VfGH vom 30.11.1993, B801/93
Sammlungsnummer
13604
Leitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Bestrafung wegen nicht zeitgerechter Vorlage der Meldung der Überlassung von Arbeitskräften an das Landesarbeitsamt; verfassungswidrige Gleichsetzung des im Gesetz genannten Stichtags für die mitzuteilenden Verhältnisse mit dem Ende der Meldefrist
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 15.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Mit Schreiben vom wurde die
S Personalbereitstellungsgesellschaft m.b.H. vom Landesarbeitsamt Wien aufgefordert, unter Verwendung des beigelegten Vordrucks (AÜG1/91) die Meldung der Überlassung von Arbeitskräften gemäß § 13 Abs 4 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) zum Stichtag bis zu erstatten.
Die abverlangten Daten wurden Anfang Oktober 1991 vorgelegt.
Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 13 Abs 4 AÜG gemäß § 22 Abs 1 Z 2 litd leg.cit. eine Verwaltungsstrafe verhängt, weil er es als zur Vertretung der S Personalbereitstellungsgesellschaft m.b.H. zu verantworten habe, daß diese Gesellschaft die gemäß § 13 Abs 4 AÜG einmal jährlich mit Stichtag Ende Juli 1991 zu ermittelnden Daten nicht bis zum dem Landesarbeitsamt Wien vorgelegt habe.
Aufgrund der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde dieses Straferkenntnis mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Z UVS - 06/22/209/92, hinsichtlich der Tatanlastung und des Verschuldens mit der Maßgabe bestätigt, daß es der Beschwerdeführer zu verantworten habe, daß die Übermittlung der Daten nicht am erfolgt ist, und die verhängte Strafe herabgesetzt.
Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher eine Verletzung des gemäß Art 7 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes, nicht wegen einer zur Zeit der Regelung nicht strafbaren Unterlassung verurteilt zu werden, und eine Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen, weil gegen Art 18 B-VG verstoßenden Gesetzes, nämlich des § 13 Abs 4 AÜG, behauptet werden und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen und die vom Verfassungsgerichtshof an sie gerichtete Frage, ob sie davon ausgehe, daß der im § 13 Abs 4 AÜG genannte Stichtag für die mitzuteilenden Verhältnisse zugleich das Ende der Frist für die Meldung darstelle, bejaht.
II. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.
1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) dann vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Die belangte Behörde hat in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides die Verwirklichung des Straftatbestandes des § 22 Abs 1 Z 2 litd AÜG mit angenommen und dies wie folgt begründet:
"§22 Abs 1 Z 2 AÜG sanktioniert die Übertretung solcher Vorschriften dieses Gesetzes die unmittelbar der Erfüllung des Gesetzeszweckes dienen (siehe Erl. Bem. zur Reg.Vorl. des AÜG). Der Zweck des § 13 Abs 4 AÜG liegt darin, daß aufgrund der nach dieser Bestimmung vom Überlasser zu übermittelnden Daten, ein Überblick über die Entwicklungstendenzen der gewerbsmäßigen Arbeitskräfteüberlassung gewonnen werden soll. In Ansehung der ratio legis des § 22 Abs 1 Z 2 litd AÜG kann es daher nicht zweifelhaft sein, daß die darin genannten Sanktionen bereits dann ausgelöst werden, wenn der Überlasser seiner Verpflichtung gemäß § 13 Abs 4 AÜG nicht bis zu dem in dieser Bestimmung genannten Stichtag ordnungsgemäß nachkommt. Der Gesetzgeber hat in § 13 Abs 4 AÜG den Stichtag für die Übermittlung der in dieser Bestimmung genannten Daten mit 'Ende Juli', d.h. mit 31.7. eines jeden Kalenderjahres festgelegt. Da es sich hiebei offensichtlich um eine gesetzliche Frist handelt, ist davon auszugehen, daß diese Frist nicht erstreckt werden kann, sodaß sich die Verpflichtung des Überlassers zur Übermittlung der in Rede stehenden Daten bis zum 31.7. eines Kalenderjahres an das zuständige LAA unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und nicht - wie vom Beschuldigten vermutet - erst durch die vom LAA jeweils Ende Juli eines Jahres durchgeführte Stichtagserhebung begründet wird."
Die belangte Behörde ging bei ihrer Entscheidung demnach davon aus, daß der im Gesetz genannte Stichtag (für die Erfassung der statistischen Daten) zugleich das Ende der Frist für die Meldung darstellt.
2. Der Verfassungsgerichtshof hält es jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen für denkunmöglich anzunehmen, daß der im Gesetz genannte Stichtag mit dem Ende der Frist für die Übermittlung der Unterlagen gleichzusetzen ist.
§ 13 Abs 4 AÜG lautet:
"(4) Der Überlasser hat dem zuständigen Landesarbeitsamt (§19 Abs 1) einmal jährlich zum Stichtag Ende Juli folgende Daten, geordnet nach den gesetzlichen Interessenvertretungen und Fachgruppen der Beschäftigter, zu übermitteln:
1. Anzahl der überlassenen Arbeitskräfte, gegliedert nach Geschlecht, Staatsbürgerschaft, Arbeitern und Angestellten,
2. Anzahl der Beschäftiger,
3. Anzahl der laufenden Überlassungen, gegliedert nach ihrer bisherigen Dauer in solche bis einen Monat, bis drei Monate, bis sechs Monate, bis ein Jahr und über ein Jahr."
Ein Verständnis dieser Vorschrift, wie es die belangte Behörde ihrem Bescheid zugrunde gelegt hat, würde nämlich bedeuten, daß der Überlasser zum einen sämtliche geforderte Daten bis zum Ablauf des 31. Juli zu erfassen hat (andernfalls droht ihm eine Bestrafung gemäß § 22 Abs 1 Z 2 litd AÜG wegen Mangelhaftigkeit der vorgelegten Unterlagen), zum anderen aber verpflichtet wird, dafür Sorge zu tragen, daß die von ihm ermittelten Daten am 31. Juli dem Landesarbeitsamt vorgelegt werden. Da die zum Stichtag zu erfassenden Daten nicht schon am Stichtag der Behörde vorgelegt werden können, würde solcherart ein gesetzeskonformes Verhalten der Rechtsunterworfenen unmöglich.
Es ist aber gar nicht nötig, dem Gesetz diesen Inhalt zu unterstellen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß das Gesetz keine Angabe über den Zeitpunkt enthält, bis zu dem die statistisch erfaßten Daten der Behörde vorzulegen sind. Daraus folgt, daß - sofern die Behörde nicht eine Frist gewährt hat - die Daten unverzüglich zu übermitteln sind.
Die belangte Behörde hat somit durch den von ihr erlassenen Spruch dem Gesetz fälschlich einen unsachlichen und daher gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt.
Der Bescheid ist daher schon wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz aufzuheben, ohne daß auf das in andere Richtung gehende Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden braucht.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind 2.500 S an Umsatzsteuer enthalten.