OGH vom 10.12.1997, 9ObA285/97w

OGH vom 10.12.1997, 9ObA285/97w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr.Johann Zant und Stefan Schöller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Compagnie I*****, vertreten durch Dr.Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Gerhard S*****, Schlafwagenschaffner, *****, vertreten durch Dr.Georg Freimüller ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Zustimmung zur Entlassung, hilfsweise Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 228/96i-77, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 22 Cga 187/94v-54, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes über das Eventualbegehren der klagenden Partei (Pkt. 1 der Entscheidung des Erstgerichtes) wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.725,- bestimmten Kosten der Revision (darin enthalten S 2.287,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist seit - mit einer Unterbrechung vom bis - bei der Klägerin als Arbeiter beschäftigt. 1988 wurde er in den Betriebsrat der Arbeiter des Betriebes "Fahrdienst" und kurz darauf zum Vorsitzenden des Zentralbetriebsrates im Unternehmen der Klägerin gewählt. Seit ist er gemäß § 117 ArbVG vom Dienst freigestellt.

Das Klima zwischen dem Betriebsrat und der Unternehmensleitung der Klägerin ist angespannt. Beim Erstgericht sind zahlreiche Verfahren im Zusammenhang mit Entlassungen von Dienstnehmern der Klägerin wegen "Schwarzverkaufes" anhängig.

Die Klägerin begehrt in ihrer Klage, ihr die Zustimmung zur am erfolgten Entlassung des Beklagten zu erteilen. Seit 1990 hätten sich verbale Ausfälle des Beklagten sowohl gegen Organe des Unternehmens der Klägerin als auch gegenüber Mitarbeitern gehäuft. Der Bogen dieser Ausfälle habe sich von Beschimpfungen ("Arschloch", "Vollidioten") über Verspottungen ("Hypnotiseure", "Motiveure", "Astrologen"), Vorwürfen mangelnder Qualifikation oder des Intrigantentums gegenüber Vorgesetzten oder Mitarbeitern bis hin zu schlechtem Benehmen gespannt. Mitarbeiter hätten Beschwerden und Interventionsersuchen um Schutz vor Beleidigungen durch den Beklagten sowohl an die Betriebsleitung als auch an den Angestelltenbetriebsrat herangetragen. Mahnungen und Verwarnungen durch den Dienstgeber hätten keine Änderung im Verhalten des Beklagten bewirkt. Die durch dieses Verhalten verursachten Verunsicherungen und die Vergiftung des Betriebsklimas hätten dazu geführt, daß notwendige organisatorische Reformen ins Stocken geraten seien, womit der Beklagte in unzulässiger Weise in die Betriebsführung eingegriffen habe. Zur Entlassung des Beklagten am sei es gekommen, weil er den Kontrollor Leopold K***** im Zusammenhang mit dessen Aussage in einem Arbeitsgerichtsverfahren in Gegenwart mehrerer Mitarbeiter der falschen Zeugenaussage beschuldigt habe. Dieser Vorwurf stelle eine erhebliche Ehrverletzung und damit einen Entlassungsgrund im Sinne des § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG dar. Nach Anhörung des Betriebsrates sei daher die Entlassung ausgesprochen worden.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens erhob die Klägerin die Eventualbegehren auf Zustimmung zur Entlassung des Beklagten vom bzw auf Zustimmung zu seiner Kündigung. Der Beklagte habe Manipulationen am Computer des Betriebsrates vorgenommen, wodurch es zur Beschädigung von Daten gekommen sei. An der Anschlagtafel des Arbeiterbetriebsrates aufgehängte Rundschreiben seien beschädigt oder unkenntlich gemacht worden. Am sei der Magazinleiter Johann S***** in einem anonymen telefonischen Anruf bedroht worden. Die in der Folge getätigten polizeilichen Ermittlungen hätten sich auf den Beklagten konzentriert, seien jedoch mangels eindeutiger Nachweisbarkeit eingestellt worden. Am habe die Klägerin aus einem Rundschreiben des Arbeiterbetriebsrates von einer Privatanklage des mittlerweile zum Vorsitzenden des Arbeiterbetriebsrates bestellten Martin H***** gegen den Beklagten erfahren. Nachfragen hätten ergeben, daß der Beklagte nach seiner Abwahl als Betriebsratsvorsitzender seinen Nachfolger durch Äußerungen gegenüber Mitarbeitern schwer verunglimpft habe. Der Beklagte habe behauptet, daß H***** einem teuren Hobby nachgehe und verschuldet sei, da er regelmäßig ca zwei- bis dreimal pro Woche ein Bordell besuche und sich dort abartigen sexuellen Praktiken hingebe. Weiters habe der Beklagte seinen Nachfolger als wahnsinnig und schizophren bezeichnet. Dabei sei es dem Beklagten ausschließlich darum gegangen, seinen Nachfolger zu diskreditieren. Nach Anhörung des Betriebsrates sei daher am neuerlich die Entlassung ausgesprochen worden.

Der Beklagte beantragte, sämtliche Klagebegehren abzuweisen. Die von der Klägerin relevierten Vorfälle lägen - mit Ausnahme der behaupteten Äußerung gegenüber dem Kontrollor K***** - so lange zurück, daß sie - sollten sie überhaupt zutreffen - die ausgesprochene Entlassung nicht rechtfertigen könnten. Am habe der Beklagte das in einem von einer entlassenen Dienstnehmerin gegen die Klägerin angestrengten Verfahren ergangene Berufungsurteil gelesen, in dem nicht der Aussage des K*****, sondern jener der Dienstnehmerin geglaubt worden sei. Der Beklagte habe K***** daraufhin mitgeteilt, daß die betroffene Dienstnehmerin auch in zweiter Instanz gewonnen habe und seine (des K*****) Aussage nicht so glaubwürdig gewesen wären.

Auch die Entlassung vom sei ungerecht- fertigt. Ein gegen den Beklagten wegen Datenbeschädigung eingeleitetes Strafverfahren sei gemäß § 90 StPO eingestellt worden. Der Beklagte habe weder etwas beschädigt, noch Daten gelöscht. Die von seinem Nachfolger H***** in Form einer Privatanklage inkriminierten Äußerungen seien in dieser Form nicht gefallen. Der Beklagte habe lediglich gegenüber zwei Kollegen auf eindringliches Fragen geantwortet, er wisse zu viel über das Privatleben seines Nachfolgers. Eine etwaige Beleidigung H*****s habe zu keiner schwerwiegenden Störung des persönlichen Kontaktes zwischen der Klägerin und dem Beklagten führen können. Der Klägerin sei nur daran gelegen, ein engagiertes und ihr unliebsames Mitglied des Betriebsrates loszuwerden.

Das Erstgericht erteilte (in Stattgebung des Eventualbegehrens) die Zustimmung zur Entlassung des Beklagten vom und wies "das Mehrbegehren" (richtig: das Klagehauptbegehren) auf Zustimmung zur Entlassung vom ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Seit Jahren befleißigt sich der Beklagte gegenüber Mitarbeitern der Klägerin eines jenseits herrschender Umgangsformen liegenden Tones. Dies führte zu Beschwerden von Bediensteten und Ersuchen um Abhilfe sowohl beim Vorsitzenden des Angestelltenbetriebsrates, als auch bei leitenden Angestellten der Klägerin. Demonstrativ für dieses seit etwa 1990 gesetzte Verhalten sind folgende Vorkommnisse anzuführen:

1992 oder 1993 äußerte sich der Beklagte in einem Bahnhofsbüro gegenüber einem "Standkontrollor", der bei abfahrenden Zügen Warenstandskontrollen vornehmen sollte und gelegentlich auch mit Büroarbeiten befaßt war, mit den Worten "Du fette Sau, sitz nicht herum, schleich Dich hinaus zu Deiner Arbeit". Der Standkontrollor wandte sich daraufhin mit einer Beschwerde an den Vorsitzenden des Angestelltenbetriebsrates. Ein ähnlicher Sachverhalt (Beschimpfungen von Angestellten durch den Beklagten) hatte bereits 1990 zu einem Beschwerdebrief an den Vorsitzenden des Angestelltenbetriebsrates geführt. Der Brief wurde von elf Bediensteten gezeichnet. In einem Telefonat mit dem damaligen Personalchef der Klägerin am gab der Beklagte folgende Äußerungen ab: "Herr Doktor, wenn Sie als Kontrollore lauter Vollidioten haben, einschließlich der Standkontrolle, dann .......". Am versuchte der Beklagte, den Personalchef telefonisch zu erreichen. Dieser führte jedoch Aufnahmegespräche und bat deshalb seine Sekretärin, Telefongespräche nicht durchzustellen und jedem Anrufer einen Rückruf anzubieten. Der Beklagte meinte daraufhin, er lasse sich dies nicht bieten und kam in Begleitung des Vorsitzenden des Angestelltenbetriebsrates in die Firmenleitung. Dort riß er, ohne sich anzumelden, die Bürotür auf und stand plötzlich im Personalbüro. Obwohl er sah, daß der Personalchef beschäftigt war, ließ er sich für einige Zeit nicht bewegen, das Büro zu verlassen. Gegenüber der Sekretärin erklärte er, daß diese "in der in der Firma üblichen intriganten Art" agiere. Nachdem der Beklagte gegenüber dem Personalchef den Vorwurf des Wortbruches wiederholt hatte, erklärte dieser das Gespräch für beendet.

Am richtete der Klagevertreter eine schriftliche Verwarnung an den Beklagten, in der er die Entlassung androhte.

Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt wurden bei der Klägerin beschäftigte Kellner durch Kaffeemaschinen verbrüht. Der Beklagte fragte die Standkontrollorin Eveline M*****, der in bezug auf Kaffeemaschinen keine Überwachungspflicht zukam, ob sie sich die Kaffeemaschinen in einem bestimmten Zug angeschaut habe. Nachdem sie dies verneint hatte, sagte er zu ihr in Gegenwart zweier angestellter Personen: "Du bist doch das größte Arschloch".

Die eben geschilderten und andere Ausfälle des Beklagten gegenüber Dienstnehmern standen in tatsächlichem oder vermeintlichem Zusammenhang mit einer Betriebsratstätigkeit des Beklagten.

Am sagte der Beklagte in Gegenwart mehrerer Arbeitskollegen unter Anspielung auf einen Arbeitsgerichtsprozeß sinngemäß zum Kontrollor K*****, dieser hätte eine falsche Zeugenaussage gemacht, er (der Beklagte) wundere sich, daß so jemand in der Firma als Kontrollor tätig sei. K*****, der durch den Vorfall tief betroffen war, informierte seinen Vorgesetzten. Am sprach daraufhin die Klägerin nach internen Erhebungen und nach Anhörung des Betriebsrates, der sich einstimmig gegen die Entlassung aussprach, die Entlassung des Beklagten aus. Am wurde die vorliegende Klage überreicht.

Im November 1994 wurde der Beklagte als Vorsitzender des Arbeiterbetriebsrates abgewählt; zu seinem Nachfolger wurde Martin H*****bestimmt. Dies führte zwischen dem Beklagten und H***** zu erheblichen Spannungen. Am 10. bzw. betätigte sich der Beklagte am Computer des Betriebsrates und änderte das Paßwort von "X-Large" auf "Fuck", worauf der Computer nicht verwendet werden konnte und durch einen Spezialisten repariert werden mußte, der hiefür S 3.000,- in Rechnung stellte. Ein deshalb von der (von H***** informierten) Klägerin eingeleitetes Strafverfahren wurde gemäß § 90 StPO eingestellt.

Ende November 1994 erklärte der Beklagte auf eine Frage nach den Ursachen der Spannungen mit H***** gegenüber dem Betriebsratsmitglied Hav*****, daß H***** ein teures Hobby habe; er sei Masochist und das koste ihn bei Bordellbesuchen sehr viel Geld, was ihn sehr verschuldet habe. Hav***** behielt diese Äußerung zunächst für sich. Bei einem Gespräch etwa Mitte Dezember 1994 fragte H***** den Beklagten, warum dieser unwahre Geschichten über sein Privatleben verbreite. Als der Beklagte dies bestritt, konfrontierte ihn Hav***** (?) mit der Mitteilung eines Arbeitskollegen, wonach der Beklagte diesem erklärt hätte, H***** hätte ein "teures Hobby". Zu diesem Zeitpunkt fiel Hav***** die oben geschilderte Äußerung des Beklagten im November 1994 ein. Darauf angesprochen erklärte der Beklagte, es habe sich um ein vertrauliches Gespräch gehandelt. Auch gegenüber dem Arbeitskollegen M***** hatte der Beklagte anläßlich eines Kaffeehausbesuches Anfang Dezember 1995 erklärt, H***** habe ein sehr teures Hobby, worunter zu verstehen sei, daß er häufig Bordelle besuche, weil er abartig veranlagt sei; deshalb sei er schwer verschuldet. M***** setzte H***** vom Inhalt dieser Äußerung am in Kenntnis. Dieser erhob gegen den Beklagten am Privatanklage. Am sah sich H***** veranlaßt, die Belegschaft über die Privatanklage zu informieren. Er tat dies mittels eines Anschlages, der der Firmenleitung zur Kenntnis kam, die nach Anhörung des Betriebsrates mit abermals die Entlassung aussprach. Am wurde die Zustimmung des Gerichtes zu dieser Entlassung begehrt.

Zum Hauptbegehren der Klägerin vertrat das Erstgericht die Rechtsauffassung, daß die diesem Begehren zugrunde liegenden Äußerungen des Beklagten gerade noch entschuldbar im Sinne der Mandatsschutzklausel des § 120 Abs 1 ArbVG seien. Hingegen finde sich für die der Entlassung vom Februar 1995 zugrundeliegenden erheblichen Ehrverletzungen des Beklagten gegenüber H*****, die mit der Abwahl des Beklagten als Vorsitzender des Arbeiterbetriebsrates im Zusammenhang stünden, kein Umstand, der eine Entschuldbarkeit auch nur nahelegen könne. Im Hinblick darauf, daß die schriftliche Verwarnung des Beklagten durch den Firmenanwalt nichts gefruchtet habe, sei eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen dem Beklagten und dem Betriebsinhaber nicht mehr zu erwarten.

Das Berufungsgericht änderte mit Teilurteil vom über Berufung der Klägerin die klageabweisende Entscheidung über das Hauptbegehren in ein der Entlassung vom zustimmendes Teilurteil ab. Die Entscheidung über die Berufung des Beklagten gegen die Stattgebung des (ersten) Eventualbegehrens behielt das Berufungsgericht der Endentscheidung vor.

Dieses Teilurteil wurde vom Obersten Gerichtshof mit Urteil vom (9 ObA 47/97w = ARD 4852/20/97) im Sinne der Wiederherstellung der das Hauptbegehren abweisenden Entscheidung des Erstgerichtes abgeändert.

Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil änderte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichtes über das Eventualbegehren der Klägerin im Sinne der Abweisung dieses Begehrens ab.

Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Entlassungsgrund nach § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG nur gegeben sei, wenn durch das Verhalten des Betriebsratsmitgliedes eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsratsmitglied und Betriebsinhaber nicht mehr zu erwarten sei. Diese Voraussetzung sei hier nicht gegeben. Die Änderung des Paßwortes des Computers des Betriebsrates sei nur die Folge einer innerhalb des Betriebsrates bestehenden Konfliktsituation. Auch die Äußerungen des Beklagten über ein "teures Hobby" des H***** hätten ausschließlich dessen Privatleben betroffen und seien ohne Einfluß auf das Verhältnis zwischen dem Beklagten und dem Betriebsinhaber. Zudem sei das Bekanntwerden dieser Äußerungen dem Beklagten nicht anzulasten, zumal es H***** gewesen sei, der die Belegschaft über seine Privatanklage informiert habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern. Hilfsweise wird beantragt, die Zustimmung zur Kündigung des Beklagten zu erteilen.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG darf das Gericht unter Bedachtnahme auf § 120 ArbVG der Entlassung eines Betriebsratsmitgliedes nur zustimmen, wenn sich das Betriebsratsmitglied Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen gegen den Betriebsinhaber, dessen im Betrieb tätige oder anwesende Familienangehörige oder Arbeitnehmer des Betriebes zuschulden kommen läßt, sofern durch dieses Verhalten eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsratsmitglied und Betriebsinhaber nicht mehr zu erwarten ist.

"Ehrverletzungen" sind alle Handlungen (insbesondere Äußerungen), die geeignet sind, das Ansehen und die soziale Wertschätzung des Betroffenen durch Geringschätzung, Vorwurf einer niedrigen Gesinnung, üble Nachrede, Verspottung oder Beschimpfung herabzusetzen und auf diese Weise das Ehrgefühl des Betroffenen, wenn er davon erfährt, zu verletzen. Es sind dies vor allem gegen die Ehre gerichtete strafbare Handlungen iS der §§ 111 ff StGB; aber auch nicht strafbare derartige Handlungen können tatbestandsmäßig sein (Kuderna, Entlassungsrecht**2 123 zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 27 Z 6 AngG; Floretta/Strasser, ArbVG**2 Anm 32 zu § 122).

Die inkriminierten Äußerungen des Beklagten verwirklichen den Tatbestand des § 111 Abs 1 StGB (sie betreffen Tatsachen des Privatlebens, sodaß § 112 StGB den - hier ohnedies nicht angetretenen - Wahrheitsbeweis und den Beweis des guten Glaubens nicht zuläßt). Sie sind geeignet, die soziale Wertschätzung des Beleidigten ganz erheblich herabzusetzen und stellen daher erhebliche Ehrverletzungen iS § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG dar, die zudem nach der Aktenlage nicht durch ein dem Beleidigten vorwerfbares Verhalten provoziert oder auch nur begünstigt wurden.

Auf den "freien Umgangston im Lebenskreis des Betriebes" kann sich der Beklagte nicht mit Erfolg berufen, weil - von seinen eigenen Äußerungen abgesehen - Anhaltspunkte für einen generell im Betrieb herrschenden "rauhen" Umgangston nicht hervorgekommen sind. Zudem sind die ihm angelastete Äußerungen so erheblich, daß sie auch durch einen derart "rauhen" Umgangston nicht zu rechtfertigen wären.

Die in der Revisionsbeantwortung vom Beklagten vertretene Meinung, als Entlassungsgrund kämen nur während der Dienstzeit erfolgte Ehrverletzungen in Betracht, trifft nicht zu: Abgesehen davon, daß nicht feststeht, daß die Äußerung des Beklagten gegenüber Hav***** außerhalb des Betriebes und außerhalb der Dienstzeit erfolgt ist, rechtfertigt auch ein außerdienstliches Verhalten die Entlassung, wenn zwischen der erheblichen Ehrverletzung und dem Arbeitsverhältnis ein unmittelbarer Zusammenhang besteht und sich die Ehrverletzung auf das Arbeitsverhältnis oder auf den Betrieb auszuwirken geeignet ist (Kuderna a.a.O. 124 mwN). Dies ist aber hier zu bejahen, weil die inkriminierten Äußerungen des Beklagten eine Folge von den Betrieb (wenn auch Belange des Betriebsrates) betreffenden Vorgängen waren und weil der vom Beklagten nach den Feststellungen schon seit Jahren gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten angeschlagene Ton "jenseits herrschender Umgangsformen" bereits zu erheblichen Unstimmigkeiten im Betrieb geführt hatte.

Auch aus dem Umstand, daß letztlich H***** selbst den inkriminierten Äußerungen durch die Bekanntmachung mittels Anschlag weitere Publizität verliehen hat, ist für den Beklagten nichts zu gewinnen, zumal die Anschuldigungen des Beklagten zu diesem Zeitpunkt zumindest zwei Arbeitskollegen bekannt waren, mit ihrem weiteren Bekanntwerden daher zu rechnen war und demgemäß ein nachvollziehbares Interesse des als Betriebsratsvorsitzenden tätigen H***** bestand, durch Verweis auf die mittlerweile eingebrachte Privatanklage die Unrichtigkeit der Vorwürfe zu demonstrieren.

Auch die vom Berufungsgericht verneinte weitere Voraussetzung für die Berechtigung der Entlassung, daß durch das Verhalten des Beklagten eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsratsmitglied und Betriebsinhaber nicht mehr zu erwarten ist, ist gegeben. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß der Dienstgeber im Rahmen der ihn treffenden Fürsorgepflicht (§ 1157 ABGB) verpflichtet ist, bei ehrverletzenden Äußerungen zwischen in seinem Betrieb tätigen Arbeitnehmern Abhilfe zu schaffen (Kuderna, a.a.O. 122, 124). Dieses Recht auf Abhilfe steht auch dem vom Beklagten beleidigten H***** zu; daran ändert seine Stellung als Mitglied des Betriebsrats nichts. Die Meinung des Berufungsgerichtes, das Verhältnis der Klägerin zum Beklagen werde durch dessen ehrverletzenden Äußerungen gegenüber H***** nicht berührt, trifft daher nicht zu. Dazu kommt, daß - wie der erkennende Senat schon in der in diesem Verfahren ergangenen Vorentscheidung vom (9 ObA 47/97w = ARD 4852/20/97) ausgeführt hat - die früheren vom Erstgericht festgestellten Ehrverletzungen gegenüber Mitarbeitern der Klägerin die später ausgesprochene Entlassung nicht begründen können, wohl aber unterstützend in die nunmehr vorzunehmende Beurteilung des Verhaltens des Beklagten einzufließen haben. Damit wird aber deutlich, daß es sich bei den nunmehr inkriminierten ehrverletzenden Äußerungen des Beklagten um keinen Einzelfall handelt. Vielmehr steht fest, daß der Beklagte sich seit Jahren gegenüber Mitarbeitern eines "jenseits herrschender Umgangsformen liegenden Tones" bedient und wiederholt ehrverletzende Äußerungen getätigt hat, die zu Beschwerden und Abhilfeersuchen geführt haben. Im Hinblick auf die eben dargestellte Verpflichtung der Klägerin, bei ehrverletzenden Äußerungen gegenüber ihren Dienstnehmern Abhilfe zu schaffen, ist ihr daher beizupflichten, daß die hier inkriminierten neuerlichen Ehrverletzungen gegenüber einem Mitarbeiter ihr Verhältnis zum Beklagten derart belasten müssen, daß eine sinnvolle Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr zu erwarten ist.

In Stattgebung der Revision war daher das Ersturteil, in dem der Entlassung vom zugestimmt wurde, wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO iVm § 58 Abs 1 ASGG.