OGH vom 22.02.2007, 8Ob9/07t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Dr. Heinz W*****, wider die beklagte und widerklagenden Partei Gertrude M*****, vertreten durch Dr. Elisabeth Konstanze Schaller, Rechtsanwältin in Wien, wegen EUR 7.306,30 sA (18 C 618/01s) und EUR 2.005,34 sA (18 C 637/04s), über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom , GZ 18 R 238/05m-76, mit dem infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom , GZ 18 C 618/01s-69, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 665,66 (darin enthalten EUR 110,94 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO). Der wesentliche Sachverhalt, von dem das Berufungsgericht ausging, lässt sich wie folgt zusammenfassen: Bei einem Zuchtverein kam es im November 1999 zu einem Streit innerhalb des Vorstandes, bei dem einige Vorstandsmitglieder, darunter auch die Vorsitzende die Sitzung verließen und die verbleibenden Vorstandsmitglieder dann Anfang April eine eigene Vorstandssitzung und eine außerordentliche Jahreshauptversammlung zur Wahl eines neuen Vorstandes anberaumten, während die Vorstandsmitglieder, die mit der Vorsitzenden die Sitzung verlassen hatten, für einige Tage danach eine solche Wahl einberiefen.
Unter anderem die Beklagte wurde bei der ersten Wahl gewählt. In weiter Folge stritten die beiden Vorstände und beschloss die Gruppe der zuerst gewählten Vorstände einen Rechtsanwalt beizuziehen. Zwei von ihnen besuchten dann am 25. 4. den klagenden Rechtsanwalt, der sie auf die Möglichkeit hinwies, eine einstweilige Verfügung zu erwirken und betonte, dass es wichtig sei, dass alle Mitglieder des neuen Vorstandes mitmachen. Diese sollten auch alle zu ihm zu einer Besprechung kommen und eine Erklärung unterschreiben, sich dem Vorgehen gegen den anderen Vorstand anzuschließen. Am nächsten Tag fand dann ein Treffen dieser ersten Gruppe von Vorstandsmitgliedern statt, an dem auch die Beklagte teilnahm. Bei diesem wurden die anderen Vorstandsmitglieder darüber informiert und es wurde besprochen, dass alle Vorstandsmitglieder gemeinsam auftreten müssten. Dabei wurde auch eine „Auftragserklärung" unterfertigt, wonach die Vorstandsmitglieder des Vereines den Kläger beauftragen, sie gemeinsam in den Vereinsangelegenheiten zu vertreten. Besprochen wurde, dass der Rechtsanwalt aufgrund dessen sämtliche erforderlichen Schritte unternehmen soll, womit auch die Beklagte einverstanden war. Bei der etwa zweieinhalb Wochen danach stattfindenden Besprechung war die Beklagte jedoch nicht dabei. Die anwesenden Vorstandsmitglieder unterfertigten einen Aktenvermerk, wonach der Verein und alle anwesenden Vorstandsmitglieder - also nicht die Klägerin - eine Klage auf Unterlassung der Ausübung der Vorstandsmitglieder sowie Feststellung der Schadenersatzpflicht durch die anderen Vorstandsmitglieder einbringen werden. Bei diesem Termin wurde dem Kläger allerdings auch die „Auftragserklärung", die in der Vorstandssitzung ca zweieinhalb Wochen davor abgefasst worden war, übergeben. Als der Kläger fragte, warum zwei der dort genannten Vorstandsmitglieder nicht zur Besprechung gekommen seien, teilte eine der anwesenden Vorstandsmitglieder mit, dass eine von den beiden auf Grund ihrer Jugend nicht in die Klage aufgenommen werden solle. Hinsichtlich der Beklagten allerdings meinte dieses Vorstandsmitglied, dass diese wohl mitmachen „solle". Nachdem der Kläger eine Klage, in der unter anderem auch die Beklagte als Klägerin genannt wurde, verfasst und allen zugemittelt hatte, teilte im die Beklagte bei der folgenden Verhandlung, zu der sie auch geladen wurde, mit, dass sie keine Vollmacht unterschrieben habe und dies auch nicht wolle. Daraufhin erklärte der Kläger, dass doch zuerst die Entscheidung im Provisorialverfahren abgewartet werden solle und sie dann bei sofortiger Klagsrücknahme ohnehin Anspruch auf Kostenersatz habe. Die Beklagte war einverstanden, noch zuzuwarten. Die vom Kläger eingebrachte EV wurde abgewiesen und unter anderem auch die Beklagte zum teilweisen Ersatz der Kosten des Provisorialverfahrens verpflichtet.
Mit der hier maßgeblichen Klage begehrt der Kläger einen Anteil der Beklagten am Anwaltshonorar für die Vertretung der Mitglieder des Vorstandes des Vereines.
Die Beklagte beantragte die Abweisung, weil sie den Kläger gar nicht bevollmächtigt habe und macht im Übrigen mit der hier im Revisionsverfahren nicht maßgeblichen Widerklage die Ansprüche aus ihrer Kostenersatzpflicht gegenüber dem Beklagten im EV-Verfahren geltend.
Das Erstgericht hat eine Bevollmächtigung angenommen und hat sich dabei im Wesentlichen auf die „Auftragserklärung" gestützt. Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren des Klägers abgewiesen und ist im Wesentlichen davon ausgegangen, dass auch der Kläger in seinem Vorbringen selbst davon ausgegangen ist, dass nur die bei der Besprechung Anwesenden ihm bestätigt hätten, dass ihm die abwesende Beklagte den Auftrag erteile und nach den Ausführungen eines der Vorstandsmitglieder eben nur mitmachen „solle". Aus der „Auftragserteilung" selbst habe der Kläger nicht annehmen können, dass ihm die Beklagte einen Auftrag auch im eigenen Namen erteilen wolle. Vielmehr zeige sich aus dieser, dass sie als Vorstandsmitglied des Vereines die Auftragserteilung beschlossen habe. Dafür spreche ja auch, dass sich der Kläger bei der Besprechung von den Anwesenden einen ausdrücklichen Auftrag auch in persönlichem Namen tätig zu werden, unterfertigen habe lassen.
Nachdem das Berufungsgericht vorweg die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zugelassen hat, hat es dann über Antrag des Klägers diesen Ausspruch dahin abgeändert, dass es die Revision zugelassen hat und dies damit begründet, dass die Frage, ob in der festgestellten Situation die Beauftragung als vermeintliches „Vorstandsmitglied" ohne weiteres die Bevollmächtigung im eigenen Namen umfasse durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht beantwortet sei.
Die Revision des Klägers ist entgegen der den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass die Auslegung der Erklärungen am Empfängerhorizont zu messen sind, wobei die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen sind, was der Erklärende sagen wollte, sondern wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung durch einen redlichen und verständigen Menschen verstanden werden konnte. Dabei ist auf die konkreten Umstände, namentlich auf den Geschäftszweck und die Interessenlage Bedacht zu nehmen (vgl allgemein RIS-Justiz RS0113932 mwN zuletzt 3 Ob 268/06t; RIS-Justiz RS0014205 mwN zuletzt 3 Ob 99/05p). Ausgehend davon vorgenommene Auslegungen im Einzelfall stellen regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar, weil schon wegen ihrer Einzelfallbezogenheit ein Beitrag zur Rechtsentwicklung oder Rechtsvereinheitlichung nicht erwartet werden kann und dementsprechend ein Aufgreifen nur aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich sein könnte (vgl allgemein RIS-Justiz RS0044298, zuletzt 9 Ob 119/06z oder RIS-Justiz RS0042555 zuletzt 9 ObA 63/06i insbesondere aber RIS-Justiz RS0042769w zuletzt 6 Ob 223/05w). Die Auslegung einer Urkunde kann wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung nur bekämpft werden, wenn sie mit den Sprachregeln, den allgemeinen Erkenntnisgrundsätzen oder mit den gesetzten Auslegungsregelungen etwa der §§ 914, 915 ABGB in Widerspruch stünde (vgl RIS-Justiz RS0043415). Eine derartige Fehlbeurteilung vermag der Kläger aber nicht aufzuzeigen.
Die Beklagte hat im Ergebnis nur im Rahmen einer Vorstandssitzung eine „Auftragserklärung" unterfertigt, wonach die Vorstandsmitglieder den Kläger beauftragen, sie gemeinsam in den Vereinsangelegenheiten zu vertreten. Es wurde nun weder vorgebracht noch festgestellt, dass diese im Rahmen einer Vorstandssitzung abgefasste und von allen Vorständen, darunter auch der Beklagten unterfertigte „Auftragserklärung" überhaupt an den Kläger adressiert war und ihn auch hinsichtlich der Streitverfahren betreffend einzelne Vorstandsmitglieder bevollmächtigen sollte.
Soweit der Kläger unter Hinweis auf S 37 des Ersturteiles einen Widerspruch zu den berufungsgerichtlichen Feststellungen sieht, ist ihm entgegenzuhalten, dass es sich dabei um Ausführungen des Erstgerichtes im Rahmen der rechtlichen Beurteilung handelt und in der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, das darin im Ergebnis keine zusätzlichen Feststellungen gesehen hat, ebenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung zu sehen ist. Geht es dabei doch auch im Wesentlichen um Schlussfolgerungen aus den konkreten Feststellungen des Erstgerichtes bzw um Einschätzungen durch den Kläger vom Erklärungsverhalten der Beklagten, die - wie einleitend ausgeführt wurde - nicht entscheidungserheblich sind (objektiver Erklärungswert). Insoweit vermag der Kläger auch keine erhebliche Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens darzustellen. Dass das Berufungsgericht die „Auftragserklärung" anders als das Erstgericht ausgelegt hat, kann auch nicht als Mangelhaftigkeit im Sinne des § 473a ZPO angesehen werden. Danach ist das Berufungsgericht verhalten, bei beabsichtigter Abänderung eines Urteiles den Berufungsgegner mitzuteilen, dass es ihm freistehe, Mängel von Tatsachenfeststellungen oder Beweiswürdigungen des Erstgerichtes zu rügen. Jedoch gilt dies dann nicht, wenn der Berufungsgegner bereits nach § 468 Abs 2 zweiter Satz ZPO zu einer solchen Rüge gehalten gewesen wäre, weil sich der Berufungswerber bereits auf diese Feststellungen ausdrücklich bezogen hat. Bei einer - wie hier - ordnungsgemäß ausgeführten Rechtsrüge ist aber davon auszugehen, dass sich der Berufungswerber auf sämtliche in dem Urteilsabschnitt über die Feststellungen enthaltenen Feststellungen - hier also auch die „Auftragserklärung"- beruft (vgl dazu RIS-Justiz RS0112020 mwN zuletzt 2 Ob 286/05f).
Zu der Rechtsrüge der Revision kann im Wesentlichen auf die einleitenden Ausführungen verwiesen werden sowie abschließend noch darauf, dass sich der Kläger sehr weitgehend auf Äußerungen und Verhaltensweisen anderer Vorstandsmitglieder sowie seine eigene Einschätzung stützt, die der Beklagten eben als Erklärungen zu einer Bevollmächtigung auch im eigenen Namen so nicht zuzurechnen sind. Die Ausführungen des Klägers zur „Duldung" seiner Vorgehensweise durch die Beklagte übergehen den Umstand, dass ihn diese ausdrücklich mitgeteilt hat, dass sie keine Vollmacht in eigenem Namen unterschrieben habe und dies auch nicht wolle. Ebenso wenig kann eine Vollmachtserteilung daraus abgeleitet werden, dass die Beklagte keine Nichtigkeitsklage gegen das vom Kläger geführte Verfahren erhoben hat. Hätte sie sich damit doch auch weiteren Prozessrisken ausgesetzt, die sie offensichtlich vermeiden wollte. Auf die Ausführungen des Klägers hinsichtlich einer „Bereicherung" der Beklagten nach § 1431 ABGB ist dem Obersten Gerichtshof ein Eingehen schon deshalb verwehrt, weil es sich dabei um eine Neuerung handelt (vgl RIS-Justiz RS0037612 mwN; Kodek in Rechberger ZPO § 504 Rz 2 uva).
Insgesamt vermag der Kläger jedenfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.