OGH vom 23.04.2002, 11Os99/01
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Steindl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dr. Gernot P***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom , GZ 33 Vr 213/01-49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, und des Verteidigers Mag. Nimmervoll, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Auf diese Entscheidung werden die Staatsanwaltschaft mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung sowie der Angeklagte mit seiner Berufung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Gernot P***** des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, welche gemäß § 26 Abs 1 FinStrG, § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Danach hat er in Linz als Abgabepflichtiger im Bereich des Finanzamtes Linz für die Jahre 1983 bis 1985 (durch Nichtabgabe entsprechener Erklärungen) jeweils Provisionsrückflüsse aus Ölgeschäften nicht bekannt gegeben sowie Kapitaleinkünfte verschwiegen und damit durch Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht Verkürzungen an Einkommensteuer in der Gesamthöhe von 31,137.234 S bewirkt (Urteilsfakten 1 bis 3).
Gegen diesen Schuldspruch richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten gestützt auf die Z 5, 5a, 9 lit b und 11 sowie der Staatsanwaltschaft aus der Z 11 jeweils des § 281 Abs 1 StPO.
Rechtliche Beurteilung
In der Tatsachenrüge (Z 5a) macht der Beschwerdeführer erhebliche Bedenken gegen die Feststellung des Erstgerichtes geltend, die am eingeleiteten Vorerhebungshandlungen hätten sich auch auf die Hinterziehung von Steuern in den Jahren 1983 bis 1985 bezogen. Wäre dies nicht der Fall, wären die ihm angelasteten Taten verjährt. Hiezu hat das Erstgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Im Jahr 1988 begann gegen Dr. Gernot P***** ein Betriebsprüfungsverfahren für die Jahre 1978 bis 1988. Am wurde zur Straflisten-Nr 187/88 gegen Dr. Gernot P***** ein (finanzstrafbehördliches) Strafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestand, er habe in Linz als Abgabepflichtiger vorsätzlich für die Jahre 1983 bis 1986 Provisionseinnahmen (Schmiergelder über die Firma L***** sowie Schweigegeld in der Sache N*****) nicht erklärt, hiedurch eine Verkürzung an Einkommens-, Umsatz- und Gewerbesteuer in noch zu bestimmender Höhe bewirkt und somit das Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG begangen. Die Verständigung über die Einleitung dieses Finanzstrafverfahrens wurde dem Verdächtigen am zugestellt. Seiner dagegen erhobenen Beschwerde gab die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich mit Entscheidung vom Folge, hob den Einleitungsbeschluss wegen Unzuständigkeit auf und wies das Finanzamt an, gemäß § 54 FinStrG unverzüglich eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft zu erstatten, weil Dr. Gernot P***** verdächtig sei, ein vorsätzliche begangenes Finanzvergehen verübt zu haben und der strafbestimmende Wertbetrag 1,000.000 S übersteige. Am erstattete das Finanzamt Linz bei der Staatsanwaltschaft Linz Strafanzeige gegen Dr. Gernot P***** wegen des Verdachtes der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG, wobei es in der Begründung anführte, dieser habe vorsätzlich für das Jahr 1986 Provisionseinnahmen (Schweigegeld in der Sache N*****) nicht erklärt und dadurch eine Verkürzung an Einkommens-, Umsatz- und Gewerbesteuer in der Höhe von 1,629.233 S bewirkt. Dieser Anzeige schloss es den Finanzstrafakt mit der Straflisten-Nr 187/88 an (ON 5a).
Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin am beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Linz Vorerhebungen "gegen Dr. Gernot P***** wegen § 33/1 FinStrG" durch Beischaffung eines Personalblattes und einer Strafregisterauskunft (Punkt 1), verantwortliche Abhörung von Dr. Gernot P***** gemäß § 38 StPO (Punkt 2) sowie Abbrechung des Verfahrens gemäß § 412 StPO und Überwachung der Rechtskraft der Abgabenbescheide (Punkt 3). Diesem Antrag schloss sie Ablichtungen aus Vorstrafakten und den finanzstrafbehördlichen Strafakt an. Die Beischaffung des Personalblattes und der Strafregisterauskunft wurde vom Untersuchungsrichter am veranlasst (US 10 und 11).
Das Erstgericht zieht den Schluss, die vom Finanzamt Linz erstattete Anzeige umfasse auf Grund der im beigelegten Finanzakt erliegenden Urkunden auch ein Finanzvergehen für die Jahre 1983 bis 1985. Da sich die Antragstellung der Staatsanwaltschaft auf Überwachung der Abgabenbescheide richtet, beziehe sich die daraufhin vom Gericht am gesetzte Verfolgungshandlung auch auf eine Steuerhinterziehung für die Jahre 1983 bis 1985.
Gegen diese Schlussfolgerung der Tatrichter ergeben sich - wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt - tatsächlich erhebliche Bedenken aus den Akten. Die Anzeige des Finanzamtes Linz vom führt ausschließlich und ausdrücklich nur das Jahr 1986 an und behauptet, Dr. Gernot P***** habe für dieses Jahr Einkommens-, Umsatz- und Gewerbesteuer in der Gesamthöhe von 1,629.223 S hinterzogen, weil er von seinem ehemaligen Dienstgeber über seine Ehefrau zwei Sparbücher mit einem Einlagestand von insgesamt 2,095.000 S als Abgeltung für die Beendigung des Dienstverhältnisses übernommen, diese Einkünfte aber nicht erklärt habe. Mit Bescheiden vom seien die Abgabenfeststellungen durchgeführt worden, gegen sie sei das Rechtsmittel der Berufung eingebracht worden (S 51b und c). Aus dem der Anzeige beigelegten Finanzakt ergibt sich lediglich, dass die Finanzbehörden für die Jahre 1983 bis 1985 auf Grund der Veröffentlichung der Anklageschrift gegen Dr. Gernot P***** wegen § 153 Abs 1 und 2 StGB einen vagen Verdacht auf Hinterziehung von Steuern hatten, konkrete Erhebungsschritte waren jedoch noch nicht erfolgt. Der Bescheid über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens auch für die Jahre 1983 bis 1985 wurde über Beschwerde des Verdächtigen durch die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich aufgehoben. Erhebungen bei den Finanzbehörden, warum von der Anzeige an die Staatsanwaltschaft nur das Jahr 1986 umfasst war, wurden nicht gepflogen.
Da bereits in der Anzeige von Bescheiden für 1986 gesprochen wird, ist auch die Schlussfolgerung des Schöffengerichtes, aus der Antragstellung der Staatsanwaltschaft auf Überwachung der "Steuerbescheide" sei ersichtlich, dass auch Hinterziehungen von Steuern für die Jahre 1983 bis 1985 umfasst habe, nicht überzeugend. Wie der Rechtsmittelwerber ebenso zutreffend aufzeigt, umfasst die verantwortliche Abhörung von Dr. Gernot P***** gemäß 38 Abs 3 StPO am (ON 9 S 77 bis 79) lediglich die Vorgänge über den Erhalt der Sparbücher im Jahre 1986.
Auf Grund dieser Umstände aus den Akten ergeben sich tatsächlich erhebliche Bedenken gegen die Feststellung, das Verfahren wegen der Hinterziehung von Steuern für die Jahre 1983 bis 1985 sei schon seit gerichtsanhängig gewesen.
Daraus folgt, dass sich eine neue Hauptverhandlung nicht vermeiden lässt; es war daher das Urteil aufzuheben, ohne dass es eines Eingehens auf die darüber hinaus geltend gemachten Beschwerdeargumente bedurfte.
Dessen ungeachtet ist die weitere Schlussfolgerung des Nichtigkeitswerbers, die Taten für die Jahre 1983 bis 1985 seien bereits verjährt, nicht richtig.
Nach den Urteilskonstatierungen wurde Dr. Gernot P***** am von der Schweiz nach Österreich zur Strafverfolgung wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 StGB ausgeliefert. Er befand sich bis in Untersuchungshaft. Anschließend war er gegen gelindere Mittel (Weisungen, Abnahme der Reisepapiere) auf freiem Fuß. Vom bis verbüßte er einen Teil der über ihn wegen des angeführten Verbrechens verhängten Freiheitsstrafe. Mit seiner bedingten Entlassung am begann die für eine allfällige Verfolgung wegen anderer als von der Auslieferung umfassten, vor diesen begangenen Delikte erforderliche 45-tägige Frist zu laufen (Art 14 Abs 1 lit b des Europäischen Auslieferungsübereinkommens).
Da somit bis wegen Spezialität der Auslieferung gegen Dr. Gernot P***** eine Verfolgung wegen vor der Auslieferung begangener strafbarer Handlungen (hier für die Jahre 1983 - 1985) nach dem Gesetz nicht eingeleitet werden durfte, war diese Zeit nicht in die Verjährungszeit einzurechnen (§ 31 Abs 4 lit a FinStrG). Für die von der Staatsanwaltschaft inkriminierte Abgabenverkürzung betreffend das Jahr 1986 gilt das Verfolgungshindernis der Spezialität der Auslieferung nicht, weil diese Verkürzung erst nach der Auslieferung aus der Schweiz (frühestens) am bewirkt wurde (§ 33 Abs 3 lit a FinStrG).
Mit Anzeige des Finanzamtes Linz vom , bei der Staatsanwaltschaft Linz eingelangt am , wurde Dr. Gernot P***** das Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG vorgeworfen, weil er in den Jahren 1984 bis 1993 vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- bzw Wahrheitspflicht eine Verkürzung an Einkommensteuer für die Jahre 1983 bis 1992 in der Gesamthöhe von 22,810.768 S bewirkt haben soll. Zur verantwortlichen Abhörung gemäß § 38 Abs 3 StPO über diese Schlussanzeige wurde der Verdächtige vom Gericht am geladen.
Zu diesem Zeitpunkt wäre die fünfjährige Verjährungsfrist tatsächlich bereits abgelaufen gewesen.
Begeht der Täter aber während der Verjährungsfrist neuerlich ein Finanzvergehen, so tritt gemäß § 31 Abs 3 FinStrG die Verjährung nicht ein, bevor auch für diese neue Tat die Verjährungsfrist abgelaufen ist. Nach der Anklageschrift (Faktum 4) ist Dr. Gernot P***** verdächtig, auch für das Jahr 1986 Einkünfte nicht erklärt zu haben. Es wird ihm daher auch für dieses Jahr das Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG vorgeworfen. Für dieses Faktum besteht seit Gerichtsanhängigkeit. Dieses Faktum wurde jedoch vom Gericht neben weiteren Fakten betreffend die Jahre 1987 bis 1992 in der Hauptverhandlung vom gemäß § 57 StPO ausgeschieden (S 36 Bd II). Das Gerichtsverfahren zur angeblichen Steuerhinterziehung für 1986 ist somit weiterhin gerichtsanhängig. Das Erstgericht wird daher im erneuerten Verfahren zunächst zu klären und tragfähig zu begründen haben, ob die am eingeleiteten gerichtlichen Vorerhebungen auch die verfahrensgegenständlichen Steuerhinterziehungen für die Jahre 1983 bis 1985 betrafen. Bei Verneinung dieses Umstands ist die endgültige rechtliche Beurteilung der vorliegenden Taten erst möglich, wenn dann auch über die weiter in der Anklage inkriminierte angebliche Steuerhinterziehung für das Jahr 1986 abgesprochen wird. Es bleibt noch anzumerken, dass absolute Verjährung nicht eingetreten ist. Die diesbezüglichen Bestimmungen sind ab nicht mehr anzuwenden. Tatzeitpunkt für das früheste Urteilsfaktum (Steuerhinterziehung im Jahre 1983) war der . Die absolute Verjährung wäre daher erst am eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt war § 33 Abs 5 FinStrG in seiner alten Fassung nicht mehr in Geltung. Wenn die Taten aber im Zeitpunkt des Außerkrafttretens des Gesetzes nicht verjährt waren, ist die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden (vgl EvBl 2001/136, 15 Os 73/00).
Für den Fall eines Schuldspruches ist zu beachten, dass nach § 33 FinStrG eine Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs 2 FinStrG neben einer Geldstrafe, nicht aber statt einer solchen ausgesprochen werden darf.
Auf diese kassatorische Entscheidung waren die Staatsanwaltschaft mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung sowie der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen.
Fundstelle(n):
QAAAE-09248