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VfGH vom 25.11.2002, B816/00

VfGH vom 25.11.2002, B816/00

Sammlungsnummer

16699

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Laut "Protokoll über die öffentliche Versteigerung von Liegenschaften", aufgenommen vom Bezirksgericht Innsbruck, wurde dem Beschwerdeführer eine Liegenschaft in EZ 449 GB Aldrans um das Meistbot von ATS 310.000,-- zugeschlagen. Die Bezirks-Grundverkehrskommission Aldrans versagte mit Bescheid vom diesem Rechtserwerb die Genehmigung.

Begründend wurde ausgeführt, es sei nicht gewährleistet, daß die erworbenen Grundstücke vom Erwerber selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet würden. Der Erwerber besitze weder einen solchen Betrieb noch scheine er als Pächter oder Fruchtnießer eines solchen auf.

2. Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom abgewiesen.

Begründend wurde - auf das wesentliche zusammengefaßt - ausgeführt:

2.1. Der nunmehrige Beschwerdeführer berufe sich auf den Ausnahmetatbestand des § 5 Abs 1 litd Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 LGBl. 61 idF LGBl. 75/1999 (im folgenden: Tir. GVG 1996). Danach bedürfe es bei Rechtswerben an Grundstücken, die aufgrund ihrer Beschaffenheit, ihrer Lage oder ihrer geringen Größe für die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes wirtschaftlich nicht von Bedeutung seien, nicht der Genehmigung nach § 4 Tir. GVG 1996, sofern die vorgesehene Verwendung nicht im Widerspruch zu den Zielen der örtlichen Raumordnung stehe. Der nunmehrige Beschwerdeführer habe die Nutzung als Bauland als mittel- bzw. längerfristige Perspektive angegeben. Diese Verwendung stehe allerdings im Widerspruch zu den Zielen der örtlichen Raumordnung, da der Bürgermeister der Gemeinde Aldrans eine Umwidmung in Bauland ausgeschlossen habe.

Ein Teil der Liegenschaft sei in der Vergangenheit von einem Landwirt als zweischnittige Wiese genutzt worden, deren landwirtschaftliche Nutzung nicht bedeutungslos sei. Eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht nach § 5 Abs 1 litd Tir. GVG 1996 sei daher nicht gegeben.

2.2. Auch die Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 Abs 1 lita und b Tir. GVG 1996 lägen nicht vor. Der nunmehrige Beschwerdeführer verfüge über keinen Grundbesitz. Der Erwerb einer Liegenschaft im Gesamtausmaß von 882 m2 widerspreche daher der Zielsetzung der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes. Dem Erwerber sei auch eine Selbstbewirtschaftung im Rahmen eines eigenen land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes nicht möglich.

2.3. Unter Berücksichtigung der Interessen nach § 6 Abs 1 lita Tir. GVG 1996 sei die Genehmigung nach § 4 insbesondere zu versagen, wenn zu besorgen sei, daß der Preis für das zu erwerbende Recht den Verkehrswert um mehr als 30 v.H. übersteige (§7 Abs 1 litg Tir. GVG 1996). Im vorliegenden Fall übersteige der Preis (Meistbot) von ATS 310.000,- für den Eigentumserwerb den Verkehrswert von ATS 86.000,- um weit mehr als 30 v.H.

3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, des Tir. GVG 1996, insbesondere durch §§19, 4 und 6 Tir. GVG 1996, in seinen Rechten verletzt.

1.1. Die Verfassungswidrigkeit liege in einer Kompetenzüberschreitung des Tiroler Landesgesetzgebers. Die Erlassung von Rechtsvorschriften im Bereich des Zivilrechtswesens und des Exekutionswesens sei Bundessache; Annexmaterien seien dem Landesgesetzgeber zugewiesen. Der Tiroler Gesetzgeber habe übersehen, daß er einerseits den Rechtserwerb unsachlich einschränke und andererseits im Zwangsversteigerungsverfahren das Deckungsprinzip gelte, wonach der betreibende Gläubiger ein Anrecht darauf habe, daß seine betriebene Forderung durch das Exekutionsverfahren abgedeckt werde.

1.2. In zahlreichen Erkenntnissen hat der Verfassungsgerichtshof zu vergleichbaren landesgesetzlichen Bestimmungen, mit denen aus grundverkehrsrechtlichen Erwägungen der Versteigerungsvorgang gestaltet wird, dargetan, daß derartige Regelungen exekutionsrechtlicher Natur und somit dem Zivilrechtswesen (Art10 Abs 1 Z 6 B-VG) zuzurechnen seien, daß solche Vorschriften aber im Sinne des Art 15 Abs 9 B-VG erforderlich (unerläßlich) seien (zB VfSlg. 8216/1977, 11690/1988). So heißt es in VfSlg. 7563/1975:

"Vorschriften des Landesgesetzgebers, die die Übertragung des Eigentums an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken auch im Wege der Zwangsversteigerung in die Regelung des Grundverkehrs einbeziehen, sind im Sinne des Art 15 Abs 9 B-VG erforderlich, denn eine auf den rechtsgeschäftlichen Verkehr beschränkte Regelung wäre Stückwerk und nicht geeignet, den Gesetzeszweck zu erreichen".

Der Tiroler Gesetzgeber hat daher seine Kompetenz nicht überschritten. Gegen § 19 Tir. GVG 1996 bestehen beim Verfassungsgerichtshof sohin keine Bedenken.

1.3. Auch gegen die Bestimmungen des § 4 sowie des § 6 Tir. GVG 1996 hat der Verfassungsgerichtshof bislang keine Bedenken gehegt (vgl. , zu § 6 Abs 1 lita und Abs 2 Tir. GVG 1996; sowie zur Vorgängerbestimmung, § 4 Abs 1 Tir. GVG 1983 VfSlg. 14966/1997; vgl. zu § 6 Abs 1 litb ; vgl. zur Vorgängerbestimmung des § 4 Tir. GVG 1996 § 3 Abs 1 lita Tir. GVG 1983 zB VfSlg. 13032/1992, 14023/1995). Auch aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalls sind gegen diese Bestimmungen, aber auch gegen andere, den Bescheid tragende Bestimmungen, deren Verfassungswidrigkeit der Beschwerdeführer unsubstantiiert behauptet, keine Bedenken entstanden.

1.4. Der Beschwerdeführer ist sohin nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

2. Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz erachtet sich der Beschwerdeführer verletzt, weil die Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 Tir. GVG 1996 in denkunmöglicher Weise auf den vorliegenden Sachverhalt angewandt worden seien. Er verfüge über eine land- und forstwirtschaftliche Ausbildung und Praxis in der Land- und Forstwirtschaft. Er beabsichtige, das Grundstück mit Sträuchern zu bepflanzen, um durch Forschungstätigkeit eine Ertragssteigerung bei der Fruchtstrauchnutzung zu erzielen. Die belangte Behörde habe ihm in unsachlicher Art und Weise unterstellt, er wolle aus lediglich spekulativen Gründen die Liegenschaft erwerben. Tatsächlich lägen sämtliche Genehmigungsvoraussetzungen vor.

2.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewandten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).

All dies liegt offenkundig nicht vor.

2.2. § 5 Abs 1 litd Tir. GVG 1996 sieht einen Ausnahmetatbestand von der grundsätzlichen Genehmigungspflicht beim Rechtserwerb an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken vor. In dem Umstand, daß die belangte Behörde die Anwendbarkeit dieser Ausnahmeregelung auf den vorliegenden Fall verneint hat, ist keine willkürliche Vorgehensweise zu erblicken. Die Behörde ist aufgrund eines aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Ermittlungsverfahrens zum Schluß gekommen, daß das verfahrensgegenständliche Grundstück im Hinblick auf eine landwirtschaftliche Nutzung im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes wirtschaftlich nicht ohne Bedeutung ist, und hat diese Auffassung in hinreichender Weise begründet.

2.3. Die belangte Behörde hat die grundverkehrsbehördliche Zustimmung mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 6 Abs 1 lita und litb Tir. GVG 1996 versagt, nämlich daß einerseits der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspreche (lita) und andererseits gewährleistet sei, daß die erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke grundsätzlich vom Erwerber selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet werden (litb). Die Auffassung der belangten Behörde, der Erwerb von Grundstücken im Gesamtausmaß von 882 m2 widerspreche mit Rücksicht darauf, daß der Beschwerdeführer selbst über keinen Grundbesitz verfüge, dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung und Schaffung wirtschaftlich gesunder land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe, ist weder eine denkunmögliche - Willkür indizierende - Anwendung des Gesetzes noch hat die belangte Behörde mit dieser Auslegung dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt (vgl. mwH VfSlg. 13468/1993).

2.4. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er über eine land- und forstwirtschaftliche Ausbildung verfüge, die Universität für Bodenkultur absolviert habe und beabsichtige, Sträucher zu pflanzen, um eine Ertragssteigerung zu erzielen, ist nicht geeignet, den Standpunkt der belangten Behörde, die Voraussetzung der Selbstbewirtschaftung auf Betriebsbasis sei nicht gewährleistet, zu entkräften.

3. Im übrigen ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob die belangte Behörde das Gesetz richtig angewandt hat, dies auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde, wie hier, gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (zB VfSlg. 13419/1993, 14408/1996).

Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz hat somit nicht stattgefunden.

4. Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, daß der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden ist, war die Beschwerde abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz und Z 2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.