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OGH 15.12.2004, 9ObA79/04i

OGH 15.12.2004, 9ObA79/04i

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl. Ing. Walter Holzer und Univ. Prof. Dr. Walter Schrammel als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Günter R*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 30.105 brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 28/04w-18, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 8 Cga 1/03d-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Ergänzung des Verfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Revisionsbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger war bei der Beklagten seit Februar 1980 als Maklerbetreuer beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis ist der Kollektivvertrag für die Angestellten des Versicherungsinnendienstes (KVI) anzuwenden.

Im Sommer 2001 erklärte der Kläger seinem Vorgesetzten, sein Dienstverhältnis per auflösen zu wollen. Wegen seines offenen Resturlaubsanspruchs von rund 100 Tagen hätte er daher faktisch seinen Dienst bereits im September 2001 beendet. Der Vorgesetzte des Klägers war aber daran interessiert, dass dieser länger zur Verfügung stehe, damit ein Nachfolger eingearbeitet werden könne. Letztlich einigte man sich auf eine (vom Kläger gewünschte) einvernehmliche Beendigung des Dienstverhältnisses zum .

In der Auflösungsvereinbarung vom wurde ua vereinbart, dass der Kläger bei Beendigung des Dienstverhältnisses „die gesetzliche Abfertigung in Höhe von 12 Monatsentgelten, das sind derzeit S 793.290 brutto bzw S 745.692 netto" erhalte. Darüber hinaus erhalte er den Zuschlag zur Abfertigung gemäß § 30 KVI in Höhe von 150 %, somit S 1,189.935 brutto bzw S 720.085 netto. Ferner wurde vereinbart, dass der Kläger bis zur Beendigung seines Dienstverhältnisses sämtliche vorhandenen und bis zum Ende des Dienstverhältnisses entstehenden Urlaubsansprüche verbrauchen und nach Verbrauch seines Urlaubs bis zur Beendigung seines Dienstverhältnisses unwiderruflich dienstfrei gestellt werde. Schließlich enthält die Auflösungsvereinbarung die Erklärung des Klägers, dass damit seine Ansprüche abschließend geregelt seien und keine weiteren Ansprüche mehr bestünden.

Anlässlich des Abschlusses dieser Vereinbarung veranlasste der Vorgesetzte des Klägers eine Vorausberechnung der Höhe der Abfertigung. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Kläger zusätzlich zu seinem fixen Einkommen entsprechend seiner Vertriebsvereinbarung eine erfolgsabhängige Sonderzahlung bezog. Die Personalabteilung operierte bei der Vorausberechnung (zur Ermittlung der letzten zwölf Monatsentgelte) mit den Zahlen des vorangegangenen Jahres 2000. Die so ermittelten Beträge wurden als höhenmäßige Richtwerte zur Orientierung des Klägers in die Vereinbarung aufgenommen.

Über die Berechnung der Provisionen des Klägers während seines Urlaubs und der Dienstfreistellung wurde mit ihm nicht gesondert verhandelt. Bei der Bemessung der Entgeltfortzahlung ging die Beklagte von einer Zielerreichung von 100 % aus. Dies blieb vom Kläger unbeanstandet.

2001 war die Zielerreichung des Klägers bei 145 % gelegen, 2000 bei 100 %, 1999 bei 102 %, 1998 bei 105 % und 1997 bei 104 %.

Unter Berücksichtigung der Provisionen des Zeitraums vom bis zum errechnete die Beklagte schließlich einen Bruttoabfertigunganspruch des Klägers zum  von EUR 128.949.

Der Kläger begehrt den Zuspruch von EUR 30.105 brutto sA und bringt dazu im Wesentlichen vor:

Das von der Beklagten der Abfertigungsberechnung zugrunde gelegte Monatsentgelt sei unrichtig. Da er im ersten Halbjahr 2002 nicht gearbeitet und daher in diesem Zeitraum keine Provisionen bezogen habe, hätte zur Bemessung seines Provisionseinkommens der vor der arbeitsfreien Periode gelegene Zeitraum, also die Zeit vom 1. 1. bis zum , herangezogen werden müssen. Die Beklagte habe hingegen die Provisionen aus der Zeit vom 1. 7. bis zum berücksichtigt. Auch für die Positionen „Remuneration Widmung" und „AP-Spitzenabrechnung" habe die Beklagte nur diesen Zeitraum herangezogen. Bei richtiger Berechnung ergebe sich zugunsten des Klägers eine Differenz in der Höhe des Klagebetrags.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Abfertigungsbetrag sei bereits in der Vereinbarung vom  ziffernmäßig bestimmt worden; das Wort „derzeit" sei nur hinzugefügt worden, um die Indexanpassung 2002 berücksichtigen zu können. Da mit dem Kläger eine Dienstfreistellung für die letzten Monate des Dienstverhältnisses vereinbart worden sei, habe eine Regelung über die Berechnung der variablen Entgeltbestandteile gefunden werden müssen. Man sei übereingekommen, von einer Zielerreichung von 100 % auszugehen, um das Risiko einer Zielunter- oder Zielüberschreitung adäquat zwischen den Vertragsparteien aufzuteilen. Der Kläger sei mit dieser Vorgangsweise einverstanden gewesen. Der Vorteil sei für ihn darin gelegen, dass er keine Tätigkeit mehr habe erbringen müssen, trotzdem aber neben dem Fixgehalt die variablen Entgeltbestandteile auf der Basis einer 100%igen Zielerreichung zu erhalten. Die Beklagte wäre mit der Dienstfreistellung nicht einverstanden gewesen, wenn der Kläger auf der Zahlung der variablen Entgeltbestandteile in einer Höhe bestanden hätte, die er nur ein einziges Mal während seines Dienstverhältnisses habe erzielen können.

Der Kläger hielt dem entgegen, dass sich die Einschränkung „derzeit" nicht bloß auf die Indexanpassung 2002 beziehe. Es sei auch nicht richtig, dass für die Berechnung aller variablen Entgeltbestandteile die Annahme einer Zielerreichung von 100 % vereinbart worden sei. Vielmehr sei klar gewesen, dass die letzten 12 Monate vor der Dienstfreistellung heranzuziehen seien und die Bonifikation für 2001 zur Gänze einbezogen werden müsse.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf es folgende Feststellungen:

"Möglicherweise" enthielt der Vorschlag des Klägers zur einvernehmlichen Auflösung die Einbeziehung der Höhe der Jahresremuneration 1. 1. bis . Darauf ging der Dienstgeber jedoch nicht ein. Dem Wunsch des Klägers zur Berechnung seiner Abfertigungsansprüche die Remuneration 2001 heranzuziehen, wurde nicht Rechnung getragen. Der Kläger remonstrierte nicht gegen die Textierung der Auflösungsvereinbarung. Hätte er der Vereinbarung nicht zugestimmt, wäre die einvernehmliche Auflösung gescheitert. Eine Zusage, dass Basis für die Abfertigungsansprüche jene Beträge seien, die in den letzten 12 Monaten vor dem Ausscheiden ausgezahlt wurden, wurde dem Kläger nicht erteilt.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass der Abfertigungsanspruch des Klägers auf der Basis der letzten zwölf Monatsentgelte zu berechnen sei. Dies gelte auch für die variablen Gehaltsbestandteile. Dass die letzten 12 Monate jene sein sollten, in denen der Kläger voll gearbeitet habe, könne aus der Auflösungsvereinbarung nicht herausgelesen werden. Eine derartige Zusage sei nicht feststellbar. Damit sei die Berechnung der Abfertigung durch die Beklagte richtig.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Provisionen seien in der durchschnittlichen Höhe der letzten 12 Monate in die Abfertigungsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Zeiten, in denen der Arbeitnehmer gehindert war, das zuvor regelmäßig bezogene Entgelt in voller Höhe zu verdienen, seien dabei ebensowenig zu berücksichtigen, wie Zeiten, in denen er wegen Krankheit nur einen Teil seines Entgelts bezogen habe. Deshalb habe die Rechtsprechung in jenen Fällen, in denen der Arbeitnehmer im letzten Monat des Arbeitsverhältnisses kein Entgelt mehr bezogen habe, weil seine Krankheit den Zeitraum überschritten habe, für den ihm Entgelt gebühre, der Abfertigungsberechnung den Durchschnittsverdienst des letzten Jahres vor dem Beginn des Krankenstandes zugrunde gelegt. Die Entscheidung Arb 11.859 stehe dem nicht entgegen. Sie beziehe sich auf Fälle, in denen im einjährigen Beobachtungszeitraum „Nichtarbeitszeiten" enthalten seien. Hier sei jedoch der Beobachtungszeitraum vom Beginn des Urlaubsverbrauchs und der Dienstfreistellung des Klägers zurückzurechnen. Damit seien für den Abfertigungsanspruch die vom Kläger in der Zeit vom  bis zum  bezogenen Provisionen und Remunerationen einzubeziehen. Der Auflösungsvereinbarung sei nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Dass sich das Wort „derzeit" nur auf die Indexanpassung beziehe, stehe gerade nicht fest. Auch die von der Beklagten behauptete Vereinbarung, die variablen Entgeltbestandteile auf der Grundlage einer Zielerreichung von 100 % zu berücksichtigen, sei nicht festgestellt worden. Da die Beklagte die Höhe des Klagebegehrens auf der Grundlage der somit richtigen Prämissen des Klägers nicht bestritten habe, sei die erstgerichtliche Entscheidung daher im klagestattgebenden Sinn abzuändern.

Auf die Einwände des Klägers gegen die erstgerichtlichen Feststellungen über die ihm erteilten Zusagen über die Berechnung der Abfertigung brauche daher nicht eingegangen zu werden.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage zu beantworten sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger, dessen Rechtsvertretung der Beschluss über die Freistellung der Revision am zugestellt wurde, erstattete eine Revisionsbeantwortung, die am zur Post gegeben wurde und daher verspätet ist. Sie war daher zurückzuverweisen.

Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die von ihm zitierte Entscheidung Arb 11.859 verkannt hat. Sie ist im Sinne des darin gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass unter dem der Berechnung der Abfertigung zugrunde zu legenden, „für den letzten Monat gebührenden Entgelt" der Durchschnittsverdienst zu verstehen ist, der sich aus den mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederkehrenden Bezügen ergibt und dass bei schwankenden Einkünften im Allgemeinen ein Beobachtungszeitraum von einem Jahr als sachgerecht angesehen wird (Arb 11.859). Es ist auch nicht strittig, dass in Fällen, in denen der Arbeitnehmer in der letzten Phase des Dienstverhältnisses am Provisionsverdienst verhindert war, der Bemessung der Abfertigung der vor der Verhinderung bezogene Durchschnittsverdienst zugrunde zu legen ist (RdW 1990, 166; Arb 10.299 ua). Insofern sind daher die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden.

Nicht beizupflichten ist hingegen den Ausführungen der zweiten Instanz zur Entscheidung Arb 11.859. Diese Entscheidung befasst sich unter anderem mit der auch hier relevanten Frage, wie Zeiten der Nichtarbeit bei der Berechnung der Abfertigung zu berücksichtigen sind, in denen der Arbeitnehmer nach dem Ausfallsprinzip ermittelte Entgelte erhalten hat. Dazu wird die Auffassung vertreten, dass solche in den für die Berechnung der Abfertigung maßgebenden Beobachtungszeitraum fallenden Zeiten so zu behandeln sind, als hätte der Arbeitnehmer seine Dienste geleistet. In diesen Zeiten ist letzten Endes weder eine Entgeltschmälerung noch ein Entgeltausfall eingetreten, sodass das in diesen Zeiträumen bezogene - wenn auch nach dem Ausfallsprinzip bemessene und daher fiktive - Entgelt voll dem Arbeitsentgelt gleichgestellt ist. Für eine „Neutralisierung" dieser Zeiten bei der Berechnung der Abfertigung besteht daher kein Anlass (Arb 11.859).

Der Meinung des Berufungsgerichtes, diese Überlegungen seien nur auf Fälle anwendbar, in denen die „Nichtarbeitszeiten" „während des einjährigen Beobachtungszeitraums zwischendurch" gelagert seien, ist unzutreffend. Für eine derartige Einschränkung der in der Entscheidung Arb 11.859 dargelegten Grundsätze besteht keinerlei Veranlassung. Der ihnen zugrunde liegende Gedanke, dass nach dem Ausfallsprinzip honorierte Zeiten der Nichtarbeit ohnedies repräsentativ und daher bei der Bemessung der Abfertigung nicht zu neutralisieren seien, trifft unabhängig davon zu, in welcher Phase des maßgebenden Beobachtungszeitraums sie gelagert sind.

Hier hat die Beklagte behauptet, dass in der Zeit des Urlaubs und der Dienstfreistellung dem Kläger entsprechend einer mit ihm getroffenen Vereinbarung die variablen Bezugsbestandteile auf der Grundlage einer Zielerreichung von 100 % gezahlt wurden. Soweit das Berufungsgericht eine Vereinbarung über eine in diesem Sinne vorzunehmende Berücksichtigung der variablen Bezugsbestandteile verneint (S 19 des Berufungsurteils), bezieht es sich auf die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Abfertigung. Insofern ist ihm auch beizupflichten. Es steht aber fest, dass bei der Bemessung der Entgeltfortzahlung für die Zeit der hier in Rede stehenden Zeit der Nichtarbeit des Klägers für die Provisionsberechnung von einer Zielerreichung von 100 % ausgegangen wurde, dass der Kläger dies nicht beanstandet und dass er nie eine höhere Fortzahlung begehrt hat. Er hat im Verfahren auch gar nicht behauptet, dass diese Vorgangsweise nicht seinem Willen entsprach bzw von ihm nicht gebilligt wird.

Sofern dem Kläger nicht abweichende Zusagen gemacht worden sind - zu dieser Frage wird noch Stellung zu nehmen sein - kommen daher auch im hier zu beurteilenden Fall grundsätzlich die oben dargestellten Überlegungen über die Berücksichtigung von nach dem Ausfallsprinzip honorierten Zeiten der Nichtarbeit zum Tragen: Hat der Kläger in der Zeit des Urlaubs und der Dienstfreistellung die variablen Gehaltsbestandteile mit seinem Einverständnis auf der Grundlage einer 100%igen Zielerreichung ausgezahlt erhalten, besteht kein Grund, diese Zeiträume bei der Berechnung der Abfertigung zu neutralisieren. Von einem „nicht repräsentativen" Einkommen, das zu einer Verfälschung der Bemessungsgrundlage führen würde, kann in diesem Fall nicht die Rede sein. Mangels einer anderslautenden Zusage wäre es daher geboten, auch die Zeit der Nichtarbeit unter Zugrundelegung der in dieser Zeit bezogenen Entgelte (einschließlich der weitergezahlten variablen Bezugsteile) zu berücksichtigen.

Obwohl daher den in diese Richtung gehenden Einwendungen der Revisionswerberin grundsätzlich beizupflichten ist, kommt eine sofortige Endentscheidung nicht in Betracht, weil das Verfahren aus folgenden Überlegungen nicht spruchreif ist.

Wie bereits ausgeführt, hat der Kläger behauptet, ihm sei anlässlich der Auflösung des Dienstverhältnisses ausdrücklich zugesagt worden, dass die Bemessung der Abfertigung auf der Grundlage des im Jahr 2001 erzielten Einkommens erfolgen werde. Eine derartige Zusage hätte zur Folge, dass die eben angestellten Überlegungen nicht zum Tragen kommen und die vom Kläger gewünschte Berechnungsweise einzuhalten wäre. Das Erstgericht hat eine solche Zusage allerdings nicht als erwiesen angenommen. Der Kläger hat die entsprechenden Feststellungen aber bekämpft. Ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsauffassung hat das Berufungsgericht diese Beweisrüge nicht erledigt, sodass schon deshalb eine sofortige Sachentscheidung nicht möglich ist.

Es erweist sich daher als notwendig, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Sollte dieses der Beweisrüge des Klägers stattgeben und die von ihm behauptete Zusage als erwiesen annehmen, wäre die Sache im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens spruchreif, weil die Beklagte die Höhe des auf der Grundlage einer solchen Zusage geltend gemachten Begehrens gar nicht bestritten hat.

Sollte das Berufungsgericht allerdings der Beweisrüge nicht folgen und die bekämpften Feststellungen übernehmen, ist das Verfahren ergänzungsbedürftig.

Bislang fehlen jegliche Feststellungen darüber, zu welchen Fälligkeitszeitpunkten für welche Zeiträume welche variablen Bezugsteile der Kläger bezogen hat. Ebenso wenig ist klar, auf welchen Zeitraum sich die in den Feststellungen genannte Zielerreichung bezieht und in welchem Zeitraum sie sich auf die variablen Bezüge auswirkt. Damit steht aber nicht fest, in welcher Höhe der Kläger in der letzten Phase seines Dienstverhältnisses (insb vor der Zeit des Urlaubs und der Dienstfreistellung) variable Entgeltbestandteile bezogen hat und auf welchen Zeitraum sich derartige Zahlungen bezogen haben. Damit kann aber derzeit nicht beurteilt werden, welches Einkommen den letzten zwölf Monaten des Dienstverhältnisses zugrunde zu legen ist.

Dazu kommt, dass nicht feststeht, wie die Beklagte die Bemessungsgrundlage für die dem Kläger ausgezahlte Abfertigung ermittelt hat, sodass auch nicht beurteilt werden kann, in welchen Punkten und in welchem Ausmaß die in der Revision reklamierte Berechnung der tatsächlich vorgenommenen Berechnung entspricht. In der Klage hat der Kläger nämlich vorgebracht, dass die Beklagte für die Positionen „Remuneration Widmung", „AP-Spitzenabrechnung" und Erfolgsprovision nur den Zeitraum bis berücksichtigt hat. Die Beklagte hat dem nie ausdrücklich widersprochen. In welchem Verhältnis das Ergebnis einer solchen Berechnung mit dem Ergebnis einer Berechnung auf der Grundlage des Bezugs der letzten 12 Monate vor dem Ende des Dienstverhältnisses steht, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen.

Überdies ist unklar, ob die erstgerichtliche Feststellung über eine in der Zeit der Nichtarbeit erfolgte Fortzahlung der variablen Bezugsbestandteile auf der Basis einer Zielerreichung von 100 % alle Bezugsbestandteile umfasst, deren Berücksichtigung im vorliegenden Verfahren zwischen den Parteien strittig ist. Dies liegt zwar nahe, kann aber auf Grund der dazu getroffenen Feststellung, in der nur von den Provisionen die Rede ist, nicht mit Sicherheit beurteilt werden.

Sollte die Beweisrüge des Klägers erfolglos bleiben, wird daher das Verfahren im aufgezeigten Sinn zu ergänzen und auf der so gewonnenen Grundlage über das Klagebegehren abermals zu entscheiden sein.

In Stattgebung der Revision war daher das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Günter R*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 30.105 brutto sA, über den Antrag der klagenden Partei auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revisionsbeantwortung, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Antrag der klagenden Partei auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revisionsbeantwortung wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Oberste Gerichtshof stellte dem Kläger die Beantwortung der von der Beklagten erhobenen außerordentlichen Revision frei. Der Beschluss über die Freistellung wurde dem Kläger, der im Verfahren erster und zweiter Instanz durch eine Rechtsschutzsekretärin der Gewerkschaft der Privatangestellten (iSd § 40 Abs 1 Z 2 ASGG qualifiziert) vertreten wurde, zu Handen seiner Vertreterin am zugestellt. Die am zur Post gegebene Revisionsbeantwortung war daher verspätet.

Mit Urteil vom hob der Oberste Gerichtshof in Stattgebung der Revision des Beklagten das angefochtene Berufungsurteil auf und verwies die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Ergänzung des Verfahrens an das Berufungsgericht zurück. Gleichzeitig wurde die Revisionsbeantwortung des Klägers als verspätet zurückgewiesen. Mit seinem am beim Obersten Gerichtshof eingelangten Wiedereinsetzungsantrag beantragte der Kläger nunmehr, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Bewilligung der Frist zur Erhebung der Revisionsbeantwortung zu bewilligen. Bei der Gewerkschaft der Privatangestellten, bei der seine Vertreterin tätig sei, gebe es eine zentrale Poststelle, die die Aufgabe habe, die „normale" Post an die zuständigen Regionen und Abteilungen weiterzuleiten. Gerichtsbriefe hingegen hole die betreffende Abteilung ab, die von der Poststelle vom Einlangen der Sendung informiert werde. Als der Freistellungsbeschluss eingelangt sei, habe sich eine sonst äußerst verlässliche Team-Assistentin in die zentrale Poststelle begeben, um die Sendung zu übernehmen. An diesem Tag habe es viel Arbeitsanfall gegeben, da eine Team-Assistentin erkrankt gewesen sei und eine andere sich auf Urlaub befunden habe. Als sich die mit der Abholung betraute Team-Assistentin nun in der zentralen Poststelle eingefunden habe, habe sie wegen eines Telefonanrufs sofort in die Abteilung Region Wien zurückkehren müssen. In der Folge sei die Sendung durch den allgemeinen Verteiler erst am Montag, dem in die Abteilung der Vertreterin des Klägers gelangt. Versehentlich habe dort die genannte Team-Assistentin das Schriftstück mit „eingelangt am " abgestempelt. Der Kläger sei somit durch die Arbeitsbelastung der Team-Assistentin - und damit durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis - daran gehindert gewesen, für die fristgerechte Beantwortung der außerordentlichen Revision zu sorgen. Von der Fristversäumung habe er erstmals am Kenntnis erlangt.

Rechtliche Beurteilung

Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht berechtigt.

Gemäß § 148 Abs 1 ZPO ist der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung bei dem Gericht anzubringen, bei dem die versäumte Prozesshandlung vorzunehmen war. Über den vorliegenden Antrag hat daher der Oberste Gerichtshof zu entscheiden, bei dem die Revisionsbeantwortung gemäß § 507a Abs 3 Z 2 ZPO einzubringen war. Gemäß § 11a Abs 3 Z 1 ASGG ist über den Wiedereinsetzungsantrag durch einen Dreiersenat zu entscheiden.

Gemäß § 146 Abs 1 letzter Satz ZPO hindert der Umstand, dass einer Partei ein Verschulden an der Versäumung einer Frist zur Last liegt, die Bewilligung der Wiedereinsetzung dann nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein bloß minderer Grad des Versehens liegt nicht mehr vor, wenn die Partei oder die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihr zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (9 ObA 9/00i, RZ 1991/60; EvBl 1987/94 uva).

Der Wiedereinsetzungswerber hat nicht nur für sein eigenes Verschulden sondern auch für das seines Rechtsvertreters einzustehen. Der mit den Verhältnissen bei Gericht vertraute Rechtsvertreter unterliegt einem erhöhten Sorgfaltsmaßstab. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine qualifizierte Person iSd § 40 Abs 1 Z 2 ASGG handelt (9 ObA 297/00t; 9 ObA 249/01k). Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten des Vertreters sind diesem (und deren Verschulden wiederum den Parteien) zuzurechnen (so insb 1 Ob 373/98d; ebenso 9 ObA 9/00i uva).

Nun trifft es zwar zu, dass ein Verschulden eines Kanzleiangestellten der Bewilligung der Wiedereinsetzung uU dann nicht entgegensteht, wenn es sich um ein einmaliges Versehen handelt, das angesichts der bisherigen Verlässlichkeit und Bewährung der Kanzleikraft nicht zu erwarten war und dem Rechtsvertreter nicht die Verletzung der von ihm zu erwartenden Sorgfalts-, Organisations- und Kontrollpflichten vorgeworfen werden muss. Diese Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung sind jedoch hier nicht gegeben. Zum einen ist die Behauptung, die betroffene Team-Assistentin sei am überlastet gewesen, nicht geeignet, die Kette von Fehlleistungen, die zur Versäumung der in Rede stehenden Frist geführt haben, zu erklären. Es mag noch erklärbar sein, dass die Team-Assistentin wegen eines Telefonanrufs von ihrem Vorhaben, die Sendung aus der Poststelle abzuholen, Abstand genommen und in der Folge auf die Abholung vergessen hat. Jede Erklärung fehlt aber dafür, dass die Team-Assistentin am folgenden Montag, als die Sendung im Wege der Verteilung der normalen Post zu ihr gelangte, als Eingangsdatum den stempelte, obwohl ihr doch bewusst sein musste, dass sie die Abholung der Sendung vergessen hatte und sie daher bereits früher eingelangt sein musste. Selbst wenn sie auch das vergessen haben sollte, musste ihr die Möglichkeit klar sein, dass die mit der „normalen" Post bei ihr einlangende Sendung bereits an einem früheren Tag in der Poststelle eingelangt sein konnte. Ebenso musste ihr klar sein, dass Gerichtsbriefe wegen ihrer Termingebundenheit üblicherweise nicht mit der „normalen" Post verteilt werden; da der Zeitpunkt des Einlanges bei ihr nicht mit dem Zeitpunkt des Einlanges in der Poststelle ident sein konnte, hätte sie daher - auch im Fall mangelnder Erinnerung an ihr vorangegangenes Versäumnis - jedenfalls nachfragen müssen, wann die Sendung wirklich bei der Poststelle eingelangt ist.

Dazu tritt das Versäumnis der Bediensteten der Poststelle, die nach dem Vorbringen des Wiedereinsetzungswerbers angehalten sind, die zuständige Abteilung vom Einlangen von Gerichtsbriefe zu verständigen, um so deren Abholung zu veranlassen. Wenn schon die mit der Abholung betraute Bedienstete ihre Aufgabe vergisst, hätte daher die Poststelle die Sendung nicht einfach mit der „normalen" Post weiterleiten sondern die Abholung neuerlich urgieren müssen. Jedenfalls wäre es - ganz besonders unter den gegebenen Umständen - unabdingbar gewesen, schon in der Poststelle auf der Sendung den Zeitpunkt ihres Einlanges zu vermerken.

Damit wird aber deutlich, dass die Fristversäumung hier in Wahrheit die Folge eines Organisationsverschuldens ist. Dem vom Kläger behaupteten Sachverhalt ist zu entnehmen, dass einlangende Gerichtsbriefe in der Poststelle keinen Eingangsvermerk erhalten. Vielmehr wird der Tag des Einlangens erst in der zuständigen Abteilung vermerkt, obwohl der Zeitpunkt des Einlangens in der Abteilung zwangsläufig mit jenem des Einlangens in der Poststelle nicht übereinstimmt. Dem wird durch die Vorgangsweise, vom Einlangen gerichtlicher Sendungen sofort die zuständige Abteilung zu verständigen, nicht hinreichend gegengesteuert, weil damit - wie der hier zu beurteilende Fall zeigt - die Richtigkeit des in der Abteilung angebrachten Eingangsvermerks bei auch nur geringfügigen Fehlern oder Versäumnissen der beteiligten Bediensteten, die offenbar in Zeiten erhöhter Arbeitsbelastung schwer zu vermeiden sind, nicht gewährleistet ist.

Die Unterschreitung des Standards einer gut organisierten Rechtsanwaltskanzlei schließt im Allgemeinen die Entschuldbarkeit von Fristversäumungen aus (Gitschthaler in Rechberger² § 146 Rz 18). Dies gilt auch für die Büroorganisation qualifizierter Personen iSd § 40 Abs 1 Z 2 ASGG, an die - wie ausgeführt - der üblicherweise bei rechtskundigen Vertretern angewendete erhöhte Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist. Auch im hier zu beurteilenden Fall muss daher - soll das Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu einer allgemeinen Fristverlängerungsbestimmung werden - von einem nicht mehr entschuldbaren Organisationsmangel ausgehen, sodass dem Wiedereinsetzungsantrag schon auf Grund des darin behaupteten Sachverhalts ein Erfolg zu versagen war.

Auf das völlig unzureichende Bescheinigungsanbot - in der vorgelegten eidesstättigen Erklärung bestätigt die betroffene Team-Assistentin nur, dass der Kläger „durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, nämlich durch Arbeitsüberlastung meinerseits, daran gehindert war", die Revisionsbeantwortung fristgerecht einzubringen - braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.

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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2004:009OBA00079.04I.1215.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAE-09331