VfGH vom 10.06.2002, B806/00
Sammlungsnummer
16501
Spruch
Der beschwerdeführende Bund ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Abteilung Umweltschutz, hat am für den Landeshauptmann von Oberösterreich und dieser für den Bund die Verdachtsflächenuntersuchung "Ehemaliges TKV-Areal" in Altheim im offenen Verfahren nach den Bestimmungen der ÖNORM A 2050 ausgeschrieben und im Amtsblatt zur Wiener Zeitung sowie in mehreren anderen Publikationsorganen bekannt gemacht. Der darin veranschlagte Kostenrahmen des Vergabeverfahrens wurde mit S 870.000,-- beziffert.
Im Zuge der Bewertung der abgegebenen Angebote wurden bei sechs Angeboten unüblich niedrige Preise festgestellt und diese in der Folge ausgeschieden; unter diesen war auch das Angebot der mitbeteiligten Partei. Diese beantragte am die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens bei der Bundes-Vergabekontrollkommission (B-VKK), die am eine schriftliche Empfehlung dahin abgab, die Ausschreibung des verfahrensgegenständlichen Auftrags zu widerrufen, da die Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 1997 (BVergG) nicht eingehalten worden seien; da zum Zweck der Berechnung des Schwellenwertes alle bundesweit nach dem Altlastensanierungsgesetz für ein Budgetjahr auszuschreibenden Aufträge zusammenzurechnen seien, sei der Schwellenwert von 130.000 Sonderziehungsrechten (SZR) nach § 7 Abs 1 BVergG überschritten, weshalb das BVergG anzuwenden sei.
Am beantragte die mitbeteiligte Partei die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens beim Bundesvergabeamt (BVA) mit dem Begehren, die Entscheidung des Auftraggebers, kein Verfahren nach dem BVergG durchzuführen und insbesondere keine Bekanntmachung im Amtsblatt der EG zu veröffentlichen, gemäß § 117 Abs 1 BVergG für nichtig zu erklären.
Diesem Antrag wurde mit Bescheid des BVA vom stattgegeben: Der Auftrag sei als Teillos mehrerer gleichartiger Dienstleistungsaufträge anzusehen, deren Werte gemäß § 7 Abs 3 BVergG zusammenzurechnen gewesen wären. Der in § 7 Abs 1 BVergG idF BGBl. I 80/1999 normierte und diesbezüglich maßgebliche Schwellenwert von 130.000 SZR sei sohin überschritten worden, was die Anwendbarkeit des BVergG auf das vorliegende Vergabeverfahren bzw. die Zuständigkeit des BVA zu seiner Kontrolle begründe.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 Abs 1 B-VG gerichtete Beschwerde des Bundes, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird:
Der Bund führt dabei ins Treffen, daß das BVA unter unzureichender Ermittlungstätigkeit, mit unzureichender Begründung sowie unter Verletzung des Parteiengehörs zur Ansicht gelangt sei, es handle sich im vorliegenden Fall um regelmäßig wiederkehrende Dienstleistungsaufträge iS des § 7 Abs 5 BVergG. Der hier zu beurteilende Auftrag sei weder als Los eines Gesamtauftrags, Dauerschuldverhältnisses oder wiederkehrenden Auftrags anzusehen, weil die ausgeschriebenen Leistungen weder gleichartig noch regelmäßig durchgeführt werden würden. Abhängig vom Vorliegen einer "Verdachtsflächenmeldung" und nach Maßgabe der jeweils zur Verfügung stehenden budgetären Mittel würden einzelne Projekte vielmehr voneinander unabhängig durchgeführt werden; welche Verdachtsflächen von den Untersuchungen erfaßt und bewertet werden sollen, könne keinesfalls pro futuro beantwortet werden. Die den Verträgen zugrundeliegenden Dienstleistungen würden zudem unterschiedliche Untersuchungs- und Analysemethoden sowie unterschiedliche Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern und würden deshalb von unterschiedlichen Auftragnehmern durchgeführt werden.
Das BVA hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. ) - Beschwerde erwogen:
1. Beim Verfassungsgerichtshof sind bei Behandlung der Beschwerde Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit jener Wortfolge in § 7 Abs 1 BVergG idF BGBl. I 80/1999 entstanden, durch die die gesetzliche Regelung des Vergabeverfahrens und des vergabespezifischen Rechtsschutzes auf Dienstleistungsaufträge beschränkt wird, deren geschätztes Auftragsvolumen einen bestimmten Betrag übersteigt. Der Verfassungsgerichtshof hat daher ein Gesetzesprüfungsverfahren betreffend die Wortfolge "dann, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens 130 000 SZR beträgt" in § 7 Abs 1 BVergG eingeleitet; mit Erkenntnis vom , G351-355/01, hat er ausgesprochen, daß die geprüfte Wortfolge - mit Fristsetzung - als verfassungswidrig aufgehoben wird.
Diese Entscheidung hat aber keine Auswirkung auf das Ergebnis des vorliegenden Bescheidprüfungsverfahrens, da es nach Lage des Falles ausgeschlossen ist, daß der beschwerdeführende Bund durch den Bescheid infolge Anwendung der als verfassungswidrig erkannten Wortfolge in seiner Rechtssphäre nachteilig betroffen wurde. Das BVA hat seine Zuständigkeit zur Erlassung des angefochtenen Bescheides bejaht. Die Nichtanwendung der geprüften und als verfassungswidrig qualifizierten Wortfolge in § 7 Abs 1 BVergG würde im vorliegenden Fall nichts an dieser Zuständigkeit und (im Hinblick auf die von der belangten Behörde konstatierten Rechtswidrigkeiten) am materiellen Prüfungsmaßstab ändern. Im vorliegenden Fall bedeutet dies sohin, daß das Beschwerdevorbringen des Bundes, die zu vergebenden Aufträge seien separiert voneinander zu beurteilen, da es sich - mangels Gleichartigkeit und zeitlichen Zusammenhangs - um keine regelmäßig wiederkehrenden Dienstleistungsaufträge iS des § 7 Abs 5 BVergG handle, ins Leere gehen muß: Selbst wenn die Ansicht des Bundes zuträfe, unterfiele auf Grund der bereinigten Rechtslage der gegenständliche Auftrag dem Regime des BVergG.
2. Die behauptete Verletzung des Bundes in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit vor dem Gesetz liegt sohin nicht vor. Andere Verfassungsverletzungen werden nicht behauptet und sind im Verfahren auch nicht hervorgekommen. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Ein Kostenzuspruch an den beschwerdeführenden Bund kommt - obwohl das Verfahren zur Bereinigung der Rechtslage geführt hat - schon deshalb nicht in Betracht, weil Beschwerdeführer und belangte Behörde Organe desselben Rechtsträgers sind.