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OGH vom 24.11.2010, 9ObA79/10y

OGH vom 24.11.2010, 9ObA79/10y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. I***** M*****, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Landesschulrat für S*****), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen Feststellung (Streitwert 30.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 34/10x 57, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 31 Cga 58/08b-42, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Dass die Klägerin als in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehende Vertragsbedienstete (Lehrerin an einer zum Landesschulrat S***** ressortierenden Höheren technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt) dem Geltungsbereich des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 (VBG), BGBl 1948/86, und ihre Dienststelle dem Geltungsbereich des Bundes Personalvertretungsgesetzes (PVG), BGBl 1967/133, unterliegt, ist im vorliegenden Fall nicht weiter strittig (siehe insbesondere § 1 Abs 1 VBG,§ 1 PVG).

Bei einer Dienstgeberkündigung handelt es sich um eine Maßnahme gemäß § 9 Abs 1 lit i PVG, auf die die Regelung des § 10 PVG anzuwenden ist. Gemäß § 9 Abs 1 PVG ist der Dienststellenausschuss zur Erfüllung aller jener in § 2 PVG umschriebenen Aufgaben berufen, die nicht ausdrücklich anderen Einrichtungen der Personalvertretung vorbehalten sind. Dabei sind beabsichtigte Maßnahmen vor ihrer Durchführung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und eingehend mit dem Dienststellenausschuss zu verhandeln. Dem Dienststellenausschuss obliegt in diesem Sinn etwa die Mitwirkung bei der Auflösung des Dienstverhältnisses durch Entlassung oder Kündigung durch den Dienstgeber und bei der einverständlichen Auflösung des Dienstverhältnisses (§ 9 Abs 1 lit i PVG). Nach § 10 Abs 1 PVG sind beabsichtigte Maßnahmen des Dienststellenleiters iSd § 9 Abs 1 PVG dem Dienststellenausschuss spätestens zwei Wochen vor ihrer Durchführung nachweislich zur Kenntnis zu bringen. Die Maßnahme darf erst dann vollzogen werden, wenn der Dienststellenausschuss die Zustimmung erteilt oder sich innerhalb einer Frist von zwei Wochen nicht äußert (§ 10 Abs 2 PVG). Maßnahmen nach § 9 Abs 1 lit i PVG, die unter Verletzung der Bestimmungen des PVG getroffen wurden, sind aufgrund eines Antrags des betroffenen Bediensteten nach den für sein Dienstverhältnis geltenden Verfahrensvorschriften für rechtsunwirksam zu erklären, wenn der Antrag (die Klage) innerhalb von sechs Wochen gestellt (eingebracht) wird (§ 10 Abs 9 PVG).

Die Mitwirkung der Personalvertretung in allen Fällen der Kündigung und Entlassung eines Bediensteten kann nicht als „Formalismus“ abgetan werden; ihr gibt das PVG vielmehr ganz besonderes Gewicht. Die Maßnahme des Dienststellenleiters ist bei Verletzung des Gesetzes nach den für das Dienstverhältnis des Bediensteten geltenden Verfahrensvorschriften für rechtsunwirksam zu erklären (§ 10 Abs 9 PVG; Schragel , PVG § 9 Rz 38; 9 ObA 211/98i ua). Der Oberste Gerichtshof hat sich im Zusammenhang mit der Beendigung von Dienstverhältnissen bereits mit der Frage der Einhaltung des Vorverfahrens nach dem Bundes Personalvertretungsgesetz (PVG) bzw einzelnen Landes Personalvertretungsgesetzen befasst und dabei festgehalten, dass nach den Bestimmungen der § 9 Abs 1 lit i, § 10 Abs 9 PVG die vorherige Verständigung der Personalvertretung eine Voraussetzung für eine wirksame Kündigung des Dienstverhältnisses ist (9 ObA 90/87; 9 ObA 80/94; 8 ObA 204/99d ua). Der zu einem Verhalten iSd § 9 Abs 1 PVG verpflichtete Dienststellenleiter handelt gesetzwidrig, wenn er die ihm vorgeschriebene Einschaltung der Personalvertretung unterlässt und die beabsichtigte Maßnahme ohne solche trifft (9 ObA 251/97w, ZAS 1999/1 [ Ziehensack ] ua). Dies wird auch im vorliegenden Verfahren, in dem die Wirksamkeit einer Eventualkündigung zu beurteilen ist, nicht weiter bezweifelt. Zur Eventualkündigung, die nur für den Fall ausgesprochen wird, dass das Dienstverhältnis nicht bereits vorher beendet worden ist, hat der Oberste Gerichtshof festgestellt, dass sie, obwohl nicht gesetzlich geregelt, grundsätzlich als zulässig angesehen wird (9 ObA 119/05y unter Berufung auf Lovrek in FS Bauer/Maier/Petrag, Die Eventualkündigung im Arbeitsrecht und ihre prozessualen Folgen 261 [263 f mwN]; RIS-Justiz RS0031490 ua).

Eine dem Geltungsbereich des PVG unterliegende Eventualkündigung ist wie jede andere dem PVG unterliegende Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Einhaltung der vorzitierten Bestimmungen des Vorverfahrens nach dem PVG verpflichtet ( Ziehensack , VBG § 32 Rz 78b, 83 ua). Die aufgrund der in der außerordentlichen Revision der Beklagten erhobenen Zulassungsbeschwerde auf ihre Erheblichkeit iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilende Frage ist daher nicht, ob bei der gegenständlichen Eventualkündigung das Vorverfahren nach den §§ 9, 10 PVG einzuhalten war, sondern ob es tatsächlich eingehalten wurde. Nach den Feststellungen sprach der Landesschulrat für S***** die gegenständliche Eventualkündigung der Klägerin mit Schreiben vom zum aus. Der Fachausschuss wurde hingegen erst am von einem Mitarbeiter des Landesschulrats telefonisch und per E-Mail mit dem Hinweis verständigt, „dass man übersehen habe, die Verständigung des Fachausschusses zu einer Eventualkündigung einzuholen und dass man dies nun aus Sicherheitsgründen nachholen möchte“. Die Erkenntnis, dass eine unterbliebene Verständigung von einer beabsichtigten Maßnahme nach deren Durchführung nicht mehr nachgeholt werden kann (vgl 9 ObA 26/89 ua), veranlasste die Beklagte neben dem Ausspruch einer weiteren, den Gegenstand eines anderen Verfahrens bildenden Eventualkündigung der Klägerin im vorliegenden Prozess zur Einnahme des Standpunkts, dass man ohnedies die Voraussetzung einer der Beendigungserklärung vorangehenden Verständigung der Personalvertretung eingehalten habe. Zur Begründung dieser These berief sich die Beklagte auf eine der Eventualkündigung vom in zeitlicher Hinsicht vorangehende Verständigungserklärung des Landesschulrats für S***** vom .

Wie bereits ausgeführt, gibt das PVG der Mitwirkung der Personalvertretung in den Fällen der Kündigung und Entlassung eines Bediensteten besonderes Gewicht (9 ObA 211/98i ua). Dabei geht es im gegenständlichen Zusammenhang selbstverständlich nicht darum, ob der Personalvertretung von Dienstgeberseite irgendwann irgendetwas mitgeteilt wurde. Vielmehr verlangt § 10 Abs 1 PVG, dass beabsichtigte Maßnahmen des Dienststellenleiters iSd § 9 Abs 1 PVG dem Dienststellenausschuss spätestens zwei Wochen vor ihrer Durchführung nachweislich zur Kenntnis zu bringen sind. Daraus folgt unmissverständlich, dass zwischen der vorangehenden Verständigung von einer beabsichtigten Maßnahme und der nachfolgenden Durchführung dieser Maßnahme ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang bestehen muss (vgl zu § 105 ArbVG RIS-Justiz RS0051425 ua). Ob nun zwischen einer bestimmten Verständigung von einer beabsichtigen Maßnahme und einer in der Folge konkret getroffenen Maßnahme ein Zusammenhang besteht, ob sich also eine bestimmte Verständigung tatsächlich auf eine bestimmte Maßnahme bezogen hat, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (vgl Wolligger in ZellKomm, ArbVG § 105 Rz 42 ua). Entgegen der Annahme der Revisionswerberin können insoweit keine allgemein gültigen Regeln aufgestellt werden, zumal sie selbst mehrfach die besondere „Vorgeschichte“ der gegenständlichen Kündigung betont. Das Berufungsgericht bezog wie schon das Erstgericht die am erfolgte Ankündigung einer Kündigung auf die nachfolgende (wie sich später herausstellte: unwirksame) Kündigung der Klägerin durch den Landesschulrat für S***** vom zum (siehe zum darauf bezüglichen Verfahren 9 ObA 14/08m, DRdA 2009/7 [ Ziehensack ]) und verneinte damit im Ergebnis einen Zusammenhang zwischen dieser Verständigung vom und der gegenständlichen, erst sieben Monate später auf einen anderen Termin () erfolgten Eventualkündigung vom . Diese Beurteilung ist nach der Lage des Falls vertretbar. Auch die Revisionswerberin räumt ein, dass die Auffassung des Berufungsgerichts nachvollziehbar und plausibel ist. Dass die Beurteilung des Berufungsgerichts nach Meinung der Revisionswerberin „nicht die einzige Lösungsmöglichkeit darstelle“, genügt nach der Rechtsprechung noch nicht, um eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu begründen (vgl RIS-Justiz RS0116755 ua).

Dass jeder beabsichtigten Dienstgeberkündigung iSd § 9 Abs 1 lit i PVG, gleich welche „Vorgeschichte“ sie hat, bei sonstiger Unwirksamkeit (§ 10 Abs 9 PVG) zwingend eine Verständigung der Personalvertretung voranzugehen hat, folgt eindeutig aus dem Gesetz (§ 10 Abs 1 PVG). Fehlende Rechtsprechung „zu einem Fall wie dem vorliegenden“ zu beklagen, ist daher nicht zielführend. Aus den von der Revisionswerberin besonders hervorgehobenen Entscheidungen 9 ObA 251/97w und 9 ObA 4/04k ist für das vorliegende Verfahren ebenfalls nichts Gegenteiliges zu gewinnen. In 9 ObA 251/97w wurde die Personalvertretung gesetzmäßig eingeschaltet; in 9 ObA 4/04k gab die Personalvertretung vor der Kündigung eine Stellungnahme ab.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, die fallbezogen gelöst werden muss, ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).