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OGH vom 21.09.2006, 8Ob88/06h

OGH vom 21.09.2006, 8Ob88/06h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Franz Podovsovnik, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei A*****, vertreten durch Dr. Markus Ludvik, Rechtsanwalt in Wien, wegen einstweiligen Mietzinses, über den Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 41 R 41/06t-22, womit über Rekurs der gefährdeten Partei der Beschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt vom , GZ 3 C 314/05i-18 bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Gegnerin der gefährdeten Partei auf Zuspruch von Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die klagende und gefährdete Partei (in der Folge immer: Klägerin) ist Vermieterin, der beklagte Verein und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge immer: Beklagter) ist Mieter eines Gebäudes in *****. Die Klägerin begehrt mit der am beim Erstgericht eingelangten Klage die Räumung des Bestandobjektes (§ 1118 2. Fall ABGB) und die Zahlung von zuletzt 56.129,13 EUR Mietzins. Der Beklagte bestritt das Vorliegen eines Mietzinsrückstandes ebenso wie das Räumungsbegehren.

Das Mietzins- und Räumungsverfahren wurde infolge eines vom Beklagten bei der Schlichtungsstelle eingeleiteten Mietzinsüberprüfungsverfahren durch rechtskräftigen Beschluss des Erstgerichtes vom unterbrochen.

Die Klägerin beantragte am die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 f EO, mit welcher dem Beklagten aufgetragen werden soll, bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptverfahren monatlich 22.85,84 EUR an einstweiligem Mietzins zu bezahlen. Der ursprünglich vereinbarte Nettohauptmietzins für die vom Beklagten gemieteten Wohnräume habe 2.180,19 EUR betragen. Die Klägerin habe von der in § 45 MRG vorgesehenen Möglichkeit der Hauptmietzinsanhebung bereits vor Einbringung des Antrages Gebrauch gemacht. Bei einer Nutzfläche von 7.472,73 m² ergebe sich ein Betrag von 13.749.82 EUR (Nutzfläche mal 1,84 EUR). Davon sei der bisherige Nettohauptmietzins von 2180,19 EUR und eine „Mietzinsvorauszahlung über 9.000.000 ATS bis von 2.180,19 EUR monatlich" in Abzug zu bringen. Die monatliche Vorschreibung nach § 45 MRG errechne sich daher mit 9.389,44 EUR netto. Ferner würden dem Beklagten monatliche Betriebskostenakonti von 1 EUR pro m², somit 7.472,73 EUR monatlich, vorgeschrieben. Zuzüglich USt ergebe sich ein Bruttogesamtmietzins von 22.850,84 EUR. Der Beklagte zahle jedoch seit Mai 2005 bis einschließlich Juli 2005 nur 4.141,13 EUR monatlich. Zur Jahrespauschalverrechnung der Betriebskosten im Sinne des § 21 Abs 3 MRG sei die Klägerin auch dann berechtigt, wenn davon abweichende Vereinbarungen über die Betriebskostentragung vor Inkrafttreten des MRG geschlossen worden seien. Das Bestandverhältnis unterliege zur Gänze dem MRG. Der einstweilige Mietzins sei daher mit den sich aus § 45 MRG ergebenden Beträgen festzusetzen. Der Beklagte beantragt die Zurück- bzw Abweisung des Antrages auf Erlassung der einstweiligen Verfügung nach § 382 f EO. Es lägen die Voraussetzungen für einen bloßen Teilanwendungsbereich des MRG (§ 1 Abs 4 Z 1 MRG) vor. Außerdem habe die Klägerin auf auf eine allfällige Anhebung nach § 45 MRG verzichtet bzw dieses Recht verwirkt. Die angegebene Nutzfläche sei unrichtig. Im Mietvertrag sei vereinbart worden, dass der Beklagte alle Betriebskosten mit Ausnahme der öffentlichen Abgaben selbst zu tragen habe. Demgemäß schulde der Beklagte auch keine Betriebskostenpauschalraten, sondern nur den ursprünglich vereinbarten Hauptmietzins von 2180,19 EUR, den er auch bezahle. Die vom Beklagten geleistete Mietzinsvorauszahlung sei zu berücksichtigen.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Auferlegung eines einstweiligen Mietzinses ab. Es nahm als bescheinigt an, dass das Gebäude vor etwa 30 Jahren auf Grund einer oder mehrerer jedenfalls nach dem erteilter Baubewilligungen ohne Zuhilfenahme von Mittel aus der Wohnbauförderung de facto (über 99 %) neu errichtet wurde. Es erachtete rechtlich, dass das Mietobjekt nicht dem Vollanwendungsbereich des MRG unterläge und deswegen § 382 f EO nicht anzuwenden sei.

Überdies habe der Gesetzgeber bei Schaffung der Bestimmung des § 382 f EO der Möglichkeit eines zahlungsunwilligen Mieter entgegentreten wollen, durch ein Mietzinsüberprüfungsverfahren ein anhängiges Kündigungs- oder Räumungsverfahren missbräuchlich zu verzögern und während der Dauer des Verfahrens das Mietobjekt ohne Zahlung eines laufenden Entgelts zu benutzen. Der Beklagte bezahle aber weiterhin den vor Anhebung des Mietzinses vereinbarten Mietzins, weswegen der vorliegende Fall nicht dem Regelungszweck der § 382 f EO entspreche. Das Rekursgericht gab dem dagegen von der Klägerin erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung dazu fehle, ob § 382 f EO anzuwenden sei, wenn ein Mieter während eines Kündigungs- oder Räumungsverfahrens den ursprünglich vereinbarten Mietzins weiterbezahle.

Rechtlich teilte das Rekursgericht die Auffassung des Erstgerichtes, dass der vorliegende Sachverhalt bei richtigem Verständnis keinen Anwendungsfall des § 382 f EO darstelle.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Klägerin erhobene Revisionsrekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches unzulässig:

§ 382 f Abs 1 EO idF BGBl I Nr 113/2003 bestimmt, dass das Gericht dem Hauptmieter auf Antrag des Vermieters die Zahlung eines einstweiligen Mietzinses aufzutragen hat, wenn zwischen den Parteien eines dem Mietrechtsgesetzes gänzlich unterliegenden Hauptmietvertrages über eine Wohnung oder eine Geschäftsräumlichkeit ein Verfahren über eine Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG oder über eine Räumungsklage wegen eines Mietzinsrückstandes gemäß § 1118 ABGB anhängig ist, sofern der Vermieter die Verletzung der Pflicht des Mieters zur Bezahlung des vertraglich vereinbarten oder des nach den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes erhöhten Hauptmietzinses zuzüglich Betriebskosten und öffentlicher Abgaben bescheinigt. Nach ständiger, auch auf einstweilige Verfügungen nach § 382 f EO anzuwendender Rechtsprechung stellen die Behauptungen der gefährdeten Partei die Grenzen dar, in deren Rahmen zu prüfen ist, inwieweit eine einstweilige Verfügung erlassen werden kann (RIS-Justiz RS0005452). Voraussetzung dafür, dass das Gericht zur Frage, ob ein Anspruch ausreichend bescheinigt ist, Stellung zu nehmen hat, ist, dass die gefährdete Partei überhaupt die erforderlichen Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat (RIS-Justiz RS0005225). Unschlüssige (oder unbestimmte) Anträge sind abzuweisen, ohne dass der gefährdeten Partei ein weiters Vorbringen zu ermöglichen wäre (3 Ob 262/05h). Es widerspricht dem Wesen des auf eine rasche Entscheidung abgestellten Provisorialverfahrens, der gefährdeten Partei in einem zweiten Rechtsgang die Möglichkeit der Verbesserung eines unbestimmten Begehrens zu geben (RIS-Justiz RS0005433).

Hier ist die Klägerin ihrer Behauptungslast bezüglich der vorgebrachten Verletzung der Mietzinszahlungspflicht des Beklagten weder im Umfang des Hauptmietzinses noch im Umfang der Betriebskosten nachgekommen:

Die Klägerin stützt den behaupteten Hauptmietzinsrückstand auf § 45 MRG, lässt aber in ihrem allein maßgeblichen Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung jedes Vorbringen darüber vermissen, wie sie zu dem - nur für Wohnungen der Ausstattungskategorie A und Geschäftsräumen geltenden - Satz von 1,84 EUR pro m² Nutzfläche gelangt. Nach ihrem eigenen Vorbringen handelt es sich bei dem gemieteten Objekt um Wohnräume. Eine Behauptung über den Ausstattungszustand dieser Räume zum maßgeblichen Zeitpunkt fehlt. Dass der Beklagte selbst von der Vermietung zum Zweck des Betriebes eines Studentenheimes ausgeht, ändert nichts, weil aus den dargelegten Gründen die Behauptungen im Antrag maßgeblich sind und weder durch Behauptungen des Gegners noch durch ein - überschießendes - Bescheinigungsverfahren ersetzt werden können. Überdies fehlt jedes Vorbringen dafür, wie die Klägerin zum dem behaupteten Abzug für die vom Beklagten geleistete Mietzinsvorauszahlung über 9 Millionen ATS gelangt (Verrechnungszeitraum?). Schließlich bleibt nach dem Vorbringen der Klägerin unklar, ob die von ihr zugestandenen Zahlungen des Beklagten (monatlich 4.141,13 EUR) dem bisher vorgeschriebenen Gesamtmietzins entsprechen, gegebenenfalls, ob die Differenz zum bisherigen Hauptmietzins Betriebskostenzahlungen des Beklagten darstellen.

Hinsichtlich der - offenbar erstmals erfolgten - Vorschreibung der Betriebskosten in Form der Jahrespauschalverrechnung nach § 21 Abs 3 MRG fehlen Behauptungen zur Gänze: Eine Jahrespauschalverrechnung ist nur dann zulässig, wenn sie auf Basis der Betriebskosten des vorangegangenen Kalenderjahres erfolgt (RIS-Justiz RS0070015; MietSlg 39.376; Würth/Zingher/Kovanyi Miet- und Wohnrecht21 § 21 MRG Rz 14). Die Klägerin brachte dazu nur vor, sie könne trotz abweichender vertraglicher Vereinbarung von der Jahrespauschalverrechnung Gebrauch machen. Sie schreibe Akonti von 1 EUR/m² vor. Dass diese Akonti den tatsächlichen Bewirtschaftungskosten des vorangegangen Kalenderjahres entsprechen, behauptete die Klägerin hingegen nicht. Mangels ausreichender, schlüssiger und bestimmter Behauptungen der Klägerin zur vorgebrachten Verletzung der Zinszahlungspflicht stellt sich die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage nicht. Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen. Der Beklagte erklärte zwar „vorsorglich" die Zulässigkeit des Revisionsrekurses zu bestreiten. Weder wies er jedoch mit einem konkreten Vorbringen auf die Unzulässigkeit hin noch beantragte er in seiner Revisionsrekursbeantwortung die Zurückweisung des Revisionsrekurses. Die Revisionsrekursbeantwortung diente damit nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung und war nicht zu honorieren.