OGH vom 30.07.2009, 8Ob89/09k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling, Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Rudolf Lessiak, Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Vanis Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen Vertragszuhaltung (Streitwert 100.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 60 R 98/09d-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 16 C 860/07y-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.132,28 EUR (darin enthalten 355,38 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Streitteile haben über eine Geschäftsfläche in einem Einkaufszentrum einen Bestandvertrag abgeschlossen. Die Beklagte verpflichtete sich als Bestandnehmerin gegenüber der Klägerin als Bestandgeberin, den Geschäftsbetrieb „dauernd während der von der Klägerin im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen festgelegten Öffnungszeiten des Zentrums aufrecht und die Geschäftsräume geöffnet zu halten". Am setzte die Beklagte die Klägerin von ihrem Vorhaben in Kenntnis, die gegenständliche Filiale am geschlossen zu halten. Trotz eines Schreibens der Klägerin, dass dieses Verhalten gegen die vereinbarte Betriebspflicht verstoße, und der ausdrücklichen Aufforderung, die Filiale auch am geöffnet zu halten, führte die Beklagte ihr Vorhaben durch und hielt die Filiale an diesem Tag geschlossen.
Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage die Beklagte schuldig zu erkennen, während aufrechter Dauer des Bestandvertrags die klagsgegenständliche Filiale an jedem 8. Dezember, soweit dieser nicht auf einen Sonntag fällt, dauernd während der Geschäftszeiten dieses Zentrums aufrecht sowie das Bestandobjekt auf diesen Geschäftsflächen geöffnet zu halten. Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klageabweisung und brachte im Wesentlichen vor, dass eine Verpflichtung, die streitgegenständliche Filiale auch am 8. Dezember geöffnet zu halten, nicht bestehe, da es sich um einen gesetzlichen Feiertag handle. Eine gegenteilige Vereinbarung schränke das Grundrecht auf Freiheit der Religionsausübung ein. Im Übrigen sei der Beklagten nicht bekannt, ob sie die streitgegenständliche Filiale in Zukunft am 8. Dezember offen halten könne, da ihre Arbeitnehmer an diesem Tag nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet werden könnten. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung der Beklagten das Ersturteil. Es erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zur Rechtsfrage, ob in Hinblick auf das Spannungsverhältnis zu § 13a ARG eine Betriebspflicht für den 8. Dezember vereinbart werden könne, soweit überblickbar keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klageabweisenden Sinn abzuändern. Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts unzulässig (§ 508a Abs 1 ZPO).
Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RIS-Justiz RS0112921; RS0112769; 8 Ob 23/08b mwN). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde.
Dieser Fall liegt hier vor:
Der Oberste Gerichtshof hat nämlich in seiner am gefällten (und dieselbe beklagte Partei wie hier betreffenden) Entscheidung 7 Ob 37/09f die auch in der vorliegenden Rechtssache entscheidungswesentliche Rechtsfrage, ob eine Betriebspflicht für den 8. Dezember (sofern er kein Sonntag ist) vereinbart werden könne, ausdrücklich bejaht. Dabei ist der Oberste Gerichtshof zusammengefasst davon ausgegangen, dass es keine gesetzliche Bestimmung gebe, die das Offenhalten von Verkaufsstellen am 8. Dezember untersagt. Damit sei die Klägerin schon nach dem Wortlaut der (dort wie hier inhaltsgleichen) Betriebspflichtvereinbarung berechtigt, das Offenhalten von der Beklagten zu verlangen, solange die Gesetzeslage in dieser Weise bestehe. Dem Art IX des Konkordats 1933, BGBl II 1934/2, sei unter anderem durch § 7 ARG dahin Rechnung getragen, als der 8. Dezember auch im Sinn dieses Bundesgesetzes als Feiertag normiert sei. Weiters sei aufgrund des § 13a ARG die Beschäftigung von Arbeitnehmern am 8. Dezember insofern freiwillig, als das Recht des Arbeitnehmers festgelegt sei, die Beschäftigung an diesem Tag ohne Angabe von Gründen abzulehnen und der Arbeitnehmer wegen seiner Weigerung, an diesem Tag der Beschäftigung nachzugehen, nicht benachteiligt werden dürfe. Der Arbeitgeber und Unternehmer bedürfe keines gesetzlichen Schutzes, weil es in seinem Ermessen stehe, die Feiertagsruhe einzuhalten oder nicht. Es sei demnach durch die Gesetzeslage der von der Republik Österreich anerkannte Feiertag geschützt. Es stehe jedem frei, ihn als solchen zu begehen. Eine allgemeine Pflicht zur Feiertagsruhe sei hingegen nicht gegeben. Es sei ausschließlich eine unternehmerische Entscheidung, ob Geschäftslokale am 8. Dezember offen gehalten werden oder nicht. Die Beklagte habe diese für sich getroffen, als sie sich im Mietvertrag zur Offenhaltung im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet habe. Sei aber die Beklagte eine vertragliche Verpflichtung, die nicht sittenwidrig sei, eingegangen, habe sie diese auch zu erfüllen und dafür zu sorgen, dass die erforderlichen Mitteln dafür bereit stehen.
Soweit die Rechtsmittelwerberin (weiterhin) mit der Unzulässigkeit des erhobenen Klagebegehrens als „vorbeugende Leistungsklage" argumentiert, wurde auch diese Frage in der zitierten Entscheidung des 7. Senats unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung ausdrücklich bejaht. Dem ist auch hier uneingeschränkt zu folgen. Da somit zum maßgeblichen Zeitpunkt der hier zu fällenden Entscheidung über das Rechtsmittel der Beklagten die zitierte einschlägige Vorentscheidung bereits ergangen war, die sämtlich auch hier relevierten entscheidungswesentlichen Rechtsfragen behandelt, sind die von der Rechtsmittelwerberin aufgeworfenen Rechtsfragen nicht (mehr) als erheblich anzusehen. Das Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen.
Für die Kostenentscheidung ist allerdings zu beachten, dass die Klägerin die Unzulässigkeit der Revision bei Einbringung ihrer Rechtsmittelbeantwortung noch nicht erkennen konnte, weil zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung des 7. Senats noch nicht ergangen war. Da der beklagten Revisionswerberin die Kosten der Rechtsmittelbeantwortung auch im Fall einer Sachentscheidung über die Revision auferlegt worden wären, sind in analoger Anwendung des § 50 Abs 2 ZPO der Klägerin die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung unabhängig davon zuzusprechen, ob sie ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat (8 Ob 23/08b mwN).