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VfGH vom 24.09.2002, a7/02

VfGH vom 24.09.2002, a7/02

Sammlungsnummer

16600

Leitsatz

Stattgabe einer Klage auf Zahlung von Zinsen für die verspätete Rückzahlung des Differenzbetrages zwischen der ursprünglich auferlegten Geldstrafe und der aufgrund eines Erkenntnisses des Unabhängigen Verwaltungssenates herabgesetzten Geldstrafe; rechtsgrundlose Bereicherung des zur Zahlung verpflichteten Landes bis zur Rückerstattung; Kostenzuspruch

Spruch

Das Land Salzburg ist schuldig, dem Kläger zu Handen seines Rechtsvertreters 4 % Zinsen aus € 32,01 vom bis sowie die Verfahrenskosten von € 275,- binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit der am eingebrachten, auf Art 137 B-VG gestützten Klage begehrt der Kläger vom beklagten Land Salzburg die Zahlung von € 32,01 samt 4 % Zinsen seit sowie den Ersatz der Verfahrenskosten.

Begründend brachte der Kläger vor, über ihn sei mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom , Z 6/369-2144-2001, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 eine Geldstrafe von € 109,01 (S 1.500,-) verhängt worden. Er habe einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist und zugleich den Einspruch eingebracht. Der Wiedereinsetzungsantrag sei jedoch mit Bescheid abgewiesen worden. Er habe schließlich den Strafbetrag von € 109,01 am an die Bezirkshauptmannschaft Zell am See bezahlt, nachdem die Behörde den Betrag bereits mehrmals eingemahnt habe.

Mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg (UVS) vom habe der UVS über die Berufung des Klägers gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages entschieden und dem Antrag Folge gegeben, womit die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See außer Kraft trat. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom sei schließlich wegen der oben erwähnten Verwaltungsübertretung über den Kläger eine neue, geringere Strafe von € 70,- sowie die Verpflichtung zum Ersatz der Verfahrenskosten von € 7,- verhängt worden.

Mit Schreiben vom habe der Kläger die Bezirkshauptmannschaft Zell am See unter Setzung einer Frist bis aufgefordert, den Differenzbetrag zwischen der bereits einbezahlten Strafe und der nunmehr an deren Stelle verhängten (geringeren) Strafe wieder auszubezahlen.

2. Mit Schriftsatz vom schränkte der Kläger sein Klagebegehren auf die Zahlung der Zinsen von 4 % aus € 32,01 vom bis sowie Kostenersatz ein, weil die beklagte Partei am den Kapitalbetrag von € 32,01 bezahlt habe, nicht jedoch die geforderten Zinsen und Verfahrenskosten.

3. In seiner Gegenschrift ließ das Land Salzburg die Klagebehauptungen im Wesentlichen unbestritten. Es führte aus, daß "der geforderte Betrag von € 32,01" dem Kläger am überwiesen worden sei. Zum Begehren auf Zahlung von Verzugszinsen wendete das beklagte Land Salzburg ein, daß Verzug erst dann eintrete, wenn einem Zahlungsbegehren des Anspruchsberechtigten nicht innerhalb angemessener Frist entsprochen wird. Die Frist werde ab Einlangen beim Rechtsträger gerechnet, wobei eine vierzehntägige Frist angemessen sei.

Das Aufforderungsschreiben des Klägers sei aber erst am beim Amt der Salzburger Landesregierung eingelangt. Die darin bis gesetzte, sohin viertägige Frist sei aber keineswegs angemessen, sodaß das Land Salzburg nicht - wie vom Kläger behauptet - ab in Verzug geraten sei. Daraus folgert die beklagte Partei, daß der geltend gemachte Anspruch samt Nebenanspruch "nicht (mehr) zu Recht besteh[e]" und beantragt die Abweisung der Klage.

4. Der Kläger entgegnete in einer Replik, daß er sein Aufforderungsschreiben an die Bezirkshauptmannschaft Zell am See per Fax am übermittelt habe und legte zum Beweis dafür eine Sendebestätigung seines Faxgerätes vor, auf der das Datum und die Faxnummer der Bezirkshauptmannschaft Zell am See ersichtlich ist. Daß dieses Schreiben beim Amt der Landesregierung erst am eingelangt sei, zog er nicht in Zweifel; relevant sei jedoch vielmehr das Einlangen bei der Bezirkshauptmannschaft.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Klage erwogen:

1. Die Klage ist zulässig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist seine Zuständigkeit gemäß Art 137 B-VG zur Entscheidung über den Anspruch auf Rückerstattung eines bezahlten Strafbetrages (bzw. Verfahrenskosten) gegeben, wenn das zugrundeliegende Straferkenntnis - als Rechtstitel der Zahlung - durch Aufhebung weggefallen ist, etwa durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 9498/1982, 10496/1985, 12538/1990, 14636/1996 ua.) oder etwa wenn die der Zahlung zugrundeliegende Strafverfügung - zB durch rechtzeitige Erhebung eines Einspruchs - bereits außer Kraft getreten ist (vgl. VfSlg. 10938/1986).

Der Verfassungsgerichtshof hält an dieser Auffassung fest, die auch auf das hier gestellte Begehren auf Verzugszinsen zutrifft, weil diese Annex eines mit Klage nach Art 137 B-VG geltend gemachten vermögensrechtlichen Anspruches sind (vgl. VfSlg. 7571/1975, 10496/1985, 10795/1986, 12693/1991).

2. Die Klage ist teilweise auch berechtigt.

2.1. Aufgrund der vom beklagten Land Salzburg insoweit unbestritten gebliebenen Klagsbehauptungen, die mit den vorgelegten Unterlagen belegt werden konnten, steht das Klagsvorbringen im Hinblick auf die Kapitalforderung außer Streit; das beklagte Land hat die Rückerstattung des geforderten Kapitalbetrags nach Klagserhebung bewirkt.

Mit dem Außerkrafttreten der Strafverfügung entfiel die Rechtsgrundlage für die bereits entrichtete Geldstrafe von € 109,01. Da in der Folge an Stelle dieser Strafverfügung ein Straferkenntnis getreten ist, mit dem die verhängte Strafe nur mit einem - geringeren - Betrag von € 70,- (zuzüglich Kosten von € 7,-) festgesetzt wurde, besteht für die Zahlung des Klägers nur bis zu dieser Höhe (€ 77,-) Deckung durch einen gültigen Rechtstitel. Das Land Salzburg war daher mit dem resultierenden Differenzbetrag von € 32,01 bis zum Zeitpunkt der Rückerstattung dieses Betrages rechtsgrundlos bereichert.

Die Klage wurde daher im Hinblick auf das Hauptbegehren zurecht erhoben.

2.2. Strittig blieb das Klagsvorbringen nur im Hinblick auf das Zinsenbegehren. Die Parteien stimmten in der Frage nicht überein, wann das Aufforderungsschreiben des Klägers dem beklagten Land zugegangen ist. Die Behauptungen in der Klage gehen dahin, daß dieses Aufforderungsschreiben der Bezirkshauptmannschaft Zell am See am per Fax übermittelt wurde. Die beklagte Partei äußerte sich dazu nicht und wendet lediglich ein, daß das Aufforderungsschreiben am beim Amt der Salzburger Landesregierung eingelangt sei.

Verzugszinsen sind auch bei öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen, wenn - wie hier - das Gesetz nichts Gegenteiliges bestimmt (vgl. VfSlg. 5074/1965, 10889/1986), zu entrichten, und zwar ab dem Zeitpunkt des Verzuges. Zum Beginn des Eintritts der Verzugsfolgen ist auf das Erkenntnis VfSlg. 11262/1987 zu verweisen, in welchem bereits dargelegt wurde, daß ein Rückforderungsbegehren, das an jene Behörde gerichtet wird, die berechtigt war, einen zu Unrecht vorgeschriebenen Betrag einzuziehen, als taugliche Mahnung zu werten ist. Nach dieser Rechtsprechung wäre daher im vorliegenden Fall bereits der Zugang der Zahlungsaufforderung an die Bezirkshauptmannschaft Zell am See relevant für den Eintritt der Verzugsfolgen.

In Anbetracht der Geringfügigkeit des als strittig verbliebenen Teils des Zinsenbegehrens im Verhältnis zur Hauptforderung kann der Verfassungsgerichtshof die noch strittigen Umstände in Anwendung des § 273 Abs 2 ZPO (iVm. § 35 VfGG) nach freier Überzeugung beurteilen (vgl. VfSlg. 12312/1990). Dabei ist zu berücksichtigen, daß die beklagte Partei lediglich das spätere Einlangen des Mahnschreibens beim Amt der Landesregierung behauptet hat, jedoch das Vorbringen des Klägers unbestritten ließ, wonach dieses Schreiben bereits zuvor (am ) der Bezirkshauptmannschaft Zell am See zugegangen ist. Die dahingehende Behauptung des Klägers konnte mit der Vorlage eines Faxprotokolls glaubhaft gemacht werden. Es wird daher festgestellt, daß die Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft am zugegangen ist.

Da dem zur Zahlung Verpflichteten eine angemessene Frist für die Erfüllung des gestellten Begehrens einzuräumen ist, liegt ein Verzug nicht schon, wie in der Klage behauptet, seit dem vor. Verzugszinsen sind sohin nicht im Sinne des Begehrens ab , sondern erst ab zuzusprechen. Der Umstand, daß der Kläger in der Zahlungsaufforderung eine unangemessen kurze Leistungsfrist setzte, kann - entgegen der in der Gegenschrift vertretenen Auffassung - nicht dazu führen, daß überhaupt kein Verzug eintritt. Selbst eine Zahlungsaufforderung, in der überhaupt keine Leistungsfrist genannt wird, löst nach Ablauf einer angemessenen Frist (14 Tage) Verzugsfolgen aus (vgl. VfSlg. 12197/1989).

3. Das Zinsenbegehren war daher im Umfang von 4 % aus € 32,01 vom bis zuzusprechen.

4. Der Kläger hat die Klage zurecht erhoben und nach Zahlung des Kapitalbetrags rechtzeitig eingeschränkt; es sind daher die Verfahrenskosten zu ersetzen. Die Klage war gemäß TP3 C zu honorieren, die Klagseinschränkung nach TP1. Die Replik des Klägers war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ebenfalls notwendig (Vorlage der Faxbestätigung, zweckentsprechendes Vorbringen) und ist nach TP2 zu bewerten. Im Kostenzuspruch ist die Eingabegebühr in Höhe von € 180,- und Umsatzsteuer in Höhe von € 15,84 enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.