitraums August 2004) mit einem Zwölftel des jährlichen Verkürzungsbetrags festgesetzt wurde (US 79).
Mit dem Einwand des Fehlens von Feststellungen mangels Konkretisierung der einzelnen Taten (nominell Z 5 erster Fall, der Sache nach Z 9 lit a) ist die Beschwerdeführerin auf die Erledigung der Rechtsrüge zu verweisen.
Der unter Bezugnahme auf das Vorliegen von Zahlen für die Voranmeldungszeiträume Juni 2012 bis Dezember 2012 erhobene Vorwurf der unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) der Konstatierungen zu den einzelnen Taten zufolge durchschnittlicher Annahme eines Zwölftels des jährlichen Verkürzungsbetrags betrifft keine entscheidende Tatsache (vgl dazu auch Lässig in WK2 Vor FinStrG Rz 21). Dass sich der strafbestimmende Wertbetrag im Fall nicht durchschnittlicher Zuordnung bei einer der Taten auf Null reduziert hätte oder die gerichtliche Zuständigkeit (§ 53 FinStrG) sonst nicht erreicht worden wäre, wird von der Beschwerde nicht behauptet (RISJustiz RS0124713, RS0124509).
Die Feststellungen zur Verkürzung von Umsatzsteuer in den Voranmeldungszeiträumen 2013 bis August 2014 blieben keineswegs unbegründet (US 31, 58 f).
Indem die Mängelrüge unter Bezugnahme auf einzelne tatrichterliche Erwägungen eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur objektiven und zur subjektiven Tatseite (US 24 ff) behauptet, ohne auf die Gesamtheit der – weder Denkgesetzen noch grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechenden – Entscheidungsgründe einzugehen (US 61 bis US 81), ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0119370).
Soweit die Mängelrüge nach einem Referat mehrerer Urteilspassagen offen lässt, welcher Feststellung über welche entscheidende Tatsache welches Verfahrensergebnis aus welchem Grund erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) entgegenstehen sollte, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung. Hinzugefügt sei, dass die Tatrichter die Aussagen des Zeugen Muhsin Sah***** (US 61 ff, 64, 66, 70), des Zeugen Oswald D***** (US 73 ff) und der Mitangeklagten M***** (vgl insbesondere US 76 ff) bei den entscheidungswesentlichen Feststellungen keineswegs außer Acht ließen, sondern eingehend darlegten, in welchem Umfang sie den Depositionen folgten oder die Angaben als unglaubwürdig verwarfen. Gleiches gilt für die leugnende Verantwortung der Beschwerdeführerin (US 61, 63, 65, 72, 75, 79 f).
Dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite zuwider ist deren Ableitung aus dem objektiven Tatgeschehen, den Angaben des Zeugen Sah***** und aus Mittelzuflüssen an die Beschwerdeführerin in Millionenhöhe (US 81) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0116882, RS0098671). Zufolge des Gebots gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war ein Eingehen auf alle Details der als unglaubwürdig verworfenen Aussage der Beschwerdeführerin (US 65, 71 ff, 75) keineswegs erforderlich (RISJustiz RS0106642).
Weshalb die Konstatierungen zur Höhe der in den Kalendermonaten August 2004 bis August 2014 jeweils verkürzten Umsatzsteuer (US 31, 79) den Tatbestandserfordernissen des § 33 Abs 2 lit a FinStrG nicht genügen sollten (vgl dazu Lässig in WK2 FinStrG § 33 Rz 38), erklärt die Rechtsrüge (nominell auch Z 5 erster Fall, der Sache nach nur Z 9 lit a) mit ihrer Kritik an den Feststellungen zum jährlichen Verkürzungsbetrag nicht. Damit unterlässt sie die aus dem Blickwinkel materieller Nichtigkeit gebotene Ableitung der angestrebten Konsequenz aus dem Gesetz (RISJustiz RS0116565).
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RISJustiz RS0099810). Daran orientiert sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht, indem sie das Fehlen von Feststellungen zur Verkürzung von Umsatzsteuer im Voranmeldungszeitraum August 2004 und zur Absicht der Beschwerdeführerin, durch ungerechtfertigte Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen Umsatzsteuerverkürzungen zu bewirken, behauptet, die entsprechenden Konstatierungen im Urteil (US 79 und US 109) aber übergeht.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Wolfgang S*****:
Zu III/A wurde Wolfgang S***** unter Bezugnahme auf „I/A/2/a“ des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 1, 39 Abs 2 und 3 lit c FinStrG schuldig erkannt, weil er – soweit hier von Bedeutung – an der Umsatzsteuerverkürzungen bewirkenden Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen der H***** GmbH für 2010, 2011 und 2012 (I/A/2/a) mitgewirkt habe (US 10 iVm US 6).
Wie die Rüge (nominell Z 10, der Sache nach Z 9 lit a) zutreffend aufzeigt, kann den Urteilsgründen weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht entnommen werden, wodurch der Beschwerdeführer zum auf die Steuerjahre 2010 und 2011 bezogenen Abgabenbetrug der Liselotte M***** beigetragen habe (US 32, 34, 35).
Der Schuldspruch ist daher, soweit er den Vorwurf der Beteiligung am Abgabenbetrug der Liselotte M***** durch Erstattung unrichtiger Jahresumsatz-steuererklärungen für 2010 und 2011 betrifft, ohne Sachverhaltsbezug geblieben.
Demzufolge war er ebenso wie die zum Schuldspruch III/A gebildete Subsumtionseinheit – womit ein in Rechtskraft erwachsener Schuldspruch wegen §§ 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 2, Abs 3 lit c FinStrG in Bezug auf die Mitwirkung an der Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuererklärung für 2012 verbleibt – schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben (§ 285e StPO). Dies zog auch die Aufhebung des Strafausspruchs des Angeklagten Wolfgang S***** nach sich. Das auf aufgehobene Teile des Urteils bezogene weitere Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde kann dahinstehen.
Hinzugefügt sei, dass sich der Oberste Gerichtshof der Rechtsauffassung der Generalprokuratur, Wolfgang S***** sei nach den zur Verdeutlichung heranzuziehenden Entscheidungsgründen „nur der Beteiligung an dem in Ansehung des Veranlagungszeitraums 2012 begangenen Abgabenbetrug schuldig erkannt worden“, nicht anschließt, weil auch die auf die Jahre 2010 und 2011 entfallenden Verkürzungsbeträge in die Strafbemessung miteinbezogen wurden (US 125).
Im Übrigen geht die Nichtigkeitsbeschwerde aber – wie auch die Generalprokuratur zu Recht aufzeigt – fehl:
Der Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) trifft nicht zu. Vielmehr haben die Tatrichter den gegen eine Involvierung des Beschwerdeführers in die Verbrechen sprechenden Angaben der Liselotte M***** Überzeugungskraft abgesprochen (US 82 ff). Ein Eingehen auf sämtliche Details der Aussage war nicht erforderlich. Vielmehr hätte dies dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) widersprochen.
Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite zuwider ist die nicht nur aus dem objektiven Tatgeschehen, sondern auch aus der Tatsache von monatlichen Zuwendungen in beträchtlichem Ausmaß gewonnene Überzeugung der Tatrichter an einer vorsätzlichen Beteiligung am Abgabenbetrug unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RISJustiz RS0116882, RS0098671).
Vom Erstgericht gewürdigte Verfahrens-ergebnisse (vgl dazu US 81, 86) sind insoweit kein Gegenstand der Mängelrüge, als dem Rechtsmittelgericht unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO nur die Kontrolle obliegt, ob alles aus seiner Sicht Erwägenswerte erwogen wurde (RIS-Justiz RS0118316).
Mit dem Verweis auf eine allfällige Haftung der Steuerberatungskanzlei T***** GmbH wird kein
Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt bezeichnet.
Indem die Mängelrüge einzelne Begründungspassagen hervorhebt oder eigene Erwägungen anstellt, zeigt sie keine offenbar unzureichende Begründung der Feststellungen (Z 5 vierter Fall) auf, sondern bekämpft die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Der Vorwurf des Fehlens von Feststellungen zur subjektiven Tatseite (Z 9 lit a) setzt sich über die zum Vorsatz getroffenen Konstatierungen (US 35) hinweg und verfehlt solcherart den im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).
Weshalb die hinsichtlich des Schuldspruchs III/B getroffenen Konstatierungen, denen zufolge Wolfgang S***** seine Tathandlungen im Wissen und mit der Absicht setzte, dass es dadurch für die H***** GmbH zu einer Verringerung der Umsatzsteuerzahllast bzw einer unrechtmäßigen Lukrierung von Umsatzsteuergutschriften in 500.000 Euro mehrfach übersteigender Höhe kommen würde und den von der Geschäftsführerin geltend gemachten Vorsteuerbeträgen keine Lieferungen und Leistungen zugrunde lagen (US 35), eine Unterstellung unter die subjektiven Tatbestandselemente des § 39 Abs 3 lit c FinStrG nicht tragen sollte oder warum es zur Zusammenrechnung der jeweils unter 250.000 Euro liegenden Beträge weiterer Feststellungen zu einem „Additionsvorsatz“ bedurft hätte, leitet die Subsumtionsrüge (Z 10) nicht aus dem Gesetz ab (vgl aber RISJustiz RS0116565). Bloße Hinweise auf eine zu § 28a SMG entwickelte Rechtsprechung und eine darauf bezugnehmende Kommentarstelle (Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 3) genügen den Voraussetzungen zur prozessförmigen Darstellung der Subsumtionsrüge insoweit nicht.
Hinzugefügt sei, dass § 39 FinStrG eine besondere Art des Zusammenrechnungsgrundsatzes anordnet. Der Gesetzgeber verdeutlicht dies durch die Formulierung der Absätze 1 und 2 des § 39 FinStrG, wonach sich „des“ Abgabenbetrugs schuldig macht, wer (eine unbestimmte Anzahl der genannten) Finanzvergehen begeht. Im Fall des Zusammentreffens mehrerer (in § 39 Abs 1 oder 2 FinStrG genannter) Finanzvergehen ist daher bei Vorliegen qualifizierender Tatmodalitäten eine Subsumtionseinheit sui generis zu bilden, wobei die einzelnen Straftaten ihre rechtliche Selbständigkeit behalten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 568 [zu § 29 StGB sowie § 28a Abs 2 Z 3 SMG und § 28a Abs 4 Z 3 SMG]). Teil dieser Subsumtionseinheit können Finanzvergehen sein, die unter Einsatz einer qualifizierenden Tatmodalität begangen worden sind, wobei immer nur gleichartige Finanzvergehen – zu einem Finanzvergehen (§ 39 Abs 3 lit a FinStrG) oder Verbrechen (§ 39 Abs 3 lit b oder lit c FinStrG) des Abgabenbetrugs – zusammenzufassen sind (Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 3; 13 Os 115/14g, AnwBl 2015, 568; 13 Os 119/16y). Die hier vorgenommene Zusammenfassung von Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG zu einem Verbrechen des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 2, Abs 3 lit c FinStrG (US 11) ist daher, weil auch das Überschreiten der Qualifikationsgrenze des § 39 Abs 3 lit c FinStrG vom Vorsatz des Beschwerdeführers umfasst war, nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0130035).
In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Hinzugefügt sei, dass dem Erstgericht, indem es die Unterlassung nachträglicher Klarstellung der Nichtbegehung einer mit Strafe bedrohten Handlung als weiteres Vergehen der Liselotte M***** nach § 298 Abs 1 StGB anlastete, ein – nicht geltend gemachter – Subsumtionsfehler unterlaufen ist. Hätte die Angeklagte nach Erzeugung irreführender Einbruchsspuren bei Erscheinen der von dritter Seite herbeigerufenen Polizei (vgl dazu US 50, 118) sofort darüber aufgeklärt, dass kein Einbruch vorliegt, wäre sie wegen tätiger Reue straflos gewesen (§ 298 Abs 2 StGB; vgl Fabrizy StGB12 § 298 Rz 10). Da sich dieser Fehler nicht konkret zum Nachteil der Angeklagten M***** auswirkte, sah sich der Oberste Gerichtshof zu amtswegiger Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) nicht veranlasst. Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung an die insoweit verfehlte Subsumtion nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118870).
Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein:
1. Wird auf eine Geldstrafe oder auf Wertersatz erkannt, so ist zugleich die für den Fall der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen (§ 20 Abs 1 FinStrG), was im Ersturteil in Ansehung des S***** betreffenden Strafausspruchs jedoch unterblieb (US 13 f). Da die Staatsanwaltschaft dies zum Nachteil des Angeklagten aus Z 11 releviert hat, steht das Verschlechterungsverbot (vgl RISJustiz RS0115529) einem entsprechenden Vorgehen im zweiten Rechtsgang nicht entgegen.
2. (Teil)Bedingte Strafnachsicht ist nach § 26 Abs 2 erster Satz FinStrG zwingend mit der Weisung zu verbinden, eine allfällige Abgabenverkürzung oder einen sonstigen Einnahmeausfall zu berichtigen, was – von der Staatsanwaltschaft unbekämpft – in Ansehung aller Angeklagten unterblieb. Solche – mit gesondert ausgefertigtem und anfechtbarem Beschluss (RISJustiz RS0120887 [T2, T 3]) auszusprechenden – Weisungen wären im Fall der neuerlichen Verhängung (teil)bedingt nachgesehener Geldstrafen im zweiten Rechtsgang vom Erstgericht zu erteilen (vgl RISJustiz RS0086098 [T1, T 2]); das ausdrücklich den Vergleich der durch Urteil verhängten Strafen ansprechende Verschlechterungsverbot (§ 290 Abs 2 StPO) gilt insoweit nicht (vgl Ratz, WKStPO § 290 Rz 59).
3. § 26 Abs 1 dritter und vierter Satz FinStrG sind auch im Fall einer Verurteilung nach § 39 FinStrG zu beachten. Die Normierung einer Höchststrafe der nach allen Fällen des § 39 Abs 3 FinStrG lediglich fakultativ zu verhängenden Geldstrafe schließt die Annahme einer Mindeststrafe im Ausmaß eines Zehntels des Höchstmaßes der angedrohten Geldstrafe nicht aus. Sonderregeln sieht das FinStrG diesbezüglich nicht vor. Bei strafbestimmenden Wertbeträgen von 25 Millionen Euro oder mehr scheidet daher mit Blick auf die Vorschrift des § 26 Abs 1 letzter Satz FinStrG (teil-)bedingte Nachsicht einer nach § 39 Abs 3 lit c FinStrG ausgemessenen Geldstrafe von vornherein aus.
Im Fall des Zusammentreffens von Schuldsprüchen nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 FinStrG und §§ 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 2, Abs 3 lit c FinStrG ist zufolge § 21 Abs 2 vorletzter Satz FinStrG zwingend sowohl eine Geld- als auch eine Freiheitsstrafe zu verhängen. Der strafbestimmende Wertbetrag darf bei der Ausmessung der Strafen nur insoweit als erschwerend gewichtet werden, als er weder die Subsumtion nach § 39 Abs 3 lit c FinStrG bestimmt noch die nach § 38 Abs 1 FinStrG zu verhängende Geldstrafe determiniert (vgl RIS-Justiz RS0086302).
Bei wertbetragsabhängigen zusammentreffenden Strafdrohungen ist für die einheitliche Geldstrafe die Summe dieser Strafdrohungen maßgebend (§ 21 Abs 2 dritter Satz FinStrG). Treffen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung mit solchen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung zusammen, ist die Geldstrafdrohung des § 38 FinStrG (bis zum Dreifachen des strafbestimmenden Wertbetrags) nur hinsichtlich jener Finanzvergehen zu veranschlagen, auf welche die Qualifikationsnorm des § 38 FinStrG angewendet wird.
Die aggravierende Wertung der mehrfachen Überschreitung der Qualifikationsgrenze des § 39 Abs 3 lit c FinStrG verstößt grundsätzlich nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 23 Abs 2 letzter Satz FinStrG iVm § 32 Abs 2 erster Satz StGB), weil der angesprochene Umstand nicht die Strafdrohung bestimmt. Anders als der Großteil der Sanktionsnormen des FinStrG enthält § 39 Abs 3 FinStrG nämlich keine wertbetragsabhängigen (§ 21 Abs 2 dritter Satz FinStrG), sondern mittels fixer Höchstgrenzen determinierte Strafdrohungen
(13 Os 98/16k, ZWF 2017/9, 39; RIS-Justiz RS0086302 [T5]).
Treffen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung mit einem Verbrechen des Abgabenbetrugs zusammen, haben die für die Geldstrafe nach § 38 FinStrG veranschlagten Beträge als erschwerend außer Betracht zu bleiben. Bei der aggravierenden Wertung des Übersteigens der Wertgrenze des § 39 Abs 3 lit b oder c FinStrG können nur die von der Subsumtionseinheit umfassten Wertbeträge berücksichtigt werden (vgl aber US 124). Soweit die Höhe des Wertbetrags die Obergrenze der Geldstrafe bestimmt, darf sie nicht zusätzlich als Erschwerungsgrund herangezogen werden (RIS-Justiz RS0086302).
Mit ihren den Strafausspruch nach dem FinStrG betreffenden Berufungen waren die Angeklagten auf die Aufhebung dieses Ausspruchs zu verweisen, ebenso die Staatsanwaltschaft mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde.
Die Entscheidung über die Berufung der Liselotte M***** über den Strafausspruch nach dem StGB kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00004.17P.0906.000 |
Schlagworte: | Strafrecht |
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