OGH vom 13.03.2002, 9ObA288/01w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Hans Lechner und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Armin G*****, HTL-Schüler, ***** vertreten durch Mag. Peter Prechtl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1.) B***** Installationen GmbH & Co KG, 2.) B***** Installationen GmbH, beide ***** beide vertreten durch Dr. Thomas Treichl und Mag. Martin
Krumschnabel, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen EUR 1.340,86 (= ATS
18.450,59) brutto abzüglich EUR 468,89 (= ATS 6.452) netto, über den
Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 15 Ra 56/01z-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 48 Cga 187/00s-11, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten seiner Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Der Kläger begehrt mit seiner Klage noch ausständigen restlichen Lohn samt anteiligen Sonderzahlungen für seine Tätigkeit als "Arbeitnehmer ohne Zweckausbildung" iSd Lohnordnung (Pkt IX Abs 1 Z 7) des Kollektivvertrages für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe für die Zeit vom - .
Die als Arbeitgeberin belangte erstbeklagte Partei und die zweitbeklagte Partei als deren Komplementärgesellschaft beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger, ein HTL-Schüler, sei seinem eigenem Wunsche entsprechend und im Einvernehmen mit der erstbeklagten Partei nicht als Arbeiter beschäftigt, sondern nur in einem Ausbildungsverhältnis ((Pflichtpraktikum) zu dieser gestanden. Die dafür vorgesehene Entschädigung habe er erhalten. Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, dass der Kläger nicht als Arbeitnehmer, sondern im Rahmen seines Pflichtpraktiums bei der erstbeklagten Partei tätig geworden sei. Es sei unerheblich, dass er die nach dem Lehrplan vorgeschriebenen Zeiten schon im Jahr vor seiner Tätigkeit zur Gänze zurückgelegt habe, weil er dies bei seiner Bewerbung für eine "Ferialpraxis" nicht offengelegt habe.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf, weil es noch ergänzende Feststellungen betreffend die Arbeitspflicht des Klägers für notwendig erachtete. Es ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung zu, dass insbesondere die Rechtsprechung von Gerichten zweiter Instanz zur Frage der Abgrenzung von Praktikanten-/Volontärsverhältnissen zu Arbeitsverhältnissen uneinheitlich sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde. Der Kläger beantragte, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Der Rekurs erweist sich im Hinblick auf die zur angesprochenen Rechtsfrage bereits vorhandene Judikatur als unzulässig.
Text
Beschluss
gefasst:
Rechtliche Beurteilung
Wenn - wie hier - kein Fall des § 46 Abs 3 ASGG vorliegt, darf das Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen die Zulässigkeit eines Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss (§ 519 Abs 2 Z 2 ZPO) nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG aussprechen (Kuderna ASGG2 280). Die Frage der Abgrenzung von Volontärs- bzw Praktikanten- zu Arbeitsverhältnissen kann aber regelmäßig nur im Einzelfall beurteilt werden (RIS-Justiz RS0029510, insbes 9 ObA 235/99w).
Entgegen der Ansicht der Rekurswerberinnen war schon das Bewerbungsschreiben des Klägers nicht in der von ihnen gewünschten Weise eindeutig, zumal in diesem zwar von einer "Bewerbung als Ferialpraktikant", aber auch davon die Rede ist, dass "er sich freuen würde, in der Firma zu arbeiten". Für die rechtliche Qualifikation eines Vertrages als Arbeitsvertrag kommt es überdies nicht auf den Rechtsfolgewillen der Parteien oder die von ihnen gewählte Bezeichnung des Vertrages an (SZ 68/184 mwN).
Entscheidend ist, dass die konkrete Beschäftigung nach der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung auch objektiv in erster Linie - im Interesse des Auszubildenden, sich entsprechend seinen Ausbildungsvorschriften (hier: entsprechend dem Lehrplan für die betreffende Sparte einer höheren technischen und gewerblichen Lehranstalt) praktische Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen - von diesem Ausbildungszweck bestimmt und geprägt (SZ 61/250) und nicht im Interesse des Betriebsinhabers an Arbeitsleistungen für seinen Betrieb hauptsächlich an betrieblichen Zwecken und Erfordernissen orientiert ist (SZ 68/184 mwN). Zum Unterschied zu einem sonst im Betrieb Beschäftigten ist die Bestimmungsfreiheit eines Ferial- (oder Pflicht-)praktikanten nicht weitgehend ausgeschaltet. Der Beschäftiger kann daher über die Arbeitskraft eines Praktikanten nicht so wie über jene der sonstigen Beschäftigten zur Erreichung des Betriebszweckes verfügen (SZ 68/184; SZ 61/250, jeweils mwN). Kriterien für das Überwiegen des Ausbildungszweckes sind insbesondere, dass der Beschäftigte Arbeiten, die nicht dem Ausbildungszweck dienen, nur in einem zeitlich zu vernachlässigenden Ausmaß verrichtet, dass sich die von ihm verrichteten Tätigkeiten nicht nach Maßgabe des Betriebserfordernisses, sondern nach Wahl des Auszubildenden richten, dass Ferialpraktikanten größere Freiheiten bei der zeitlichen Gestaltung der Anwesenheit im Betrieb eingeräumt wird, dass eine Lohnverpflichtung fehlt, etc. Dabei ist aber immer eine Gesamtbetrachtung entscheidend, so dass den einzelnen, nur beispielsweise aufgezählten Indizien nur mitbestimmender Charakter zukommt und das Fehlen des einen oder anderen nicht ohne weiteres auf ein Arbeitsverhältnis oder eine Ferialpraxis schließen lässt. Bei der Gesamtbetrachtung ist zu prüfen, ob die Begriffsmerkmale des § 1151 ABGB durch den Ausbildungszweck der Tätigkeit und ihre Ausgestaltung soweit zurückgedrängt sind, dass ihnen nicht mehr überwiegende Bedeutung zukommt (SZ 68/184). Die Beweispflicht für das Vorliegen einer Ausbildungspraxis trifft dabei den Arbeitgeber (DRdA 2000, 533 = infas 2000, 153 = RdW 2001, 105).
Von diesen Erwägungen geht auch das Berufungsgericht aus, ohne dass eine in ihrer Bedeutung über den konkreten Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage erkennbar wäre. Eine solche vermögen auch die Rekurswerberinnen nicht aufzuzeigen, sodass ihr Rechtsmittel die Erfordernisse des § 46 Abs 1 ASGG nicht erfüllt.
Die Rekursbeantwortung des Klägers ist nicht zu honorieren, weil sie mangels eines Hinweises auf die Unzulässigkeit des Rekurses nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw -verteidigung diente.