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OGH vom 29.06.2021, 14Os56/21y

OGH vom 29.06.2021, 14Os56/21y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. SetzHummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Csencsits im Verfahren zur Unterbringung der ***** S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Geschworenengericht vom , GZ 17 Hv 94/20d52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde ***** S***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil sie am in B***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, beruht, ***** D***** zu töten versucht hat, indem sie mit einer Hand seinen Hals erfasste und mit der anderen Hand ein Messer mit einer Klingenlänge von 10 cm über dessen rechte Schulter führte und von vorne gegen dessen Hals stach, wodurch er eine 0,7 cm lange oberflächliche scharfrandige Hautdurchtrennung im Ansatzbereich des linken Kopfnickermuskels erlitt, sohin eine Tat begangen hat, die als Verbrechen des Mordes nach § 15, 75 StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

[2] Die Geschworenen haben die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes nach § 15, 75 StGB sowie die in Richtung Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) gestellte Zusatzfrage bejaht. Die zur Hauptfrage gestellten Eventualfragen in Richtung der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB und der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 StGB blieben (demnach) unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die auf § 345 Abs 1 Z 6, 11 lit a und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen verfehlt ihr Ziel.

[4] Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert das Unterbleiben der Stellung von Eventualfragen nach den Verbrechen einerseits der schweren Körperverletzung (§ 84 Abs 5 Z 1 StGB) und andererseits des Totschlags (§§ 15, 76 StGB) unter Verweis auf die erlittene Verletzung des Opfers sowie die Aussagen der Zeugen ***** T*****, ***** I*****, ***** R***** und ***** D*****, wonach die Betroffene nach der Tat sinngemäß geäußert habe, dass sie auf einen besseren Zeitpunkt hätte warten sollen, zu einem anderen Zeitpunkt das Messer beim Opfer „durchgezogen“ hätte und – wenn sie etwas früher hingegangen wäre – die Möglichkeit gehabt hätte, dem Opfer den Hals aufzuschneiden, weil es dann noch gesessen wäre (ON 51 S 9 ff). Damit zeigt die Beschwerde keine Verfahrensergebnisse auf, die das Vorliegen eines (bloß) auf eine Körperverletzung gerichteten Vorsatzes oder einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung im Tatzeitpunkt (vgl dazu RISJustiz RS0092087), und damit die begehrten Eventualfragestellungen nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft indizieren würden (RISJustiz RS0101087, RS0100860 [T1]; Ratz, WKStPO § 345 Rz 23).

[5] Das Begehren nach Stellung einer Eventualfrage „in eventu auch hinsichtlich anderer Körperverletzungsdelikte“ entspricht – mangels konkreter Bezeichnung bestimmter Verbrechen oder Vergehen – nicht den Kriterien gesetzeskonformer Ausführung einer Fragenrüge und entzieht sich daher einer inhaltlichen Erwiderung (RISJustiz RS0117447).

[6] Indem die Beschwerde behauptet, „bei der Auswahl und Formulierung der Fragen an die Geschworenen hätte berücksichtigt werden müssen, dass die Betroffene das Opfer „gerade nicht“ töten habe wollen, weshalb für die Annahme eines Tötungsvorsatzes „kein taugliches Kriterium“ übrig bleibe, wird eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (§§ 312 bis 317 StPO), insbesondere ein Verstoß gegen § 312 Abs 1 StPO, nicht prozessordnungskonform aufgezeigt.

[7] Die Geltendmachung materieller Nichtigkeit im geschworenengerichtlichen Verfahren verlangt den Vergleich der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen mit der im Schuldspruch vorgenommenen Subsumtion (RISJustiz RS0101148). Der Verweis der Rechtsrüge (Z 11 lit a) auf die Verantwortung der Betroffenen, sie habe dem Opfer nur drohen wollen, geht daher ebenso ins Leere wie die Behauptung, für die Annahme eines Mordvorsatzes würden „keinesfalls ausreichend belastbare Beweisergebnisse vorliegen“.

[8] Warum die dem Text des § 15, 75 StGB entsprechende Formulierung der Hauptfrage mit Blick auf § 7 Abs 1 StGB nicht auch einen (bedingten [§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB]) Tötungsvorsatz zum Ausdruck bringen sollte (vgl zur Subintelligierung des bedingten Vorsatzes RISJustiz RS0113270 [T1]), legt die Rüge nicht dar.

[9] Indem die Sanktionsrüge (Z 13) lediglich das Unterbleiben der bedingten Nachsicht der Unterbringung (§ 45 StGB) kritisiert, thematisiert sie eine den Ermessensbereich der Gefährlichkeitsprognose betreffende Frage und erstattet solcherart lediglich ein Berufungsvorbringen (RISJustiz RS0099865 [T5]; Ratz, WKStPO § 281 Rz 728).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00056.21Y.0629.000

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