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VfGH vom 25.09.2009, a7/08

VfGH vom 25.09.2009, a7/08

Sammlungsnummer

18887

Leitsatz

Abweisung einer - zulässigen - Klage gegen den Bund auf Liquidierung eines aus Resolutionen des Ministerkomitees des Europarates abgeleiteten Entschädigungsanspruches wegen Konventionsverletzung; kein Bestehen weiterer Entschädigungsansprüche angesichts der vom Ministerkomitee festgestellten Erfüllung der Verpflichtung der österreichischen Regierung durch Aufrechnung der Entschädigungssumme mit Abgabenansprüchen; kein Kostenzuspruch

Spruch

Die Klage wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit ihrer gegen die "Republik Österreich" (gemeint wohl:

den Bund) gerichteten, auf Art 137 B-VG gestützten Klage begehrt die Klägerin, der Verfassungsgerichtshof möge die "Republik Österreich" schuldig erkennen,

"der klagenden Partei den Betrag von € 12.499,73 samt 10,5 % Zinsen seit sowie die Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen."

Zur Begründung führt die Klägerin Folgendes aus:

"Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts stützt sich auf Art 137 B-VG. Mit der gegenständlichen Klage wird ein Anspruch gegen den Bund geltend gemacht, der weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen ist.

[Der] klagende[n] Partei wurde am durch Zwischenresolution des Europarats (Geschäftszahl DH (98) 151) ein Entschädigungsbetrag von ATS 162.000,-- als Entschädigung für erlittene nichtmaterielle Schäden sowie ATS 10.000,-- für Kosten und Aufwendungen zugesprochen, welchen die geklagte Partei binnen 3 Monaten zu bezahlen haben sollte. Dieser Umstand wird in der Schlussresolution vom Geschäftszahl DH (99) 247 abermals erwähnt. Für sämtliche nicht geleisteten Beträge sind Zinsen auf Basis de[s] am Tag der Entscheidung geltenden Zinssatzes zu bezahlen. Die geklagte Partei hat keine Zahlung geleistet.

Die erwähnten Entscheidungen stellen keinen Exekutionstitel nach der EO dar. Die klagende Partei ist daher zur Klagsführung vor dem angerufenen Gericht genötigt.

...

Die klagende Partei wendet, da die Höhe des Zinssatzes nicht näher definiert ist, den Zinssatz nach dem § 49a ASGG analog an, welcher am Tag der Entscheidung, also am 10,5 % betrug."

2. Der Bund, vertreten durch die Finanzprokuratur, erstattete eine Gegenschrift, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Klage beantragt.

Der Bund stellt außer Streit, dass das Ministerkomitee des Europarates mit Resolution vom die Verletzung der durch Art 6 Abs 1 EMRK gewährleisteten Rechte der Klägerin durch die Republik Österreich festgestellt und am der Klägerin eine Entschädigung in der Höhe von insgesamt ATS 172.000,-- zugesprochen hat.

Er wendet jedoch ein, dass der genannte Ersatzanspruch von der Buchhaltung des Oberlandesgerichts Wien gegen Abgabenansprüche des Finanzamtes Freistadt aufgerechnet worden sei. Der Betrag sei durch das Bundesministerium für Justiz am auf das Steuerkonto der Klägerin überwiesen worden; die Aufrechnung sei mit Erklärung vom gleichen Tag mit Schreiben des Oberlandesgerichts Wien gegenüber der Klägerin erfolgt. Die Aufrechnung sei - entgegen der offensichtlichen Rechtsansicht der Klägerin - zulässig und auch vom Direktorat für Menschenrechte nach sorgfältiger Prüfung akzeptiert worden.

Im Übrigen sei der geltend gemachte Anspruch bereits verjährt, weil die Feststellung des Ministerkomitees des Europarates keine Judikatsschuld begründe und daher die dreijährige Verjährungsfrist gelte.

3. Die Klägerin erstattete eine Gegenäußerung, in der sie vorbringt, dass die von der beklagten Partei eingewendete Aufrechnung aus folgenden Gründen nicht zulässig sei:

3.1. Der Republik Österreich stünden keine Forderungen gegen die Klägerin zu, sodass es an der für die Aufrechnung gemäß § 1438 ABGB notwendigen Voraussetzung der Gegenseitigkeit mangle.

3.2. Nach Ansicht der Klägerin kann sich darüber hinaus nicht auf eine Gegenforderung berufen, wer ein schädigendes Verhalten setzt (§1440 ABGB).

3.3. Gemäß § 1441 ABGB könne eine Summe, die jemand an eine Staatskasse zu fordern hat, gegen eine Zahlung, die er an eine andere Staatskasse leisten muss, nicht abgerechnet werden; auch § 215 BAO sehe eine Kompensation nur dann vor, wenn Forderung und Guthaben des Abgabepflichtigen bei derselben Abgabenbehörde bestehen. Der Verfassungsgerichtshof erkenne lediglich über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, sodass nur die Republik Österreich, nicht jedoch ein Finanzamt oder Ministerium, welche den Verwaltungsbehörden zuzurechnen seien, passiv klagslegitimiert sei. Eine Aufrechnung von Finanzschulden seitens des Finanzamtes sei daher nicht möglich.

3.4. Überdies seien "Entscheidungen des internationalen Gerichtshofes und des Ministerrates" nicht dem § 1 EO zu subsumieren.

3.5. Schließlich wendet die Klägerin ein, die Gegenforderung wäre nach § 188 ZPO bereits durch Einrede im Verfahren vor dem Ministerrat in Strassburg geltend zu machen gewesen, weil die in Rede stehenden Finanzschulden bereits im Laufe dieses Verfahrens entstanden und bekannt gewesen seien.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach Art 137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche u.a. gegen den Bund, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Die Klägerin behauptet einen auf einer Resolution des Ministerkomitees des Europarates - somit auf einer öffentlich-rechtlichen Grundlage - beruhenden Anspruch, dessen Geltendmachung vor den ordentlichen Gerichten ausgeschlossen ist. Der klagsweise geltend gemachte Anspruch ist aber auch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen, weil keine gesetzliche Bestimmung besteht, die in solchen Fällen eine Verwaltungsbehörde zur Entscheidung beruft. Die Klage ist daher zulässig.

2. Die Klage ist aber nicht begründet.

2.1. Auf Grund des Vorbringens der Parteien sowie der dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Unterlagen, insbesondere der (der Klage beigelegten) Schlussresolution des Ministerkomitees des Europarates vom , DH (99) 247, Fall Deixler, Appl. 17.798/91, wird von folgendem maßgeblichen Sachverhalt ausgegangen:

Das Ministerkomitee des Europarates stellte mit Zwischenresolution vom , DH (98) 151, Fall Deixler, Appl. 17.798/91, eine Verletzung der durch Art 6 Abs 1 EMRK gewährleisteten Rechte der nunmehrigen Klägerin als Beschwerdeführerin durch die Republik Österreich einerseits hinsichtlich der Länge des gegen sie geführten Strafverfahrens und andererseits durch ihre Streichung aus der Rechtsanwaltsliste mangels gerichtlicher Überprüfbarkeit dieser Entscheidung fest. Am sprach das Ministerkomitee der nunmehrigen Klägerin eine Entschädigungssumme in der Höhe von ATS 172.000,-- (darin enthalten ATS 162.000,-- immaterieller Schadenersatz und ATS 10.000,-- Verfahrenskosten) zu.

Das Ministerkomitee des Europarates forderte in der Folge die österreichische Regierung gemäß Art 32 EMRK aF auf, es über die von ihr im Zusammenhang mit den genannten (für sie nach Art 32 Abs 4 EMRK aF als bindend anzusehenden) Entscheidungen vom und vom ergriffenen Maßnahmen in Kenntnis zu setzen. Die österreichische Regierung teilte dem Ministerkomitee des Europarates daraufhin u.a. mit, dass der der nunmehrigen Klägerin zugesprochene Entschädigungsanspruch mit Abgabenansprüchen aufgerechnet worden sei (vgl. den Anhang zur Schlussresolution des Ministerkomitees des Europarates vom , DH (99) 247, Fall Deixler, Appl. 17.798/91).

In der Schlussresolution vom , DH (99) 247, Fall Deixler, Appl. 17.798/91, stellte das Ministerkomitee des Europarates fest, dass keine Hinweise darauf bestehen, dass die Aufrechnung mit Abgabenansprüchen eine Verletzung der durch die EMRK gewährleisteten Rechte der nunmehrigen Klägerin darstellt.

2.2. Mit der auf Art 137 B-VG gestützten Klage begehrt die Klägerin die Liquidierung des aus der Zwischenresolution des Ministerkomitees des Europarates vom , DH (98) 151, Fall Deixler, Appl. 17.798/91, und aus der Schlussresolution des Ministerkomitees des Europarates vom , DH (99) 247, Fall Deixler, Appl. 17.798/91, abgeleiteten Entschädigungsanspruchs.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin aus Resolutionen des Ministerkomitees des Europarates überhaupt einen im Inland einklagbaren Anspruch ableiten kann, weil der behauptete Anspruch gar nicht besteht:

Das Ministerkomitee hat zwar, wie in der Schlussresolution vom dargelegt, in seinen Entscheidungen vom und vom eine Konventionsverletzung und einen daraus abgeleiteten Entschädigungsanspruch festgestellt. Aus der Schlussresolution vom geht jedoch unzweifelhaft hervor, dass die "österreichische Regierung" nach Auffassung des Ministerkomitees nunmehr ihre sich aus den genannten Entscheidungen ergebenden Verpflichtungen erfüllt hat. Es hat daher auch der Verfassungsgerichtshof davon auszugehen, dass keine Entschädigungsansprüche der Klägerin gegenüber der Republik Österreich bestehen, die auf die Schlussresolution vom oder vorhergehende Entscheidungen des Ministerkomitees des Europarates gestützt werden könnten.

Damit ist das Klagebegehren schon aus diesem Grund nicht berechtigt und die Klage daher abzuweisen.

III. 1. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

2. Kosten werden nicht zugesprochen, weil die obsiegende beklagte Partei solche zwar begehrt, nicht aber ziffernmäßig verzeichnet hat. Wohl besagt § 27 VfGG, dass "regelmäßig anfallende Kosten, insbesondere für den Antrag (die Beschwerde) und für die Teilnahme an Verhandlungen, nicht ziffernmäßig verzeichnet werden" müssen, doch bezieht sich diese Ergänzung des Gesetzes nach Wortlaut und Sinngehalt nicht auf Klagen nach den §§37 ff. VfGG (vgl. VfSlg. 10.968/1986; 14.447/1996).